Wenn Ibu den Blutdruck steigen lässt Dr. Kerstin Neumann, 27.05.2016 13:47 Uhr
Rückenschmerzen gehören in Westeuropa fast schon zum Volksleiden. Die meisten Betroffenen versuchen, sich mit rezeptfreien Schmerzmitteln zu helfen. Das funktioniert häufig gut – allerdings können die Mittel bei längerer Anwendungsdauer Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln hervorrufen. Gerade bei älteren Patienten, die oft Medikamente gegen Bluthochdruck einnehmen, kann das gesundheitliche Auswirkungen haben. Dann ist es wichtig, Behandlungsalternativen zu kennen.
Fall: Ein älterer Herr von etwa 70 Jahren kommt mit einer Verordnung über Candesartan 32 mg und Simvastatin 40 mg in die Apotheke. Er ist kein Stammkunde, löst aber in unregelmäßigen Abständen seine Rezepte in der Apotheke ein. Heute bittet er außerdem um ein Diclofenac-Schmerzgel, von dem er in der Werbung gehört habe. Seine Rückenschmerzen seien mittlerweile so stark, dass er sich kaum noch bewegen könne. Die Ibuprofen-Tabletten, die er gelegentlich einnehme, reichten gegen die Schmerzen einfach nicht aus. Auf Nachfrage erzählt der Kunde, dass er seine bettlägrige Frau selbst pflegt. Auf die Frage, ob er mit dem Bluthochdruckmedikament zurechtkomme, sagt er, dass in der letzten Zeit sein Arzt nicht mehr zufrieden mit den Werten sei. Daher habe er jetzt eine höhere Dosis verschrieben bekommen.
Analyse: Bluthochdruck-Patienten erhalten sehr häufig Medikamente aus der Gruppe der Angiotensin-Rezeptorantagonisten, die sogenannten Sartane. Sie gelten als sehr gut verträglich und rufen beispielsweise keinen Husten hervor, wie es bei den ACE-Hemmern oft der Fall ist. Allerdings sind auch bei der Anwendung der Sartane Wechselwirkungen zu beachten. So können Schmerzmittel der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) die Wirkung der Medikamente verringern. Da der Kunde berichtet, dass er seit einiger Zeit Ibuprofen einnimmt, könnten die erhöhten Blutdruckwerte darauf zurückzuführen sein.
Was die Ursache der Rückenschmerzen ist, ist zunächst nicht genau ersichtlich. Nach den ersten erhaltenen Informationen könnten die Schmerzen auf die körperliche Belastung zurückzuführen sein, die durch die Pflege der Partnerin entsteht. Mit zunehmendem Alter ist die Belastung für den Rücken nicht mehr zu kompensieren. Schmerzen sind die Folge, die durch eine Schonhaltung noch verstärkt werden können. Meist liegt dann eine starke Muskelverspannung vor.
Kommunikation: Der Patient sollte mit Arzt sprechen, um eine mögliche Wechselwirkung zwischen Schmerzmittel und Bluthochdruckmedikament abzuklären. Möglicherweise ist eine Dosiserhöhung von Candesartan nicht notwendig, wenn die Rückenschmerzen anders behandelt werden können. In der Apotheke kann dem Patienten angeboten werden, die Kommunikation mit dem Arzt anzustoßen und die Hintergründe zu erklären. Falls der Kunde Sodbrennen oder Magenschmerzen aufweist, ist es ratsam, auf NSAR zu verzichten und auf andere Schmerzmittel umzusteigen. Da adäquate Alternativen aber verschreibungspflichtig sind, muss der Kunde dies in jedem Fall mit dem Arzt besprechen.
Gegen die Rückenschmerzen können neben der Einnahme von Schmerzmitteln auch andere Maßnahmen ergriffen werden. Bei Muskelverspannungen haben sich Wärmepflaster bewährt, die bereits im akuten Fall Abhilfe schaffen können. Diese sollten nur tagsüber getragen werden. Das vom Kunden gewünschte Schmerzgel mit Diclofenac kann ebenfalls helfen, moderate Schmerzen zu lindern. Wenn der Patient offen für weitere Beratung ist, sollte angeregt werden, die – körperlich anstrengende – Pflege der Partnerin nach Möglichkeit abzugeben. Grundsätzlich ist es wichtig, die Muskulatur im Rücken zu stärken. Das kann beispielsweise durch funktionelle Gymnastik oder durch Bewegung wie Schwimmen oder Walking geschehen – je nach körperlicher Verfassung des Patienten.
Therapie: Nach Leitlinie kann bei starken und andauernden Schmerzen im Rückenbereich auf schwache Opioid-Analgetika umgestellt werden. Dazu gehören beispielsweise die Wirkstoffe Tilidin oder Tramadol. Insbesondere dann, wenn der Patient unter Magenbeschwerden oder Sodbrennen leidet, sollte auf NSAR verzichtet werden. Gleichzeitig können die Wechselwirkungen zwischen der Schmerzmedikation und dem Sartan vermieden werden. Wenn nach sechs Wochen keine Besserung erreicht ist, sollte ein sogenannter multimodaler Ansatz versucht werden. Dieser beinhaltet neben der richtigen Schmerzmedikation auch die Gabe von Muskelrelaxanzien wie Methocarbamol. Zusätzlich sollte dann eine Bewegungstherapie durch einen Physiotherapeuten empfohlen werden.