Jobwechsel

Reifen statt HV: Von der PTA zur Meister-Vulkaniseurin

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Berlin -

Der PTA-Beruf ist weiblich dominiert; laut ABDA liegt der Frauenanteil bei über 97 Prozent. Damit muss man umgehen können und wollen. Nadin Möller wollte nicht. Ihr Herz schlägt für Motoren und Reifen, nicht für OTC und Kosmetik. Die ehemalige PTA ist aus der Apotheke in die Werkstatt gewechselt, mittlerweile hat sie einen Meisterbrief als Vulkaniseurin und führt einen eigenen Betrieb.

Man kann nicht behaupten, sie wäre nicht aus Leidenschaft PTA geworden. „Das war damals genau mein Ding. Mathematik, Biologie und Chemie waren meine Lieblingsfächer in der Schule. Die Galenik war später auch genau mein Thema, das war toll“, erzählt die heute 42-Jährige. Nach der mittleren Reife und einem Ausbildungsjahr in den USA entschied sie sich deshalb für die PTA-Ausbildung und landete in der Apotheke im Mediohaus im schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen. Doch dort merkte sie schnell, dass das nicht ihr Umfeld ist. „Das war eine große Apotheke, wir waren 30 Mädels und ein Chef“, erinnert sie sich. Genau das lag ihr nicht. „Frauen untereinander sind widerlich“, sagt sie. „Männer fluchen laut und dann ist alles wieder gut. Frauen aber sägen am Stuhl.“

Also entschied sie sich eines Tages, umschulen zu wollen, „das Hobby zum Beruf zu machen“, wie sie es nennt. Und ihr Hobby waren Motorräder und die Werkstatt. Das kommt nicht von irgendwoher, ihr Vater ist Mechaniker und betreibt eine Werkstatt. „Eigentlich wollte ich Zweiradmechanikerin werden“, erinnert sie sich. „Da hat mein Vater zu mir gesagt: ‚Mach doch Vulki bei mir!‘“ Vulkaniseure und Reifenmechaniker sind für alle Tätigkeiten rund um Reifenprüfung und -instandhaltung zuständig. Sie reparieren, montieren, wuchten aus, arbeiten an der Fahrwerkstechnik und in der Achsvermessung. „Alles, was aus Gummi ist, kriege ich repariert“, sagt Möller.

Doch die Ausbildung im elterlichen Betrieb gab ihr auch einiges neues Gepäck mit. Denn fortan musste sie sich nicht nur im genauen Gegenteil in einer absoluten Männerdomäne behaupten, sondern zusätzlich noch mit dem Vorurteil ihrer Kollegen, nur „Papis Prinzessin“ zu sein. „Ich war die einzige Frau unter lauter spätpubertierenden Kerlen. Ich kam mir vor wie im Tierpark!“, erzählt sie. „Aber das war mir egal, ich habe schnell gelernt, meine Ellenbogen einzusetzen und am Ende hab ich es allen gezeigt.“

Denn ihre Azubi-Kollegen hat sie allesamt hinter sich gelassen – bundesweit. Die Gesellenprüfung bestand sie mit Eins und wurde zur besten Absolventin ihres Jahrgangs gekürt. „Die meisten denken, wenn man bei Papa lernt, wird man mit Samthandschuhen angefasst – das Gegenteil war bei mir der Fall!“ Mit der Ausbildung war jedoch noch nicht Schluss, sie hängte noch eine Meisterschulung in München hinten dran. Auch hier musste sie sich unter den – dieses mal im Schnitt weitaus älteren Männern – behaupten, obwohl sie von Geringschätzung bis zu allerlei sexistischen Sprüchen alles über sich ergehen lassen musste.

Mittlerweile hat sie eine Reihe von Zusatzqualifaktionen, die sich sehen lassen kann: Schweißerschein, Airbagschein, Klimaanlagenschein und seit 2008 einen Studienabschluss als Betriebswirt des Handwerks. „Ich bin sogar Industrievulkaniseur“, sagt sie stolz. „Ich habe schon unter Tage Förderbänder repariert und fingerdicke Drahtseile geschweißt.“ Heute ist sie Unternehmerin und betreibt unter dem Namen „M.A.R.S. – Möller Auto- und Reifenservice“ eine eigene Werkstatt in Quickborn.

In die Apotheke zieht es sie also nicht zurück, doch missen will sie ihre Ausbildung auch nicht. „Handwerklich ist der Beruf ja auch gewesen, vor allem in der Rezeptur“, denkt sie zurück. Auch die Beratung spiele in ihrem heutigen Arbeitsleben noch eine Rolle. „Da hören die Parallelen aber auch schon auf.“ Dafür habe ihr das Wissen aus der Ausbildung für ihr weiteres Leben als Mutter viel geholfen, sagt sie. Eine wesentliche Erfahrung, die sie zur Entscheidung führte, den Job zu wechseln, habe sie damals mit ihrem Chef gemacht. Der sei offen und zugänglich für neue Ideen gewesen, sodass sie ihn überzeugen konnte, Tierarzneimittel ins Sortiment aufzunehmen. „Das Konzept war auch aufgegangen, aber dann hatte der Chef keinen Bock mehr und hat sie aus dem Sortiment genommen. Da habe ich gemerkt, dass ich frei fliegen muss.“

Es habe sie also nicht nur zur neuen Arbeit hin-, sondern auch von der alten weggezogen, auch ganz persönlich. „Ich habe großen Respekt vor Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten und täglich das Leid anderer ertragen“, sagt sie. „Ich bin sehr fühlig und wenn dann die Mutti von nebenan in die Apotheke kommt und mir erzählt, dass sie gerade beim Frauenarzt war – das kann ich nicht. Hier muss ich jetzt im schlimmsten Fall sagen: ‚Du hast einen Motorschaden. Kauf dir einen neuen!‘“

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