Die Beratung in der Apotheke ist nicht immer einfach. Besonders viel Fingerspitzengefühl ist bei onkologischen Patient:innen gefragt. Oft kommen sie mit dem Wunsch nach komplementären oder alternativen Heilmethoden in die Offizin. Eine erste S3-Leitlinie gibt nun evidenzbasierte Empfehlungen, die PTA bei der Beratung helfen können.
Nach einer Krebsdiagnose fühlen sich viele Patient:innen machtlos. Bestrahlungen und Chemotherapien führen häufig zwar zu einer Lebensverlängerung – allerdings kann die Lebensqualität stark beeinträchtigt werden. Viele Betroffene wollen selbst etwas tun, um sich besser zu fühlen und die übrige Lebenszeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch Nebenwirkungen der Krebstherapien wie Übelkeit und Erbrechen sollen möglichst effektiv gelindert werden. Oft suchen langjährige Stammkund:innen Rat in der Apotheke ihres Vertrauens.
In der Komplementärmedizin stehen verschiedenste Verfahren zur Option: Neben Homöopathie, Akupunktur und Osteopathie sind auch Vitamine und Heilpflanzen auf der Liste der Möglichkeiten. Wissenschaftliche Untersuchungen auf dem Gebiet sind rar gesät – oft gibt es nur eine kleine Probandenzahl und die Vergleichsgruppen fehlen. Unter Federführung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) wurde nun jedoch erstmals eine S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin in der Behandlung von Karzinomerkrankungen veröffentlicht. Sie zeigt, dass nicht alle Therapien gleichermaßen gut geeignet sind.
Die Empfehlungen werden nach Symptomatik und teilweise auch nach Krebsart und aktueller Behandlung gesondert betrachtet. Außerdem wird auf verschiedene potenzielle Arzneimittelinteraktionen hingewiesen, die die Wirksamkeit der Karzinombehandlung oder der supportiven Therapie vermindern oder verstärken und somit zu Nebenwirkungen führen können.
Besonders häufig treten nach einer Krebsdiagnose unter anderem psychischen Beschwerden wie Ängste, Depressionen oder Ein- und Durchschlafstörungen auf. Dann können Mind-Body-Verfahren wie Meditation und Yoga helfen, ebenso wie „Mindfulness-based Stress Reduction“ oder Akupressur. Bioenergiefeld-Therapien werden von der Leitlinie jedoch nicht empfohlen.
In Bezug auf verschiedene Präparate aus der Apotheke gibt es ebenfalls Hinweise: So sind beispielsweise Johanniskrautpräparate bei onkologischen Patienten eine Option. Zwar liegen keine Studien vor, die die Wirksamkeit von Johanniskraut auf die Depressivität von onkologischen Patienten untersuchen. In Anlehnung an die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Depression kann die Therapie jedoch empfohlen werden, da Johanniskrautpräparate konventionellen Medikamenten in der Behandlung der leichten bis mittelschweren Depression nicht unterlegen sind.
Patienten, die Johanniskraut einnehmen wollen, sollen jedoch über die unterschiedliche Wirkstärke der verfügbaren Zubereitungen und die sich daraus ergebenden Unsicherheiten von Johanniskraut mit hohem Gehalt an Hyperforin informiert werden. Sie sollen ebenfalls aufgeklärt werden über mögliche schwere Wechselwirkungen von Johanniskraut mit hohem Gehalt an Hyperforin mit anderen Medikamenten. Im Zweifelsfall sollte immer mit dem behandelnden Onkologen Rücksprache gehalten werden.
Für viele pflanzliche Präparate gibt es noch immer keine ausreichenden Daten für eine Empfehlung – beispielsweise für Baldrian. Gleiches gilt für Ginkgo-Präparate bei kognitiven Beeinträchtigungen sowie in Deutschland registrierte homöopathische Einzel- und Komplexmittel zur Verbesserung der Lebensqualität. „Es kann keine Empfehlung für oder gegen eine Anwendung gegeben werden.“ Die verschiedenen Vitamine und deren Supplementierung ist sehr komplex, daher werden sie in der Leitlinie gesondert aufgeführt. Hier sollte im Einzelfall die Leitlinie hinzugezogen werden.
APOTHEKE ADHOC Debatte