Porträt

PTA inszeniert Theater mit Schwerverbrechern

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Berlin -

„Schwere Jungs“ heißt passenderweise der Titel der Aufführung von Regisseur und PTA Alfred Jurgasch. Zusammen spielen er und seine Schauspieler an einem Ort, an dem bereits RAF-Terroristen ihre langjährigen Haftstrafen abgesessen haben: in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing bei Regensburg. Die Darsteller sind Gefangene – unter ihnen Kapitalverbrecher und Sexualstraftäter. Sie schlüpfen einmal im Jahr in die Rollen von Shakespeare und anderen Autoren. Das Theaterspielen soll vor allem der Resozialisierung der Strafgefangenen dienen.

Unter der Leitung von Jurgasch führten sieben Häftlinge „Schwere Jungs“ auf. Von Mitte April bis Anfang Mai hatten rund 180 Gefängnisbesucher für sechs Abende die Gelegenheit, die Inszenierung an dem ungewöhnlichen Spielort zu erleben. „Die öffentliche Reaktion war sehr, sehr gut“, sagt der 60-jährige Jurgasch. Die Männer bekämen hier „Feedback von draußen“ und das würde ihnen helfen.

Sicherlich gebe es anfangs Vorbehalte und Berührungsängste, sagt Jurgasch. „Aber nach einiger Zeit erkennen die Zuschauer, dass sich die Häftlinge viel Mühe geben und unterhalten wollen.“ Als er mit der Theaterarbeit in der JVA begann, versuchte auch Jurgasch die Gründe, weshalb die Männer saßen, auszublenden. „Mittlerweile nehme ich es hin, dass ich zum Beispiel mit Mehrfachvergewaltigern probe. Heut' denke ich, dass ich es mit Hobbyschauspielern zu tun habe.“

Das Stück – geschrieben vom Hamburger Autor Frank Piskus – erzählt von Gefangenen, die unter Beobachtung eines JVA-Leiters und einer Psychologin eine Szene aus Shakespeares „Sommernachtstraum” aufführen. Darin spielen Handwerker wiederum einen Ausschnitt der Tragikkomödie von „Pyramus und Thisbe“ vor. Die Darsteller sind anfangs wie in der wirklichen Theaterwelt nicht besonders begeistert, erkennen aber bald die Freude an der Kunst.

Wer spielt eigentlich die Psychologin? „Wie zu Shakespeares Lebenszeiten im sechzehnten Jahrhundert werden die Frauenrollen von den Männern gespielt“, sagt Jurgasch. Der PTA legt die Rollenverteilung vor den Proben fest. „Die Gefangenen nehmen das hin, für sie ist es in dieser Umgebung selbstverständlich.“ Und so stolzierte ein Darsteller mit Absatzschuhen und Rock auf der Bühne herum. Der Regisseur vermeidet aber intime Momente oder gar Kussszenen.

Jurgasch leitet die Laienschauspielgruppe der JVA bereits seit 1999. Und seit mehr als 40 Jahren arbeitet der Theaterconnaisseur vor und auf der Bühne. Mit seinen verschiedenen Ensembles und Produktionen nahm er an zahlreichen Musicals, Fest- und Gastspielen teil. Nebenbei bewältigt er als Beruf als PTA in der Apotheke im Gäubodenpark in Straubing. Seit 1974 ist er als PTA angestellt. „Es ist mittlerweile die dritte Apotheke, in der ich arbeite – und das auch nur Teilzeit.“

So kann der Regisseur die verschiedenen Welten zwischen Pharmazie und Theater vereinbaren. Für „Schwere Jungs“ wurde wöchentlich zwei Mal geprobt, dienstags und donnerstags für jeweils zwei Stunden, acht Monate lang. Die Gegebenheiten hinter Gittern schränkten die Probezeit ein – so dauert es länger als beim professionellem Schauspiel, bis ein Stück auf die Bretter kommt.

Die JVA mit Sicherheitsverwahrung liegt nur einen Kilometer von der Apotheke entfernt. Wenn Jurgasch vor den Toren der dicken Gefängnismauer steht, muss er jedesmal durch die Kontrollen und Sicherheitsvorkehrungen hindurch. „Die Wärter kennen mich natürlich, haben aber ihre Vorschriften.“ Er wird zu der 80 Quadratmeter großen Mehrzweckhalle auf dem Gelände begleitet und nach der Probe wieder abgeholt. „Das dauert so seine Zeit, dann ist man spät zu Hause.“

Die Aufführungen würden die Gefangenen verändern. Die Rollen, in die sie schlüpfen, geben ihnen die Chance, jemand anderes zu sein, sagt Jurgasch. „Manche Männer waren zu Beginn verschlossene Typen – vor allem diejenigen, die neu zur Gruppe hinzustoßen. Durch die Theaterarbeit lernen die Gefangenen sprechen, sie öffnen sich und entwickeln sich weiter.“ Besonders viel würde es ihnen bedeuten, wenn Familienangehörige und Freunde die Vorstellungen sehen.

Das Theaterprojekt der JVA gibt es mittlerweile seit 40 Jahren. Es habe die Aufgabe, die inhaftierten Männer zu resozialisieren, also auf die Haftentlassung vorzubereiten. Die Anstalt bietet dafür noch weitere Freizeitaktivitäten wie Malerei und Handwerken. So hatten einige Gefangene am Bühnenbild von „Schwere Jungs“ mitgeholfen, andere hätten die Kostüme geschneidert. Außerdem können sie sich in der JVA weiterbilden und qualifizierte Berufe erlernen.

Momentan befindet sich das Theaterprojekt in der Sommerpause. Im September geht es wieder los. Der PTA inszeniert dann ein neues Stück: „Vermutlich wird es erneut eine Boulevardkomödie wie „Schwere Jungs“ – mit ganz viel Dialekten. Vor allem Bayerisch, weil wir viele Franken haben.“ Jurgasch überlegt sich im Sommer, was er hinter Gittern inszeniert.

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