Tumorerkrankung

PTA mit Sehbehinderung: „Ich wollte in den Hintergrund“

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Berlin -

PTA Katja Heemann aus Diepholz muss häufig seltsame Blicke verarbeiten: Die 46-Jährige hat seit einer Hirntumor-Operation eine Fehlstellung des rechten Auges. Um ihre Sicht zu verbessern trägt sie eine Brille mit vernebeltem Glas. Kundschaft und Mitmenschen reagieren oft irritiert, doch davon lässt sich die PTA nicht unterkriegen.

Im Januar 2013 merkte die PTA aus der Löwen-Apotheke in Lemförde erstmals, dass etwas nicht stimmte. „Ich war einkaufen und hatte plötzlich massive Sehstörungen. Ich sah ganz bunt und durcheinander.“ Sie ging zum Augenarzt. Er verwies sie sofort ans Krankenhaus. „Dort wurde ich tagelang auf einen Schlaganfall untersucht“, berichtet Heemann. Doch es konnte nichts gefunden werden, das darauf hindeutete. „Also wurde ich psychosomatisch entlassen.“ Heemann ging in Kur, doch es änderte sich nichts. „Die Sehstörungen blieben unverändert.“

Bei einem Campingurlaub im Herbst des gleichen Jahres kam der nächste Schock: „Ich war plötzlich total verwirrt und wusste nicht mehr wo ich hinmusste.“ Der Arzt des dortigen Krankenhauses erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte und ordnete ein Schädel-MRT an. Daraufhin kam die Diagnose: Meningeom, ein Hirntumor. Heemann wurde dringend zu einer Operation geraten. Nach zahlreichen Arztbesuchen fand im November der Eingriff statt. Im Anschluss folgte bis Februar die Reha. „Ich wollte unbedingt wieder fit werden und arbeiten“, sagt die PTA.

Ihr Team habe sie während der Krankheit immer unterstützt. „Vor allem eine Kollegin war immer für mich da“, erzählt Heemann berührt. Karola Klausjürgens, ebenfalls PTA, stand ihr während der gesamten Behandlung zur Seite. Selbst ihr Chef habe den weiten Weg von Lemförde bis zur Klinik in Bielefeld auf sich genommen und sie besucht. „Damit habe ich nicht gerechnet, weil es ja kein Katzensprung ist“, sagt sie.

Seit März 2014 ist Heemann wieder unter ihren „Löwen“. Sie gehört in der Apotheke sozusagen zum Inventar: seit 1992 arbeitet sie dort schon. Unter der damaligen Leitung von Apotheker Dietrich Bußmann war sie zunächst als Helferin tätig. 1996 beendete sie ihre Ausbildung zur PTA. Nebenher jobbte Heemann als Babysitter für ihren Chef. „Ich bin mit der Familie großgeworden“, sagt sie. Den privaten Kontakt habe sie immer sehr genossen. 2017 übernahm ihr jetziger Chef Djawed Jacobi die Apotheke.

Aufgrund ihrer langen Zugehörigkeit ist sie bei der Kundschaft bekannt. „Jeder kennt mich. Ich bin hier aufgewachsen und zur Schule gegangen.“ Wegen ihrer Bekanntheit und neugierigen Kunden fühlte sich Heemann in der Zeit nach der Tumor-Operation unwohl im Handverkauf. Denn ihr rechtes Auge hat seit dem Eingriff eine Fehlstellung. Deshalb ist das entsprechende Glas ihrer Brille vernebelt. „Die Verneblung sorgt dafür, dass die Doppelbilder verschwinden“, erklärt Heemann. Vor allem in den ersten Wochen sei es ihr sehr schwer gefallen, über die Erkrankung zu sprechen. Doch viele Kunden fragten nach.

„Ich wollte dann lieber erstmal in den Hintergrund“, sagt Heemann. Nach Rücksprache mit Bußmann, zog sie sich zunächst aus dem Kundenkontakt zurück. Sie stellte die Medikamente für die Heimversorgung, übernahm den Telefondienst und schließlich auch die Buchhaltung der Apotheke. „Das habe ich mir alles selbst angeeignet.“

Mittlerweile hat sie sich aus der Heimversorgung zurückgezogen: „Ich mag das Stellen nicht mehr so gern“, sagt sie. Mit ihrer Einschränkung sei das Lesen der Medikationspläne und Einfüllen der Tabletten auf Dauer sehr anstrengend. Ansonsten könne Heemann aber wieder alle Aufgaben erledigen. „Ich gucke dann gerne zweimal hin“, erklärt sie. Die Arbeit im Handverkauf scheut sie heute nicht mehr so wie zu Beginn. „Ich liebe den Kundenkontakt und bin auch gern mal vorne.“ Mehr als vier Stunden pro Tag arbeitet die PTA allerdings nicht mehr. Zu groß seien die Konzentrationsschwierigkeiten.

In der Öffentlichkeit müsse sie öfter mal mit blöden Kommentaren klarkommen. „Kannst du deine Brille nicht mal putzen?“, sei eine häufige Frage. „Viele meinen das nicht mal böse“, sagt sie. Doch an manchen Tagen belasteten sie die Blicke und Sprüche der Mitmenschen schon. Sie versucht es gelassen zu nehmen. Wenn sie mit Mann und Sohn unterwegs sei, und sie Leute sie anstarren, sage sie häufig: „Oh, heute ist Guck-Tag. Ich bin wieder sehr interessant.“

2017 musste der Gehirntumor aufgrund einer Vergrößerung erneut bestrahlt werden. Heemann verliert trotz allem nicht ihren Lebensmut. „Nervenschmerzen im Gesicht gehören zu meinem Leben dazu. Das muss ich in Kauf nehmen.“ Mittlerweile nehme sie starke Schmerzmittel. „Derzeit nehme ich Palexia, ich möchte aber gern Cannabis ausprobieren.“ Doch das sei erst die letzte Option. Zusammen mit ihrer Neurologin versucht sie, die Schmerzen erträglich zu machen und in den Griff zu bekommen.

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