PTA: Wie ich 77 Kilogramm abnahm Carolin Ciulli, 31.03.2019 10:51 Uhr
Das eigene Spiegelbild ist für Nicole Schilling manchmal immer noch fremd. Die PTA nahm in den vergangenen vier Jahren 77 Kilogramm ab. Auslöser für die komplette Ernährungsumstellung war ihr extrem hoher Zuckerwert. Die 48-Jährige entkam der Krankheit gerade so. In der Apotheke wollen die Kunden die „Wunderpille“ kaufen, mit der sie den Kampf gegen die Kilos gewann.
Schilling ist ein lebensfroher Mensch. „Ich war auch dick immer glücklich“, sagt sie. In ihren „Kampfzeiten“ habe sie 140 Kilogramm gewogen, bei einer Körpergröße von 1,70 Meter. Vor zwölf Jahren wollte sie es schon einmal wissen und nahm 50 Kilogramm ab. Die Diät sei mehr Hungern und kein Spaß gewesen, erinnert sie sich. „Ich konnte mich damals selbst nicht mehr leiden und mein Mann hat gesagt, er will die alte Nicole wieder.“ Wie bei Radikaldiäten nahm die Mitarbeiterin der Elch-Apotheke im hessischen Bebra die Kilos im Anschluss schnell wieder zu.
2015 kündigte sich schleichend die Wende an. „Ich war ständig krank, mein Immunsystem schwach.“ Sie hatte mehr Durst, Harndrang und Fieber. Zum Arzt ging sie Monate nicht. „Ich hätte selbst draufkommen müssen“, sagt sie heute. Als sie damals die Ergebnisse des Blutbildes bekam, stand sie unter Schock. Der Zuckertest ergab einen Wert von 400, der Langzeitzuckerwert lag bei 15. „Der Arzt sagte damals, er gebe mir noch maximal zwei Monate, bis ich Diabetes Typ 2 hätte.“
Die Bauchspeicheldrüse habe noch ein Minimum an Insulin produziert, so Schilling. „Ich war hysterisch und habe eine Diät verweigert.“ Im Beratungsgespräch in der Praxis habe sich herausgestellt, dass Schilling Cola-süchtig gewesen war. „Ich habe zwei bis drei Liter pro Tag getrunken, das war der Hauptgrund für das Drama.“ Der Mediziner riet ihr, zuckerhaltige Getränke sofort zu streichen und auf gesunde Mischkost zu setzen. Zwischen den Mahlzeiten sollte eine Pause von vier Stunden liegen, in denen auch kein Bonbon, Milch oder Kaugummi erlaubt sei.
Die Vegetarierin strich Schokolade, Chips und andere Dickmacher von ihrem Speiseplan. „Ich esse viel Gemüse, Rohkost und Vollkorn.“ Zur Unterstützung erhielt sie Metformin in Tablettenform. „Der Wert ging langsam nach unten, mir persönlich ging es zu langsam.“ Sie informierte sich über verschiedene Ernährungsformen und entdeckte Intervallfasten für sich – die „20 zu 4 Methode“. Auch wenn es anfangs hart gewesen sei, so lange nichts zu Essen, sei es ihre „Traumvariante“. Denn Kalorienzählen sei nicht in Frage gekommen, betont Schilling.
Die Tabletten konnte Schilling nach einem Jahr absetzen, die Werte hatten sich normalisiert. „Mitte 2016 hatte ich bereits 40 Kilogramm runter.“ Der Gewichtsverlust fiel natürlich auf. „Ich bin seit 25 Jahren in der gleichen Apotheke, viele Bekannte verfolgten die Entwicklung.“ Die Frage nach der „Wunderpille“ werde oft gestellt, so Schilling. „Mein persönlicher Antrieb war, dass ich gesund sein will, und nicht dass ich dünn sein wollte.“ Abnehmen sei ein harter Kampf, man könne jedoch alles schaffen. Auch Lästereien blieben nicht aus. „Die, die früher am lautesten gesagt haben, dass ich fett bin, sagen jetzt, dass ich mal langsam machen müsste.“ Letztlich müsse man selbst mit sich im Reinen sein.
Eine große Hilfe sei auch der Ausdauersport: „Früher war ich ein Bewegungsmuffel“, sagt Schilling. Als sie Freundinnen bei einem Brustkrebslauf unterstützen wollte, sei die Strecke von fünf Kilometern undenkbar gewesen. „Das war für mich utopisch, ich fing Ende 2017 nachts heimlich an zu Laufen. Nach 100 Metern war ich am Ende.“ Doch die PTA gab nicht auf und stemmte die Benefizveranstaltung. Spätestens nach dem ersten „Runners High“ sei ihre Leidenschaft geweckt gewesen. Ihr größter Triumph: Sie lief in Frankfurt einen Marathon in vier Stunden und 9 Minuten. „Man muss zwar trainiert sein, aber das meiste findet im Kopf statt. Da bin ich gefestigt.“
Schilling rät Diätpatienten in der Apotheke, zuallererst die Waage wegzuschmeißen. „Ich wiege mich alle vier Wochen auf der Arbeit.“ Seit zwei Jahren hält sie ihr Gewicht. Hilfreich sei, sich beim Abnehmen ein übergeordnetes Ziel wie gesundheitliche Aspekte oder einen bestimmten Wettkampf zu setzen. „Die Motivation muss im Kopf stattfinden. Dann schafft das jeder.“