Schwangerschaft: Wenn der Zucker verrückt spielt Dr. Kerstin Neumann, 26.02.2016 14:39 Uhr
Bei Schwangerschaftsdiabetes gilt es, den Blutzuckerspiegel der werdenden Mutter gut unter Kontrolle zu halten, um das ungeborene Kind nicht zu gefährden. Neben einer umfangreichen Ernährungsberatung gehört die regelmäßige Überwachung des Glukosespiegels zu den wichtigsten Maßnahmen. In etwa 20 Prozent der Fälle muss Insulin gespritzt werden. Spezielle Nahrungsergänzung aus der Apotheke kann die Therapie unterstützen.
Fall: Eine schwangere Patientin kommt in die Apotheke, sie ist sichtlich nervös. Sie komme gerade vom Arzt, dieser habe Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert. Sie solle regelmäßig den Blutzucker messen und sich mehr bewegen. Vom Diabetologen hat sie ein Messgerät erhalten, sie habe aber noch nie selbst gemessen und außerdem ein wenig Angst, sich in den Finger zu pieksen. Außerdem sei sie als Mutter von zwei Kindern im Alter von 3 und 5 Jahren so beschäftigt, dass sie gar nicht wisse, was sie an ihrem Leben eigentlich ändern solle. Auf Nachfrage erzählt die Frau, dass ihr Vater seit Jahren an Diabetes Typ 2 leidet. Sie arbeitet 30 Stunden pro Woche in einem Steuerberatungsbüro und sitzt die meiste Zeit am Computer. Die Patientin ist in der 25. Schwangerschaftswoche (24W+4T).
Analyse: Zwischen der 24. und der 28. Woche der Schwangerschaft wird laut Mutterschaftsrichtlinien geprüft, ob ein Schwangerschaftsdiabetes besteht. Dieser tritt in Deutschland relativ häufig auf: Laut Zahlen des AQUA-Instituts sind knapp 5 Prozent der werdenden Mütter betroffen. Beim Schwangerschaftsdiabetes verändert sich der Körper dahingehend, dass eine Resistenz gegen Insulin auftritt und daher die Blutzuckerwerte ansteigen. Besonders gefährdet sind übergewichtige Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30. Auch wenn früher geborene Kinder besonders schwer waren, ist das Risiko eines Diabetes während der Folgeschwangerschaften erhöht.
Für Mutter und Kind kann der erhöhte Glukosespiegel Folgen haben: Die Mutter läuft Gefahr, nach der Schwangerschaft dauerhaft an Diabetes zu leiden. Außerdem ist das Risiko für Bluthochdruck und Frühgeburten erhöht. Das ungeborene Kind muss durch das hohe Zuckerangebot mehr Insulin produzieren als gewöhnlich. Das führt zu einer Gewichtserhöhung bereits im Mutterleib. Nach der Geburt können beim Kind Unterzuckerungserscheinungen auftreten. Außerdem besteht die Gefahr von Atemstörungen.
Kommunikation: Wichtig ist zunächst einmal, die Patientin zu beruhigen. Schwangerschaftsdiabetes ist meist gut in den Griff zubekommen. Die Messung des Blutzuckers ist schnell gelernt; am sinnvollsten ist es, die erste Messung gemeinsam durchzuführen und so für mehr Sicherheit zu sorgen. Der Patientin muss einfühlsam erläutert werden, wie wichtig es ist, die Blutzuckerwerte zu normalisieren, um dem Kind nicht zu schaden. Als PTA sollte man die Patientin auf jeden Fall dazu auffordern, regelmäßig mit dem Arzt zu sprechen. Möglicherweise muss zu einem späteren Zeitpunkt für eine Zeitlang Insulin gespritzt werden.
Das kann man aber gemeinsam versuchen zu verhindern: Der werdenden Mutter kann angeboten werden, einen Ernährungsplan aufzustellen. Oft achten Eltern genau auf die gesunde Ernährung der Kinder. In diesem Fall kann als Vorschlag mit herangezogen werden, für die ganze Familie gesunde Kost zu planen. Die Patientin muss außerdem darauf achten, sich ausreichend zu bewegen – auch wenn das nicht leicht in den Tagesablauf zu integrieren ist. Eine sehr simple Methode ist, auf dem Weg zur Arbeit das Auto nicht vor der Tür, sondern wenn möglich einige hundert Meter entfernt abzustellen und den Restweg zu Fuß zurückzulegen. Feste Zeiten für die Bewegung einzuplanen oder sich zum Sport oder zum Spaziergang zu verabreden, erhöht die Verbindlichkeit.
Therapie: Der erste Ansatz für die Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes sind immer nichtmedikamentöse Maßnahmen. Eine Ernährungsberatung sollte daher immer angeboten werden. Diese kann entweder durch einen Diabetologen oder in der Apotheke durch eine Apothekerin oder PTA mit Spezialisierung durchgeführt werden. Die Blutzuckermessung sollte zur Kontrolle regelmäßig durchgeführt werden. Als Faustregel gilt: vier Messungen pro Tag, die erste gleich nach dem Aufstehen und dann jeweils eine Stunde nach den Mahlzeiten. Als Zielwert bei der Messung gilt eine Blutglukose zwischen 90 und 110 mg/dl. Werden diese Werte nach einigen Wochen nicht erreicht, sollte vom Arzt eine Insulintherapie verordnet werden. Unterstützend kann aus der Apotheke mit Nahrungsergänzungsmitteln geholfen werden, die speziell auf den Nährstoffbedarf von Schwangeren abgestimmt sind.