Die DAK Gesundheit zeigt beim Thema Großhandelsbeleg als Nachweis über ein nicht verfügbares Rabattarzneimittel weiter Härte. Die St. Georg-Apotheke aus Warendorf wurde retaxiert, obwohl sie die Lieferunfähigkeit für Copaxone (Glatirameracetat) nachweisen kann. Die betroffene PTA findet, dass die Kasse damit gegen den Rahmenvertrag verstößt.
Christina Hagemeier hatte das Rezept im Juni 2014 bearbeitet. Die PTA gab einen Reimport von Axicorp ab, weil der Großhändler Alliance Healthcare das rabattierte Originalpräparat von Teva nicht liefern konnte. Der Arzt hatte dem Versicherten einmal Copaxone mit 28 Fertigspritzen verordnet. Einen Hersteller hatte er nicht benannt. Hagemeier bedruckte das Rezept mit der Sonder-PZN 0256024 sowie dem Faktor 211.
Die Kasse schickte knapp ein Jahr später die Nullretaxation und zog der Apotheke 1459,37 Euro ab. Als Grund wurde die fehlende Ersetzung durch ein rabattbegünstigtes Arzneimittel angegeben. Daraufhin wandte sich die PTA, die seit fünf Jahren für Inhaber Marek Nagorny tätig ist, an den Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Einspruch wurde eingelegt.
Die DAK lehnte ab. Hagemeier reichte daraufhin mit einem zweiten Einspruch die Defektbescheinigung des Großhändlers mit ein. Die Kasse lehnte auch den zweiten Versuch ab. Am Telefon habe ein Mitarbeiter der Retaxstelle gesagt, Lieferunfähigkeitsbescheinigungen würden ausschließlich vom Hersteller akzeptiert, so Hagemeier. Die Rabattpartner seien verpflichtet, innerhalb von 24 Stunden die benötigte Ware zu liefern.
Teva habe das MS-Mittel auch vorrätig gehabt, so Hagemeier. „Wofür gibt es dann aber den Großhandel?“ Die PTA sieht sich genötigt, in solchen Fällen künftig direkt beim Hersteller selbst zu bestellen. „Die Patienten werde ich dann vertrösten müssen, dass die Lieferung länger als gewohnt dauert.“
Hagemeier kann nicht verstehen, dass sich die Kasse einfach über den Rahmenvertrag hinwegsetzen kann. Dort heißt es: „Dass ein rabattbegünstigtes Arzneimittel zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung vom pharmazeutischen Unternehmer nicht geliefert werden konnte, hat die Apotheke nachzuweisen. Der Nachweis kann durch Vorlage einer Erklärung des pharmazeutischen Unternehmers oder des Großhändlers geführt werden.“
Die DAK habe in ihrer Begründung selbst auf diesen Passus verwiesen und sogar den kompletten Wortlaut zitiert. Weiter unten im Schreiben heißt es jedoch: „Die logistischen Gegebenheiten des Großhandels sind hierfür irrelevant, da die Nichtverfügbarkeit nicht mit der Nichtlieferfähigkeit durch den Hersteller gleichgesetzt werden kann.“ Die Kasse widerspreche sich selbst, so Hagemeier.
Außerdem weist die DAK darauf hin, dass die Defektbescheinigung erst im Einpruchsverfahren eingeholt worden sei und nicht während der Abgabe zur Verfügung gelegen habe. „Mir wurde auch vorgeworfen, dass das Sonderkennzeichen nicht angegeben war“, sagt Hagemeier. Die PTA hat kurz vor Weihnachten einen dritten Einspruch eingelegt und hofft auf eine positive Antwort.
Der Verband habe am Rezept nichts zu beanstanden gehabt, so Hagemeier. Allerdings habe die Rechtsabteilung auch kein Mittel gegen die Nullretaxation gewusst. „Meiner Meinung nach sollte der Verband mehr gegen die Kassen unternehmen und deren Verhalten endlich öffentlich machen“, sagt sie. Diese Forderung habe sie auch dem AVWL mitgeteilt.
Die DAK ist bei Defektbescheinigungen des Großhandels unnachgiebig: Ein Apotheker aus Köln war retaxiert worden, weil er bei Nichtverfügbarkeit des Reimports von Copaxone nicht das Original abgegeben hatte. Dem Apotheker zufolge waren beide Präparate nicht lieferbar. Doch die Bestätigungen vom Großhandel nützten bislang nichts. Allerdings hatte Mario Spieker von der Markt-Apotheke auch vergessen, die entsprechende Sonderkennziffer anzugeben.
Ebenfalls um Copaxone ging es bei einer niedersächsischen Apotheke. Auch in diesem Fall reichte der Kasse der nachgereichte Beleg des Großhändlers nicht. Sie bestand auf der Nullretaxation von fast 4500 Euro. Auch der zwischenzeitlich eingeschaltete Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) konnte nicht vermitteln. Die eingereichte Bescheinigung des Großhändlers könne nicht akzeptiert werden, da diese erst im Einspruchverfahren ausgestellt worden sei, so die DAK.
Ein Sprecher der Kasse erklärte damals, dass auf Nachfrage der Nachweis der Nichtverfügbarkeit vorzulegen sei. „Es gibt Präparate, die über einen längeren Zeitraum nicht verfügbar sind, so dass eine Erklärung des Großhändlers oder Herstellers auch im Nachhinein plausibel ist.“ Tatsächlich hat die DAK in anderen Fällen eine Erklärung akzeptiert, die im Nachhinein ausgestellt wurde und sich auf den Zeitpunkt des Abgabedatums bezieht.
In diesem Fall allerdings nicht, denn die Kasse war in der Zwischenzeit selbst aktiv geworden und hatte bei Teva nachgefragt. Der Rabattpartner habe bestätigt, dass Copaxone in der streitigen Packungsgröße das ganze Jahr 2014 lieferfähig gewesen sei.
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