Es geht los: Die Apotheken impfen gegen Covid-19 – und ihre Rolle bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie wird sukzessive größer werden, glaubt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR). Entsprechend müssten mittelfristig auch die berufsrechtlichen Bedingungen zwischen Apotheker- und Ärzteschaft angeglichen werden: Dazu gehöre, dass nicht nur Approbierte impfen dürfen, sondern auch PTA. Mit seiner Forderung steht Preis nicht allein. Erste Erfahrungen aus der Praxis stützen seine Vermutungen.
PTA sind hochqualifizierte Fachkräfte, werden oft aber nicht nur schlecht bezahlt, sondern auch mit Blick auf ihre Kompetenzen an der kurzen Leine gehalten. In Arztpraxen ist es beispielsweise der Normalfall, dass auch Medizinische Fachangestellte (MFA) impfen. Und warum auch nicht? Mit der nötigen Zusatzqualifikation ist das eine vertretbare – wenn auch streitbare – Aufgabenerweiterung. „PTA sollten impfen dürfen. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr gut für die Perspektive des Berufsstandes PTA wäre“, sagt Preis. „Die Impfungen würden dann unter Aufsicht des Apothekers stattfinden, so wie die pharmazeutische Beratung auch. Dann wären die Apotheken noch leistungsfähiger.“
Er steht mit der Forderung nicht allein da, auch der Bundesverband PTA (BVpta) spricht sich dafür aus. Der Verband begrüße ausdrücklich die Impfungen in Apotheken, erklärte er bereits im Dezember: „Der nächste Schritt muss aber sein, auch PTA in den Impfprozess einzubinden.“ Auch dort verweist man auf die Situation in den Praxen: Grundsätzlich würden subkutane und intramuskuläre Injektionen zu den Leistungen gehören, die ein Arzt an qualifizierte MFA delegieren kann. „Weiterqualifizierungen für PTA müssen schnell entwickelt werden, denn auch die Impfleistung fällt in den Bereich einer ‚weiterqualifizierten PTA‘, die mehr Kompetenzen wahrnehmen kann.“
Ähnlich argumentiert auch Preis. „Dabei geht es auch darum, die Impfkapazitäten in den Apotheken aufrecht zu erhalten. Das Impfen ist sicher und man braucht bei solchen Kampagnen jede Hand“, sagt er. „Es ist wichtig, dass solche Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden.“ Dem BVPpta zufolge ist der Bedarf an solchen „weiterqualifizierten PTA“ schon jetzt hoch, um das Arbeitsaufkommen in Apotheken effektiv verteilen und bewerkstelligen zu können, und um die Versorgung auch in personalknappen Zeiten qualifiziert aufrecht erhalten zu können.
Der Verband fordert deshalb, „eine Durchlässigkeit zur Akademisierung für engagierte und motivierte Mitarbeiter:innen, die gerne Verantwortung übernehmen wollen“. Neben einer berufsbegleitenden Weiterbildung sei das dringend notwendig. So wären unter anderem berufsbegleitende Studiengänge oder die Ausweitung von anerkannten Fach-PTA für die unterschiedlichsten Aufgabengebiete denkbar.
Doch ist es auch realistisch, dass PTA irgendwann impfen dürfen? Die Apothekengewerkschaft Adexa sieht zumindest vorerst keinen Handlungsbedarf: „Da die Schutzimpfungen gegen Covid-19 analog zu den Grippeschutzimpfungen nach § 132j SGB V durch Apothekerinnen und Apotheker geplant sind, besteht derzeit für Adexa kein Anlass, über eine Beteiligung von PTA zu spekulieren“, erklärte ihr Vorstandsvorsitzender Andreas May.
Preis hingegen glaubt an die PTA. „Ich bin mir sicher, dass das möglich ist, denn wir haben schon seit zwei Jahren gute Erfahrungen mit den Grippeschutzimpfungen in Apotheken“, sagt er mit Blick auf die Pilotprojekte in Nordrhein-Westfalen. „Das ist ein erfolgreiches Modell, weshalb es gut ist, nach vorn zu schauen, wenn Apotheken weitere Aufgaben im Bereich Impfen übernehmen sollen. Das wäre eine europakonforme Entwicklung.“
Dass die Nachfrage nach Corona-Impfungen da und der Arbeitsaufwand entsprechend hoch ist, legen erste Erfahrungen aus Preis‘ Bezirk nahe. So hat die Europa-Apotheke in Düsseldorf bereits am Montag mit dem Impfen begonnen. Sie hatte zu Beginn erst einmal mit einem Ansturm zu kämpfen, der freilich nicht nachhaltig sein dürfte: Inhaber Thomas Stephan rannten Medienvertreter die Türen ein. „RTL, NTV, ZDF, DPA, Sat.1, Rheinische Post, Express, WDR, Bild, Reuters, AFP, Antenne Düsseldorf“, zählt er auf. „So etwas habe ich auch noch nicht erlebt.“ Aber auch das Impfgeschehen selbst habe gezeigt, dass es eine durchaus zielführende Idee ist, die Apotheken einzubinden.
„Wir haben ein paar Leute einfach von der Straße weg angesprochen“, erzählt Stephan. Zweimal habe das geklappt, ein drittes Mal hätten sie eine Mitarbeiterin eines nahen Geschäfts angesprochen – auch sie habe sich spontan in der Apotheke impfen lassen. „Ich glaube, es gibt da eine gewisse Klientel, die von den Ärzten nicht erreicht wird, die aber für uns in Frage kommt“, sagt er. „Ich glaube, wenn möglichst viele Apotheken impfen, dass wir dann nochmal 5 bis 10 Prozent zur Impfquote beitragen können. Damit kommen wir der Herdenimmunität noch einmal ein Stück näher.“ Das zeige auch, wie viel Potenzial man im Vergleich zu anderen Ländern – wie Großbritannien, Frankreich oder Dänemark – habe liegen lassen. „Man hätte das eigentlich schon viel länger machen können, wenn man uns nur hätte machen lassen. Dann hätten wir einige Lockdown-Situationen, die den Staat Milliarden Euro gekostet haben, wahrscheinlich vermeiden können. Hausärzte und Apotheken hätten gemeinsam geschafft, wofür wir die Impfzentren brauchten.“
Auch fachlich sei das Impfen kein Hexenwerk, berichtet er von seinem ersten Impftag. „Die vorherige Aufklärung verlief problemlos. Fast alle meinten, sie hätten diese Fragebögen sowieso schon mal ausgefüllt und wenn jemand nicht so gut Deutsch konnte, haben wir eben geholfen und Sachen erklärt.“ So sei es auch bei der Impfung selbst gewesen. „Die sagten alle, sie hätten gar nichts gemerkt. Das zeigt ja, dass ich da anscheinend ein ganz gutes Händchen habe.“
Aus Sicht vieler Ärzte – und deren Standesvertretern – ist es jedoch bei weitem nicht so einfach. Sie wettern seit Monaten gegen das Vorhaben und führen dazu unter anderem an, dass Apotheken nicht die nötigen „Qualitätsstandards“ hätten. Der Hausärzteverband Nordrhein ging noch weiter: „Impfen in Apotheken ist Unsinn“, wetterte er vergangene Woche. „Wir brauchen die Apotheken nicht für das Impfen. Dafür gibt es weder medizinische noch sachliche Gründe“, so sein Vorsitzender Dr. Oliver Funken. Das sei jedoch eher berufspolitisches Geplänkel, meint Stephan. „Mir persönlich hat kein Arzt etwas Böses gesagt. Aber man nimmt uns hier auch ab, dass es nicht ums Geldverdienen geht.“
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