„Kritischer Blick auf das Konstrukt Apotheke“

PTA will geteilte Apothekenleitung übernehmen

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Berlin -

Die Führung einer Apotheke ist nichts für PTA? Das Konzept von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) grundsätzlich abzulehnen, hält Michaela Hagenbucher für falsch. Sie ist PTA und Pharmazieökonomin und arbeitet in der Rodach-Apotheke im bayerischen Redwitz. Seit 15 Jahren ist sie bereits an der Apothekenleitung beteiligt. „Der Apothekeninhaber und ich teilen uns die Führungsaufgaben untereinander auf, er kümmert sich um alle Aufgaben, für die ein Apotheker benötigt wird, und ich um den Rest.“ Als Nichtapprobierte mit Leitungserfahrung habe sie „eine sehr spezielle Sicht auf die aktuelle Situation der Apotheke in Deutschland“. 

Mit einer 40-Stunden-Woche ist es bei ihr häufig nicht getan. „Um die anfallenden Dinge professionell erledigen zu können, habe ich vor einigen Jahren noch ein zweisemestriges Weiterbildungsstudium zur Pharmazieökonomin (FH) in Schmalkalden absolviert und gehöre seit einem halben Jahr zu einem Coachingprogramm von Apothekenleaderinnen aus ganz Deutschland“, so Hagenbucher.

Ihre Gedanken zur Apothekenleitung durch PTA hat sie bereits vor fast einem Jahr in einem öffentlichen Brief mit Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (FAV), geteilt. Nun will sie dem Ganzen noch einmal Nachdruck verleihen: Denn auch sie beobachte mit Sorge die Entwicklung am Apothekenmarkt, wie viele Kolleg:innen auch. Eine angemessen laute Reaktion bleibe aber bisher aus. „Was ich explizit vermisse, ist ein kritischer und vor allem realistischer Blick auf das ganze Konstrukt Apotheke.“

Zwar gehe sie komplett mit der Forderung nach einer höheren Rx-Vergütung mit, „sofort nach diesem großen Punkt sehe ich die Lösungsmöglichkeiten in den eigenen Reihen“. Es brauche dafür aber unbedingt ein Umdenken in der Branche. Das zeige sich auch an der mangelnden Wertschätzung. Zwar wolle die Apothekerschaft ihrerseits von der Politik wertgeschätzt werden, lasse dies aber immer wieder gegenüber der eigenen Belegschaft vermissen.

„In meiner Funktion als Pharmazieökonomin führe ich unter anderem Bewerbungs- und Mitarbeitergespräche. Was ich von den PKA/PTA immer wieder höre, ist die fehlende Wertschätzung seitens der Apothekerschaft und das Unvermögen der Apothekenleiter eine ordentliche Personalführung zu betreiben“, berichtet Hagenbucher. Mangelnde Aufstiegschancen täten ihr Übriges.

Unattraktiver Apothekerberuf

Dass sie bereits jetzt 40 bis 50 Stunden in der Woche mit Aufgaben verbringe, die nicht zwingend Inhaber:in oder Apothekenleiter:in übernehmen muss, zeige, wie unattraktiv der Beruf für eigentliche Pharmazeut:innen sei. Das eigentliche Spezialgebiet, die Beratung im HV, müsse hierbei einfach zu kurz kommen, dabei sei eine Umverteilung der Aufgaben durchaus machbar. Auch die Nachtdienste müssten den meisten angehenden Pharmazeut:innen einfach nur eine Last sein. Hagenbucher spricht sich für eine Nachruhe von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens aus.

„Die ständige Anwesenheitspflicht der Apotheker muss fallen, der 24-Stunden-Notdienst ebenfalls und die starren und sturen Regelungen müssen gelockert werden, damit der Apothekerberuf und die Selbstständigkeit wieder an Attraktivität gewinnen“, fordert die PTA. Im Zweifelsfall immer in der Apotheke sein zu müssen, auf Urlaub zu verzichten – das könne nur schädlich sein für die mentale und auch physische Gesundheit, befindet die PTA. Fehlende Apothekenleitungen hätten schon vielerorts zu Schließungen geführt. Filialen ohne Filialleiter und auch Apotheken mit nur einem Approbierten – hier könnte auch nicht approbiertes Personal unterstützen.

