PTA im Hochwassergebiet: Viele Tränen in der Apotheke Cynthia Möthrath, 26.07.2021 14:13 Uhr
Auch eine gute Woche nach dem Hochwasser sitzt der Schock noch immer tief. Dabei darf ich mich eigentlich nicht beschweren, denn ich bin vergleichsweise glimpflich davongekommen. Das wird mir in den vergangenen Tagen immer wieder bewusst – sowohl in der Apotheke wie auch bei den Aufräumarbeiten im Umkreis. Hilfe wird dringend und an allen Stellen benötigt.
Manchmal verstehe ich noch immer nicht richtig was passiert ist. Und ich merke, dass es auch vielen meiner Kund:innen so geht. Die ersten Tage nach dem Hochwasser waren geprägt von großer Angst, Unsicherheit und leider auch Trauer. Denn viele haben nicht nur ihr Hab und Gut verloren, ihr Zuhause und ihre Arbeit – sondern auch Familienangehörige und Freunde. Die Geschichten, die jeder einzelne erzählt, gehen nah. Oft sind sie mit Tränen verbunden. Die Apotheke wird nicht nur Anlaufstelle für wichtige Medikamente – sie dient auch, um ein offenes Ohr zu finden, damit der Ballast der vergangenen Tage abgeladen werden kann.
Dauermedikamente & Notfall-Apotheke aufstocken
Viele mussten unter anderem ihre Dauermedikamente zurücklassen. Denn als das Wasser kam, musste es schnell gehen. Vielen blieb nur das, was sie am Körper trugen. In den Tagen nach dem Unglück kamen daher viele Menschen aus dem Umkreis in die noch geöffneten Apotheken. Es wurde schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe benötigt, um schnellstmöglich wieder mit den notwendigen Arzneimitteln versorgt zu werden. Viele Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäuser sind bis heute geschlossen oder in der Versorgung ihrer Patient:innen eingeschränkt. Einige wurden von den Fluten endgültig zerstört.
Jetzt, einige Tage nach den Wassermassen, wird das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Viele Kund:innen kommen in die Apotheke, um ihre Notfall-Apotheke aufzustocken: So stehen beispielsweise Schmerztabletten und Antiallergika hoch im Kurs. Vielen ist der Stress auf den Magen geschlagen, außerdem suchen einige etwas gegen Unruhe, Ängste und Nervosität. Denn an Schlaf war in den vergangenen Tagen kaum zu denken. Manche benötigen auch Pflaster und Verbandsmaterial, da sie sich beim Aufräumen verletzt haben.
Helfen in den Trümmer-Regionen
Die Apotheken stellen in den Hochwassergebieten momentan mehr denn je einen wichtigen Baustein dar. Doch auch abseits von der Offizin wird Hilfe benötigt. Eine PTA-Freundin schrieb mir wenige Tage nach dem Unglück aus der Apotheke: „Es fühlt sich komisch an. Ich hätte lieber eine Schaufel in der Hand als Rezepte.“ Und ich verstehe, was sie meint. Selbst wenn man selbst nicht so stark betroffen ist, möchte man helfen und ein Stück weit dazu beitragen, das Chaos in der Heimat zu beseitigen. Denn das ist das Mindeste, was man tun kann.
Die Hilfsangebote sind glücklicherweise enorm. Nicht nur aus der direkten Umgebung, sondern auch von weiter her. Vor Ort wird angepackt und trotz allem Unglück herrscht meist eine gute Stimmung. Der Teamgeist führt fremde Menschen zusammen, damit gemeinsam etwas erreicht werden kann. Und das fühlt sich verdammt gut an! „Wie vorher“ wird es vermutlich nicht mehr werden. Und bis das Chaos halbwegs wieder beseitigt ist, wird es Monate, wenn nicht Jahre dauern.
Doch all die Bilder in den Nachrichten, die Instagram- und Facebook-Posts können nur ansatzweise ausdrücken, wie es vor Ort aussieht – und wie es sich anfühlt. Wer nicht selbst mit Schuhen und Händen im Schlamm gesteckt hat, kann es nur erahnen. Es sind nicht nur die Augen, die einiges zu verarbeiten haben. In der Luft liegt ein modriger, erdiger Geruch, der gefühlt in jede Pore des Körpers kriecht und auch nach dem Duschen nicht vollständig verschwindet. Immer wieder tauchen unter den mit Matsch überzogenen Gegenständen auch persönliche Dinge auf: Bilder, Handys und Erinnerungsstücke. Sie alle sind unbrauchbar und können nur noch entsorgt werden. Dieser Anblick und der Gedanke, wie leicht es auch meine Sachen sein könnten, zeigen mir, wie viel Glück ich hatte.