Pille danach: Auf Kleingedrucktes bei Betriebshaftpflichtversicherung achten APOTHEKE ADHOC, 07.02.2018 09:13 Uhr
Im Apothekenalltag ist die Abgabe der Pille danach immer wieder Gesprächsthema: „Die Tablette darf nicht einem Mann und nur persönlich der Frau abgegeben werden“ oder „bei Minderjährigen muss der Erziehungsberechtigte dabei sein“. Was sieht das Gesetz vor und wie sehen die Handlungsempfehlungen aus? Ein Überblick.
Im LABOR, der Apotheken-Crowd von APOTHEKE ADHOC wurde diskutiert, ob Notfallkontrazeptiva männlichen Kunden mitgegeben werden sollten oder nicht. Hier einige Kommentare:
„Wir geben grundsätzlich die Pille danach nicht an Männer ab, außer sie kämen mit Rezept. Die nötige Beratung ist einfach über eine dritte Person nicht möglich.“
„Lieber Beratung über Dritte als unterlassene Hilfeleistung.“
„Abgabe ohne persönliche Beratung halte ich aber für bedenklich (Körperverletzung?). Und bei Bedenken ist die Abgabe unbedingt zu verweigern bis die Bedenken ausgeräumt sind. Unethisch, aber kaufmännisch ist eine schnell verkaufte Packung auch mit dem mickrigem Aufschlag noch kostendeckend (Nicht mein Stil).“
„Warum sollte der Mann nicht in der Lage sein, die Informationen ordentlich zu übermitteln?“
„Wenn der Mann die nötigen Fragen beantworten kann, warum nicht.“
„Abgabe nur an die Frau selbst, bei Erscheinen in der Apotheke und nach ausführlicher Beratung!“
Weiterhin war für einige die Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten wichtig, auch der Haftungsfall im Falle einer eintretenden Schwangerschaft wurde diskutiert. Besteht überhaupt ein Kontrahierungszwang bezüglich der Abgabe von Notfallkontrazeptiva? Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sieht einen Kontrahierungszwang ausdrücklich nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel und verordnete OTC-Arzneimittel vor.
Darin heißt es: „Verschreibungen von Personen, die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigt sind, sind in einer der Verschreibung angemessenen Zeit auszuführen.“ Für OTC-Arzneimittel gibt es keine entsprechende gesetzliche Grundlage. Der Kontrahierungszwang wird aber grundsätzlich aus der Apothekenpflicht abgeleitet.
In der Kommentierung zur ApBetrO wird eine Abgabepflicht im Notdienst daher auch für OTC eindeutig erkannt. Ob diese Pflicht auch zu den normalen Öffnungszeiten besteht, ist dagegen umstritten, sagt die Apothekerkammer Nordrhein. Je nach Bundesland und den entsprechend zuständigen Aufsichtsbehörden müssten Apotheker und PTA aber mit Schwierigkeiten rechnen, wenn sie die Abgabe ohne ersichtlichen Grund verweigern.
PTA oder Apotheker können pharmazeutische Bedenken gegen eine Abgabe der Pille danach geltend machen, sofern sich diese begründen lassen. Ethische, moralische oder religiöse Bedenken fallen nicht in diese Kategorie. Die Bundesapothekerkammer (BAK) empfiehlt die Beratung und Abgabe einer Packung an die Frau persönlich, eine Abgabe an einen Mann wird per se nicht ausgeschlossen. Auch gesetzlich gibt es diesbezüglich keine Regelung. Die Abgabe sollte mit Hinblick auf die Sorgfaltspflichten im Einzelfall entschieden werden. So sollte bei bestehenden Bedenken die Abgabe verweigert werden, bis Bedenken ausgeräumt werden. Bei Verdacht auf Missbrauch kann die Abgabe gemäß ApBetrO verweigert werden.
Im Regelfall sollte zudem keine Abgabe „auf Vorrat“ erfolgen, stattdessen sollte der Frau ein Besuch bei einem Gynäkologen empfohlen werden. Wenn Minderjährige das Arzneimittel verlangen, muss auch hier sorgfältig abgewogen werden. Es gibt keine arzneimittelrechtlichen Vorschriften, die das reglementieren. Außerdem gibt es auch für die Anwendung der Pille danach keine Altersbeschränkung. In den Gebrauchs- sowie Fachinformationen lässt sich lediglich die Formulierung „für alle Frauen im gebärfähigen Alter geeignet“ finden.
Bei Abgabe an Minderjährigen (Alter laut Selbstauskunft der Frau), empfiehlt die BAK, schriftlich die Beratung zu dokumentieren. Für die Frage, ob die Apotheke die Eltern vor der Abgabe des Arzneimittels an die Minderjährige hinzuziehen muss und ob sie ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, ist vor allem die Einsichts- beziehungsweise Einwillungsfähigkeit der Minderjährigen entscheidend. Für die Einsichtsfähigkeit gibt es keine fixe Altersgrenze. PTA und Apotheker müssen in jedem Fall die geistige und sittliche Reife der Minderjährigen prüfen.
Hält das pharmazeutische Personal die Minderjährige für einsichtsfähig, so hat es das Arzneimittel abzugeben, ist an seine Schweigepflicht gebunden und darf die Eltern nicht informieren. Hält es diese nicht für gegeben, darf es entweder das Arzneimittel nicht abgeben oder es muss die Eltern hinzuziehen. Um diese aufklären zu können, ist es in diesem Fall von seiner Schweigepflicht entbunden.
Bei Mädchen unter 14 Jahren geht man davon aus, dass die Einwilligungsfähigkeit noch nicht gegeben ist. Hier sollte die Tablette ohne Einverständnis eines Erziehungsberechtigten nicht abgegeben und stattdessen ein Arztbesuch empfohlen werden. Ab 14 Jahren kann von einer Einwilligungsfähigkeit im Einzelfall ausgegangen werden, wenn eine umfassende Prüfung vorgenommen wurde und bei jungen Frauen ab 16 Jahren kann von einer Einwilligungsfähigkeit ausgegangen werden.
Mit der Beratung zu apothekenpflichtigen Arzneimitteln bewegen sich PTA und Apotheker im Bereich ihrer klassischen pharmazeutischen Kernkompetenzen. Bei einer sachgerecht durchgeführten Beratung der Patienten ist kein Haftungsgrund für die Apotheke ersichtlich. Bei nicht ordnungsgemäß durchgeführter Beratung ist die Tätigkeit über die Betriebshaftpflicht grundsätzlich für den Inhaber und die Mitarbeiter abgesichert. Empfohlen wird jedoch, die Versicherung zu überprüfen: Sie sollte im Kleingedruckten keine Ausschlüsse für Unterhaltspflichten bei ungewollter Schwangerschaft enthalten.