Was den Studierenden hingegen während ihrer Ausbildung fehle, seien die Komponenten zur Ausführung einer Selbstständigkeit. „Die Module Personalführung, Softskills, Betriebswirtschaft fehlen als Studieninhalte.“ Statt auf die Realität in der Apotheke vor Ort bereite das Studium eher auf eine Anstellung in der Industrie vor, meint die gelernte PTA. „Ich finde eine gute Möglichkeit wäre es, im letzten Drittel der Zeit zu teilen. Hier entscheidet man sich, ob man später in einer öffentlichen Apotheke oder in der pharmazeutischen Industrie arbeiten möchte.“

Das sei zum Beispiel machbar, indem es dann weniger um Galenik und mehr um Beratung gehe, sollte man in die Offizin wollen. Stattdessen bräuchten Approbierte aktuell nach ihrem Studium ein zweitägiges kostenpflichtiges Seminar, um die pharmazeutische Dienstleistung (pDL) „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymediaktion“ durchführen zu dürfen. Und: „Liebäugelt ein Pharmaziestudent mit einer Selbständigkeit oder einer Filialleitung sollte es im Studium die Möglichkeit geben sich die Inhalte des Weiterbildungsstudiengangs ‚Apothekenbetriebswirt‘ anzueignen“, so Hagenbucher.

Auch PTA-Beruf derzeit wenig attraktiv

Die PTA-Ausbildung gehe in die Tiefe und sei anspruchsvoll, dass es am Ende dann trotzdem noch immer eine:n Approbierte:n bräuchte, der beispielsweise Rezepturen abnimmt, sei schwer verständlich. Aufstiegschancen gebe es kaum. „In vielen anderen Berufen kann man neben der Arbeit mit einem Techniker oder Meister ‚upgraden‘, das haben wir im Apothekenbereich leider nicht.“ Einem modernen Berufsbild wäre das jedoch angemessen.

Stattdessen gebe es immer wieder Fälle, in denen Inhaber:innen Ärger bekommen, weil PTA kurzzeitig allein in der Apotheke sind – aus welchen Gründen auch immer. Auch das Thema der ‚Sitzvertretung‘ würde sich mit einer stärkeren Einbindung der PTA in Führungsfragen erledigen. „Wir haben in den Reihen der PTA viel Potenzial, welches uns durch unsere strikten Regelungen verlorengeht“, schreibt Hagenbucher.

Und für sie persönlich wird sich in wenigen Jahren auch einiges ändern: In sechs Jahren plant ihr Chef, die Apotheke zu verkaufen. „Es gibt meine Position offiziell in Deutschland nicht, obwohl ich einen sehr wichtigen Job mache. Ich liebe meinen Beruf, ich lebe Apotheke und ich möchte nichts anderes machen, doch ohne Pharmaziestudium gibt es für mich offiziell keine Zukunft.“

Geteilte Inhaberschaft?

„Durch die besondere Art der Apothekenführung bei uns in der Apotheke hat mein Chef festgestellt, wie unglaublich befreiend es sein kann, nicht immer alles allein entscheiden zu müssen“, so Hagenbucher, die viele Aufgaben übernehmen kann – so wie viele andere PTA oder PKA, wenn man sie denn lässt und sie ebenfalls Lust auf einen solchen Posten haben. Schöner wäre es nur, wenn sie tatsächlich ihren Aufgaben entsprechend Mitinhaberin der Apotheke wäre und nicht nur Angestellte. Zumindest ihr Chef würde das als befreiend wahrnehmen, so Hagenbucher.

Am Ende könnte die Apotheke der Zukunft sehr profitieren, findet die PTA. Für sie wäre die „Kombination von einer nicht approbierten Person mit Ausbildung im pharmazeutischen und betriebswirtschaftlichen Bereich“ und einer oder einem Approbierten ideal, um eine Apotheke angemessen zu führen.

Forderung nach neuem Berufsbild

Hagenbucher resümiert ihre Erkenntnisse, indem sie einen neuen Beruf für den Apothekenmarkt fordert: „Dieser Beruf sollte ein Ausbildungsberuf sein, aber auch für PTA als Upgrade möglich sein. Dieser würde sich um all die betriebswirtschaftlichen Dinge, um das Personal und um alle nichtpharmazeutischen Leitungsaufgaben kümmern, eben alle Inhalte aus dem Weiterbildungsstudium Pharmazieökonomie.“ PTA hätten dadurch Aufstiegschancen und Inhaber:innen Entlastung.

Zu dieser Änderung gehöre aber nicht nur eine inhaltliche Anpassung, sondern auch eine rechtliche: Beide Berufe könnten sich mit ihrem Privatvermögen an der inhabergeführten Apotheke beteiligen. „Geteiltes Leid ist halbes Leid. Es tut so gut, sich über wichtige Entscheidungen austauschen zu können“, so Hagenbucher. Der Druck bei den Inhaber:innen sei damit auch finanziell geringer, die Selbstständigkeit auch von anderer Seite betrachtet attraktiver.

Schlussendlich müsse die Arbeit auch entsprechend entlohnt werden – hier bedürfe es staatliches Handeln: Hagenbucher fordert eine „Erhöhung der Rx-Vergütung, um die anspruchsvolle Position des Apothekeninhabers und Filialleiters zu würdigen und um die PTA und PKA, deren Lohn knapp über dem Mindestlohn liegt und halb so hoch ist wie der eines angestellten Apothekers, eine leistungsgerechte Entlohnung bieten zu können“.

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