PTA: Apotheke ist nicht familienfreundlich Torsten Bless, 14.12.2017 14:00 Uhr
Nach einer langen Elternzeit will Katja Koschlig wieder zurück in ihren PTA-Beruf. Doch eine Teilzeitstelle zu finden, die sich mit den Öffnungszeiten von Krippe und Kindergarten verträgt, ist viel schwerer als erwartet.
„PTA sind heute wie in Zukunft gesuchte Fachkräfte mit ausgezeichneten beruflichen Perspektiven in allen potenziellen Tätigkeitsfeldern“, schreibt die PTA-Schule München auf ihrer Website. „Es ist einer der wenigen Berufe, in denen sich Arbeit und Familie gut vereinen lassen, denn gerade in Apotheken ist eine Teilzeitbeschäftigung sehr gut möglich.“ So oder so ähnlich werben viele Institutionen für den Nachwuchs.
Koschlig kann das Versprechen ihrer ehemaligen Ausbildungsstätte aus eigener Erfahrung nicht unterschreiben. Seit Monaten sucht die zweifache Mutter eine Halbtagsstelle, die sich mit den Öffnungszeiten von Kindergarten und Krippe vereinbaren lassen. Bisher ohne Erfolg.
Der Liebe wegen zog es Koschlig von Bayern nach Baden-Württemberg. Vier Jahre arbeitete sie in Kornwestheim, dann bekam sie erst ein Kind, dann das nächste. Noch ist sie in Elternzeit. „Seit vier Jahren bin ich raus aus der Apotheke. Im Gegensatz zu vielen anderen Kolleginnen befinde ich mich in einer recht komfortablen Lage und muss nicht auf Teufel komm raus arbeiten“, sagt Koschlig. „Aber ich will nicht nur das Geld meines Mannes raushauen, sondern hab wieder Lust auf meinen Beruf.“
Da die Kleinen noch nicht aus dem Gröbsten raus sind, kommt für die junge Mutter nur ein Teilzeitjob infrage. Der Weg zur alten Stelle ist ihr versperrt: „Bei meiner bisherigen Apotheke kann ich nur Vollzeit arbeiten“, berichtet die PTA. „Da wir zudem ein Haus gebaut haben und weggezogen sind, hätte ich jetzt eine Fahrtzeit von 50 Minuten zu überbrücken.“ Fünf Vorstellungsgespräche habe sie mittlerweile telefonisch geführt, doch alle seien schnell in eine Sackgasse geraten: „Nach fünf Minuten sagte man mir, ich müsste zusätzlich zu den Vormittagen noch ein bis zwei Nachmittage in der Woche überbrücken.“
Sie verstehe die Arbeitgeber, doch für sie käme das nach Lage der Dinge erst infrage, wenn auch die Kleine größer sei. Bis dahin müsse sie sich nach den Öffnungszeiten der Tagesstätten richten. „Die Krippe für das jüngere Kind schließt um 16 Uhr, der Kindergarten für die Ältere bereits um 14.30 Uhr.“ Ihr Mann komme meist erst gegen 19 Uhr nach Hause und sei häufig auf Dienstreise. Auch ihre Eltern fielen als potenzielle Babysitter aus. „Sie wohnen weit weg in Bayern und arbeiten beide noch.“
Eine Tagesmutter ließe sich finanziell wohl gerade noch stemmen. „Aber bis die Kleine zwei Jahre alt geworden ist, möchte ich nicht zusätzlich zur Krippe noch mit einer weiteren Fremdbetreuung beginnen. Sie müsste ich außerdem mit dem Stundenlohn bezahlen, den ich in der gleichen Zeit verdiene.“
Koschlig schilderte ihre Lage in einer PTA-Gruppe auf Facebook und fragte um Rat. Solle man wirklich eine Tagesmutter buchen, nur um die geforderten ein bis zwei Nachmittage zu leisten? „Wie macht ihr das denn, wenn ihr keine Familie am Ort habt? Anderen Beruf/Aushilfsjobs? Seid ihr in einen anderen Beruf gegangen?“ Sie ahnte nicht, welch kontroverse Diskussion sie da lostrat.
Eine alleinerziehende Mutter berichtete, sie habe ihren Sprössling nach dem Kindergarten teilweise noch bis zum Abend zur Tagesmutter geben müssen, das habe ihm nicht immer gut getan. Andere hatten Eltern und Großeltern am Ort oder teilten sich die Betreuung mit Freundinnen in gleicher Lage, um die geforderten Schichten leisten zu können. Eine Kollegin war gleich ganz in die Industrie, eine andere in ein Apothekenrechenzentrum gewechselt. Beide freuten sich über die regelmäßigen, familiengerechten Arbeitszeiten.
Aber auch PTA meldeten sich zu Wort, die sich über die gefühlten Extrawürste für die Teilzeitkräfte bei Schicht- und Urlaubsplanungen ärgerten. „Bevor ich Mann und Kind hatte, war ich der Zwischen-Feiertage-, Brückentagearbeits- und ständig Spät- und Einspring-Depp“, schrieb eine Kollegin. „Das hat mich oft genervt.“ Auch sie hätten schließlich Behördengänge und Arztbesuche zu erledigen, sagten andere. Hobbys und soziale Kontakte kämen über all den Nachmittags- und Wochenendschichten zu kurz.
Zudem sei jemand, der nur 15 oder 20 Stunden in der Woche arbeite, nur unzureichend in die Kommunikation innerhalb des Apothekenteams eingebunden, was geregelte Arbeitsabläufe erschwere. Eine Mitarbeiterin, die über 15 Jahre als Alleinerziehende Beruf und Kinderversorgung zugleich stemmte, bezog eine klare Position: „Wer arbeiten will, muss eben was regeln. Es kann ja nicht sein, dass immer die Anderen nur Nachmittage arbeiten.“
Den Unmut ihrer Kolleginnen kann Koschlig durchaus nachvollziehen. „Ich habe nicht anders gedacht, als ich selbst noch kinderlos war.“ Doch mit Fortschreiten der ersten Schwangerschaft habe sich auch ihre Perspektive geändert: „Ich konnte vor dem Mutterschutz nur noch vier Stunden arbeiten, in dieser Zeit musste ich so viel leisten wie meine Kolleginnen in der Vollzeit.“
Der erzwungenen Freizeit kann sie derzeit noch etwas abgewinnen: „Ich kann noch spontan mit meinen Kindern wegfahren, nutze die Vormittage aber auch für Bewerbungen und Weiterbildungen.“ Aber so solle es nicht bleiben. Um eine wirkliche Familienfreundlichkeit zu gewährleisten, sieht sie nicht nur die Apothekeninhaber, sondern vor allem die Politik in der Pflicht: „Ich finde es einfach erbärmlich, dass man mich als Mama einfach nur doof dastehen lässt. Ich möchte wirklich arbeiten und eben auch einen guten Job als Mama machen.“
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