PTA: „Wir mussten Röcke tragen“ Carolin Ciulli, 11.08.2019 11:20 Uhr
Im Alter von 15 Jahren hat Brigitta Wohlers ihre PKA-Ausbildung begonnen. Die heute 63-Jährige ist auch PTA und war mehr als 40 Jahre in der Linden-Apotheke in Eystrup tätig. Jetzt ging sie in Rente. Ihren Arbeitsplatz vermisst sie schon ein bisschen, ist aber auch froh, dass sie sich nicht mehr auf den neuen Rahmenvertrag einstellen muss.
Vier Chefs erlebte Wohlers in der Linden-Apotheke. Als 15-jährige begann sie dort ihre Ausbildung in den 70er-Jahren. Damals war vieles anders. Computer gab es noch nicht. „Wir haben früher mit Büchern die Preise rausgesucht und den Mittelwert errechnet“, sagt sie. Das könne heute keiner mehr leisten. „Die Zeit ist dafür nicht mehr da.“
Für die junge Auszubildende gab es damals Regeln, über die heutige weibliche Angestellte staunen dürften: „Wir mussten Röcke tragen“, erinnert sich Wohlers. Hosen seien tabu gewesen. Das habe weitere Richtlinien nach sich gezogen. Denn wenige Jahre nach der Moderevolution „Minirock“ in den 60ern seien die Kleidungsstücke sehr kurz gewesen. „Wir durften deshalb nicht auf Leitern steigen.“ Immerhin sollte keiner unter den Rock schauen können.
Bereits während der PKA-Ausbildung spürte Wohlers, dass sie mehr wollte. Das hatte nicht nur mit dem Einstieg zu tun: „Ich musste den ersten Tag ausschließlich Hustensaft abfüllen, da dachte ich, was machst du hier?“ Sie wollte mehr Verantwortung, mehr Rezeptur und mehr mit Menschen zu tun haben. 1973 wechselte sie auf eine PTA-Schule in Minden. Damals war der Beruf noch jung, das Berufsgesetz trat am 18. März 1968 in Kraft.
Die heutigen unverzichtbaren Mitarbeiter in Handverkauf, Labor und Rezeptur wurden nicht überall mit offenen Armen aufgenommen. Das spürte Wohlers bei der Bewerbung um ihre halbjährige Praktikumsstelle nach der schulischen Ausbildung: „Ich bin sogar von zahlreichen Apothekern beschimpft worden. Sie meinten, wir PTA nehmen ihnen die Arbeit weg.“ Andere hätten der damals 20-Jährigen abgesagt, weil sie gar nicht wüssten, was ihr als Praktikantin überhaupt beibringen solle.
Letztlich hatte Wohlers Glück, fand eine Praktikumsstelle und wurde sofort eingespannt. „Ich war nicht einmal im Labor“, erinnert sie sich. „Die haben mich als Vollzeit-Arbeitskraft gebraucht.“ Ihre Praktikumsaufgaben für das Examen erledigte sie nach Feierabend. „Das war schon Stress, aber ich war jung. Die zwei Jahre Ausbildung hängt man deshalb nicht an den Nagel.“ Im Anschluss war sie in zwei Apotheken tätig und wurde schwanger.
Als Teilzeit-PTA hatte sie Ende der 70er-Jahre in Apotheken jedoch kein Glück. Anders als heute, sei dies nicht üblich gewesen. „Dann rief mein damaliger Chef aus Eystrup von der Linden-Apotheke an und bot mir eine Teilzeitstelle.“ Er sei sehr tolerant gewesen und habe sie als junge Mutter immer unterstützt. „Wir haben uns gegenseitig immer geholfen, wenn es darauf ankam.“ Es sei eine tolle Sache, in einem kleinen Team zu arbeiten.
Seit 1978 war sie in der Linden-Apotheke. Anfang der 80er-Jahre seien die Computer eingezogen. „Das hat mir nie Probleme gemacht.“ Früher sei sie noch häufiger in Labor und Rezeptur gestanden. „Wir haben noch Pillen hergestellt.“ Dünnschichtchromatographien (DC) habe es noch nicht gegeben. „Als die Plausibilitätsprüfungen gefordert wurden, dachte ich erstmal ‚boah‘.“ Im Nachhinein seien die neuen Methoden jedoch begrüßenswert.
In den vergangenen Jahren sei viel Bürokratie dazu gekommen, das sei anstrengend gewesen. 2009 wurde QMS eingeführt und Wohlers zur QM-Beauftragten ernannt. Zehn Ordner hinterließ sie Anfang Juli ihren Kollegen um Inhaberin Carolin Buberl. Mit 63 Jahren verabschiedete sie sich in den Ruhestand, nachdem sie seit 2010 nur noch mittwochs in der Apotheke war. „Das musste ich meinem Mann versprechen.“
Inhabern rät sie, Mitarbeiter angemessen zu bezahlen, Verantwortung abzugeben, sie in Entscheidungen mit einzubeziehen und öfter mal zu Loben. „Das ist sehr wichtig.“ Sie blickt gern zurück und vermisst ihre Arbeit „ein bisschen“. „Wir hatten ein tolles Miteinander.“ Das sei vielleicht in einer Dorf-Apotheke etwas anderes. „In einer Bahnhofs-Apotheke in der Stadt mit viel Laufkundschaft und Konkurrenzkampf hätte ich es vielleicht nicht so lange ausgehalten.“