PI + Levitra + Poppers = Lebensgefahr APOTHEKE ADHOC, 29.05.2018 14:52 Uhr
Verminderte Libido oder Erektionsstörungen können Nebenwirkungen verschiedener Arzneimittel sein. Hemmer der Phosphodiesterase (PDE5) können zur Behandlung der erektilen Dysfunktion eingesetzt werden. HIV-positive Männer, die mit einer antiretroviralen Therapie behandelt werden, müssen auf schwerwiegende Wechselwirkungen achten.
Fall: Ein Kunde informiert sich in der Apotheke über den Einsatz von PDE5-Hemmern. Er bittet, auf mögliche Wechselwirkungen mit seiner HIV-Medikation zu achten. Von einem Freund habe er außerdem gehört, dass Poppers das sexuelle Empfinden steigern soll.
Analyse: Der Proteasehemmer (PI) Ritonavir ist Bestandteil des Therapieregimes des Kunden. Ritonavir hemmt die HIV-Protease, die Aminosäuresequenzen in Vorläuferproteinen des gag-pol-Polyproteins schneidet. Der PI unterbindet diese Spaltung und es entstehen unreife und nicht infektiöse HIV-Partikel. Das Virus kann sich nicht vermehren. Ritonavir kann außerdem als pharmakokinetischer Booster beispielsweise in Kombination mit Lopinavir in Kaletra (Abbvie) eingesetzt werden.
Der PI ist ein Inhibitor des CYP3A-vermittelten Stoffwechsels, über den auch Sildenafil metabolisiert wird. Ritonavir kann die Plasmaspiegel des PDE5-Hemmers erhöhen und schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen verursachen. Beispielsweise kann die zweimalige tägliche Gabe von 500 mg Ritonavir in Kombination mit 100 mg Sildenafil eine 300-fache Steigerung der Cmax des PDE5-Hemmers verursachen. Selbst nach 24 Stunden waren die Plasmaspiegel mit etwa 200 ng/ml – im Vergleich zu 5 ng/ml ohne PI – stark erhöht. Herzrhythmusstörungen, Hypotonie, Sehstörungen sowie plötzlicher Herztod können die Folgen sein. Die Kombination von Sildenafil und Ritonavir ist unter Vorsicht anzuwenden. Die maximale Sildenafil-Dosis darf 25 mg innerhalb 48 Stunden nicht überschreiten. Sildenafil ist unter Einnahme eines Protease-Hemmers zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie kontraindiziert.
Tadalafil ist ebenfalls nur mit Vorsicht und in niedriger Dosis anzuwenden. Die maximale Gabe von 10 mg alle 72 Stunden sollte nicht überschritten werden. Vardenafil hingegen ist komplett kontraindiziert.
Die Kombination von PDE5-Hemmern mit nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) wie Truvada (Tenofovirdisoproxil/Emtricitabin, Gilead) oder Kivexa (Abacavir/Lamivudin, ViiV) gilt als unproblematisch. Gleiches gilt für Integrase- und Entry-Inhibitoren. NRTI hemmen die Reverse Transkriptase und bauen falsche Bausteine in die DNA ein. Die Virusvermehrung wird durch einen Kettenabbruch gestoppt. Nicht-nukleosidische-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) könnten die Wirkung der Potenzpillen sogar leicht abschwächen.
Poppers – Amylnitrit, Butylnitrit, Isobutylnitrit – sind flüchtige Substanzen und illegale Drogen, die missbräuchlich aus kleinen Flaschen, durch ein Tuch oder durch eine mit der Flüssigkeit getränkte Zigarette inhaliert werden. Die Wirkung setzt unmittelbar nach der Inhalation ein. Das Schmerzempfinden wird gemindert, die Muskulatur entspannt und das sexuelle Empfinden gesteigert. Ursache ist eine Erweiterung der Gefäße, die einen Blutdruckabfall zur Folge hat und ein vorübergehender Sauerstoffmangel im Gehirn. Die Kombination mit PDE5-Hemmern und Nitraten ist lebensgefährlich und kann zum Tod führen.
Kommunikation: Der Kunde sollte die Behandlung der erektilen Dysfunktion mit dem Arzt besprechen. Liegt eine Störung vor, kann ein PDE5-Hemmer verordnet werden.
Therapie: Geeignet ist der Einsatz von Sildenafil. Dabei sollte jedoch die Dosis 25 mg innerhalb 48 Stunden nicht überschritten werden. Sildenafil erreicht bereits nach einer Stunde den maximalen Plasmaspiegel und besitzt eine Halbwertszeit von vier Stunden. Das Arzneimittel wird unabhängig von den Mahlzeiten und eine halbe Stunde vor der geplanten sexuellen Aktivität eingenommen. Fettreiches Essen kann den Wirkeintritt jedoch verzögern. Für Sildenafil wird eine Wirkung nach etwa 30 Minuten beschrieben.
Sildenafil hemmt selektiv und reversibel PDE-5 und verhindert so den Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP). Bei sexueller Stimulation wird lokal Stickstoffoxid ausgeschüttet. Durch die PDE-5-Hemmung steigt der Spiegel an cGMP im Corpus Cavernosum. Die glatte Muskulatur entspannt sich. Durch den Bluteinstrom kommt es schließlich zur Erektion.