Cannabis als Arzneimittel: Für Patienten ein Segen, für Apothekenmitarbeiter manchmal ein Verhängnis. Wenn die Identitätsprüfung nicht klappen will und sich dann noch die abstruse Frage der richtigen Lagerung stellt, liegt es auf der Hand, dass Fertigarzneimittel den besseren Ruf haben. Das kennt PTA Sandra Liehr aus ihrem Apothekenalltag im Berliner Norden nur zu gut. Im aktuellen Fall ging es um die Prüfung eines Cannabis-Vollextraktes von Tilray.
Tilray brachte im vergangenen Oktober sogenannte Vollspektrum-Extrakte auf Basis von Cannabis auf den Markt, die neben den beiden Hauptwirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) auch alle weiteren Wirkstoffe der Cannabisblüte, wie beispielsweise Terpene, enthalten. Zu den Neuzugängen gehört der standardisierte Cannabisextrakt „THC25“ mit einem THC-Gehalt von 25 mg/ml. Der CBD-Wert liegt bei diesem Produkt unter 0,5 mg/ml. Außerdem ist das Produkt „THC10:CBD10“ auf dem deutschen Markt, das einen THC- und CBD-Gehalt von 10 mg/ml aufweist. Beide Extrakte sind raffiniert in Traubenkernöl und werden in einer weißen PET-Flasche mit Pipette geliefert. Die Präparate müssen kühl gelagert werden.
Im Gegensatz zu den Blüten der Pflanze, die geraucht oder mittels eines Verdampfers inhaliert werden müssen, sind die Tilray-Produkte für die orale Anwendung gedacht. Die öligen Lösungen sind ein Rezepturarzneimittel, daher muss in der Apotheke eine Identitätsprüfung vorgenommen werden. Das tat auch Liehr, als kürzlich ein Kunde in die Apotheke mit einem Betäubungsmittelrezept über „THC25“ hereinkam.
Da die DAC-Monographie „Eingestelltes, raffiniertes Cannabisölharz“ (C-054) eine Dünnschichtchromatographie (DC) vorschreibt, musste sie Referenz- und Untersuchungslösung, die stationäre Phase und das Fließmittel vorbereiten – aufwendig und zeitintensiv. „Fünfmal hat es nicht mit der DC geklappt“, moniert die junge PTA, die die Analyse gemeinsam mit einer Pharmazeutin im Praktikum durchgeführt hat. Problem: Die Referenzsubstanz der Bionorica-Tochter THC Pharm lief aus irgendeinem Grund nicht. Beim sechsten Mal konnte die DC dann endlich ausgewertet werden.
„Bei Bionorica klappen die Identitätsprüfungen immer problemlos“, sagt sie. „Aber hier?!“ Liegt es vielleicht an der Häufigkeit der Verordnungen? Ein Rezept über die Cannabisextrakte von Tilray hätten sie in der Apotheke nämlich bislang nur zwei Mal erhalten, Dronabinol-Verordnungen von Bionorica kämen da schon viel häufiger vor. Doch sie mache eine DC nicht zum ersten Mal, sie sei geübt, denn sie arbeite seit vier Jahren in der Apotheke als PTA. Alles in allem sei die Prüfung nicht apothekentauglich: Die Herstellung der Lösungen für die DC dauere schlichtweg zu lange. „Es ist sehr zeitaufwendig“, moniert sie. Zeit, die in der Beratung am HV fehle. Wie sind eure Erfahrungen mit solchen Identitätsprüfungen? Diskutiert mit im LABOR!
Ihr weiterer Kritikpunkt ist die Lagerung der Referenzsubstanz, die nach Aussage von Liehr ungekühlt und unter Schutzatmosphäre verpackt in der Apotheke eintraf. Doch gelagert werden soll die Substanz („THC (Dronabinol Primary Standard), 1 mg/ml in MeOH Reference Solution”) laut Aufdruck bei -20 Grad. „Wie sollen wir denn die Referenzsubstanz bei -20 Grad lagern?”, fragt sich die 27-Jährige.
„Es wird von uns empfohlen, die Referenzsubstanzen bei -20 Grad zu lagern, da bei diesen Lagerbedingungen die Stabilität der Referenzlösungen über die angegebene Laufzeit von 24 Monaten geprüft und gewährleistet ist”, teilt der Hersteller THC Pharm auf Anfrage mit. Aber weitere Stabilitätsdaten zeigten, dass die Referenzlösungen auch nach einer Temperaturbelastung beispielsweise während des Transports von 40 Grad über drei Tage weiterhin stabil seien.
Die Referenzsubstanz liegt nun im Tiefkühlfach, dem kühlsten Ort in der Apotheke. Doch die PTA ist davon überzeugt, dass die geforderte Temperatur von -20 Grad dort nicht erreicht wird. Eine Empfehlung für diesen Lagerort spricht der Hersteller nicht aus: „Für eine Lagerung bei anderen Temperaturen liegen keine Stabilitätsdaten vor, so dass wir hierzu keine validen Angaben machen und auch keine Gewährleistung bieten können”. Einen Tipp für den richtigen Lagerort bekommen die Apotheken nicht, wohl aber einen für die chromatographische Analyse: „Hinsichtlich der DC hat die Erfahrung gezeigt, dass für deren Erfolg der Einsatz von frischem Diethylether erforderlich ist.”
Die Stabilität von Substanzen kann auch mittels Inertgasbeschichtung positiv beeinflusst werden und ist auch in der Apotheke möglich. Caelo hatte im vergangenen Jahr eine Druckgasflasche mit Argon für diese Anwendung auf den Markt gebracht. Die Methode ist pharmazeutisch sinnvoll und scheint auch sehr praktikabel zu sein, doch auf der anderen Seite ist sie für die Apotheke zweifelsohne auch eine Kostenfrage. Sehr gängig ist das nicht, bestätigt auch Liehr: „Welche Apotheke kann denn unter Schutzatmosphäre Substanzen lagern?“ Ihr sei zumindest keine bekannt.
So lange Tropfen auf Cannabis-Basis und auch Cannabisblüten nicht zugelassen sind, müssen Apotheken noch weiterhin Identitätsprüfungen durchführen. „Für alle wäre es einfacher, wenn die Präparate als Fertigarzneimittel auf dem Markt wären“, sagt die PTA. Doch dafür müssen Hersteller kostenintensive Studien vorlegen. Mit ihrer Meinung ist Lier unter den Apothekenmitarbeitern wahrscheinlich nicht alleine.
APOTHEKE ADHOC Debatte