Aufgrund der konsequenten Schutzmaßnahmen mussten bislang zum Glück nur vereinzelt Apotheken wegen einer Corona-Infektion im Team komplett schließen. Doch es kommt immer wieder vor, dass Mitarbeiter:innen nach einer bestätigten Infektion oder als Kontaktperson 1. Grades in häusliche Quarantäne geschickt werden. Und immer öfter bleiben die Inhaber:innen auf den Lohnkosten sitzen, berichtet Steuerberater Torsten Feiertag gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Feiertag hat unter seinen Mandanten Apotheken, bei denen eine Quarantäne verhängt wurde. Das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber in diesem Fall den Lohn weiter zahlt und sich das Geld dann später vom Bund zurückholt. „Doch ich höre von immer mehr Fällen, in denen die Erstattung verweigert wird“, berichtet Feiertag. Die Apothekenleiter:innen haben den Ausfall selbst zu schultern. Alternativ bleibt nur der mühevolle Weg, gegen den ablehnenden Bescheid zu klagen.
Das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber für Verdienstausfälle aufgrund behördlicher Maßnahmen entschädigt wird. Wer als „Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern“ im Sinne des IfSG seinem Job aufgrund behördlicher Anordnung nicht nachgehen kann und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, „erhält eine Entschädigung in Geld“, heißt es in § 56 des Gesetzes.
Geregelt ist auch, dass der Arbeitgeber für maximal sechs Wochen die Lohnfortzahlung vorstreckt, bis die Behörde die gezahlten Beträge erstattet. Der Apothekenleiter oder die Apothekenleiterin muss das beantragen. Feiertag sieht aber immer mehr Fälle, in denen der Anspruch nicht gewährt wird.
Das Problem ist eine konkurrierende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), genauer § 616 zur „vorübergehenden Verhinderung“. Demnach haben Beschäftigte Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn sie ohne eigenes Verschulden an der Dienstleistung verhindert sind. Daraus leiten die Behörden ab, dass kein „Verdienstausfall“ im Sinne des IfSG besteht – schließlich sei der Arbeitgeber sowieso zur Lohnfortzahlung verpflichtet.
Das ist noch einigermaßen logisch, wenn der oder die Angestellte der Apotheke tatsächlich krank – also arbeitsunfähig – ist. Doch was ist, wenn er oder sie nur aufgrund der behördlichen Anordnung zu Hause bleiben muss? Steuerberater Feiertag findet es nicht korrekt, wenn die Behörden in diesen Fällen auf § 616 BGB verweisen und den Erstattungsanspruch ablehnen.
Umstritten wird unter Arbeitsrechtlern vor allem die Frage, ob eine bis zu 14-tägige Quarantäne noch als „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ der Verhinderung im Sinne § 616 BGB zu werten ist. Diese Frage wird vermutlich von den Gerichten zu klären sein. Arbeitsrechtler empfehlen zudem eine eingehende Prüfung, weil der Anspruch auf Lohnfortzahlung nur besteht, wenn der Arbeitnehmer „ohne sein Verschulden“ ausfällt. Nach einer behördlich verhängten Quarantäne, weil der Angestellte seinen Urlaub in einem Gebiet mit Reisewarnung verbracht hat, ist der Arbeitgeber mitunter gar nicht verpflichtet, gemäß IfSG in Vorleistung zu treten. Dann besteht je nach Einzelfall ohnehin kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Feiertag ärgert sich, dass die Apotheken diese Sprünge machen müssen. Denn die Politik erwecke stets den Eindruck, für die Ausfälle im Sinne der Unternehmer aufzukommen. „Das Vorgehen der Behörden widerspricht aus meiner Sicht dem Sinn des IfSG.“ Er hat sich an alle möglichen Behörden und Institutionen gewandt. Vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat er bislang nur eine automatische Antwort mit Links zu allgemeinen Corona-Informationen bekommen. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte sich für nicht zuständig und verwies an das Bundesarbeitsministerium. Doch von dort hat Feiertag auch noch keine Rückmeldung.
Der Steuerberater verweist auf eine präventive Lösung. Die Tarifvertragspartner könnten eine entsprechende Regelung zur Lohnfortzahlung bilateral vereinbaren – wobei sie die Vorgaben des BGB natürlich nicht völlig außer Acht lassen können, wenn damit Arbeitnehmer:innen benachteiligt werden. Feiertag hat bei der Apothekengewerkschaft Adexa nachgefragt, ob der Tarifvertrag dahingehend angepasst werden soll.
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