Pharmaziestudium

PTA wird Apothekerin – ohne Abitur

, Uhr
Berlin -

Die PTA Denise Jenzen studiert seit April 2012 Pharmazie an der Universität Greifswald. Sie gehört zu einer seltenen Studentengruppe: Jenzen hat kein Abitur, sondern mit einem Realschulabschluss ihre Ausbildung begonnen. Ihr Arbeitsumfeld gefiel ihr, aber sie träumt davon, eine eigene Apotheke zu führen. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC beschreibt sie ihren Weg zur Approbation.

ADHOC: Was hat Sie motiviert, Pharmazie zu studieren?
JENZEN: Nach der Ausbildung und einigen Jahren in der Apotheke habe ich mich gefragt: Und das soll es jetzt gewesen sein? Mir hat die Arbeit als PTA gefallen, aber die Verdienstmöglichkeiten als Apothekerin haben mich gereizt. Und ich will gerne eine eigene Apotheke führen. Darum wollte ich das Studium versuchen.

ADHOC: Wie sind Sie das Ganze angegangen?
JENZEN: Ich habe zunächst im Internet nach Informationen gesucht – und relativ wenige Tipps und keine Erfahrungsberichte gefunden. Es scheint nicht viele PTA zu geben, die diesen Weg gegangen sind. Erst als ich mit dem Studium schon begonnen hatte, lernte ich andere kennen, die ohne Abitur Pharmazie studieren. Aber ich habe eine Freundin – auch PTA mit Realschulabschluss – die mir damals erzählte, dass sie sich auf einen Studienplatz bewerben wollte. Da habe ich mich ihr angeschlossen.

ADHOC: An welchen Universitäten haben Sie sich beworben?
JENZEN: Ich wollte mich eigentlich in Hamburg und Greifswald bewerben. Doch in Hamburg konnte ich die Zulassungsbedingungen bis zur geforderten Frist nicht erfüllen. Denn um sich auf einen Studienplatz ohne Abitur bewerben zu können, muss man nach der Ausbildung mindestens drei Jahre als PTA gearbeitet haben. Ich habe Anfang 2011 bei den Unis angefragt – also gut ein Jahr vor Studienbeginn – aber die Bewerbungsfrist in Hamburg endete, bevor ich die drei Jahre Berufserfahrung hatte. In Greifswald hat es zum Glück gerade so gepasst, also habe ich es dort versucht, wie meine Freundin auch. Wir haben uns extra im Sommersemester beworben, um nicht mit so vielen um die Plätze konkurrieren zu müssen.

ADHOC: Wie ging es nach der Bewerbung weiter?
JENZEN: Im März 2011 habe ich meine Bewerbung in Greifswald eingereicht, knapp zwei Monate später fanden die Zulassungsprüfungen statt. Es gab drei Prüfungsabschnitte: Zuerst musste ich einen Aufsatz schreiben. Der war nicht fachspezifisch; damals ging es um Plagiate, weil Herr zu Guttenberg damit gerade in der Kritik stand. Der Aufsatz wurde ausgewertet und meine Freundin und ich schafften es in die „zweite Runde“ – zu den fachspezifischen Prüfungen.

ADHOC: Was wurde abgefragt?
JENZEN: Ich habe eine etwa zweistündige Klausur geschrieben. Das Schwierige war, dass ich mich nicht richtig darauf vorbereiten konnte – ich wusste nicht, was ich lernen sollte. Einige der Fragen weiß ich immer noch. Zum Beispiel sollte ich erklären, warum Fleisch saftiger schmeckt, wenn es vor dem Braten in heißes Wasser gegeben wird. Dass sich dabei die Poren schließen, konnte ich mir herleiten. So konnte ich mich an den Fragen entlang hangeln. Einige Tage später folgte eine mündliche Prüfung, nach der ich direkt erfuhr, dass ich – wenn auch denkbar knapp – bestanden hatte.

ADHOC: Was war der nächste Schritt zur Zulassung?
JENZEN: Ich erhielt von der Universität eine Art Postkarte, mit der ich an einem Losverfahren teilnahm. Wir PTA ohne Abitur hatten uns nicht über das zentrale Vergabeverfahren beworben. Frei gebliebene Studienplätze an der Universität wurden nach dem Zufallsprinzip an uns vergeben. Erst wenige Tage vor Semesterstart erfuhren meine Freundin und ich, dass wir beide Plätze bekommen haben.

ADHOC: Wie war das erste Semester?
JENZEN: Für mich war das Studium eine ziemliche Umstellung. Das erste Semester fiel mir sehr schwer, ich musste fast jede Prüfung wiederholen. Denn ich war es überhaupt nicht mehr gewöhnt, so viel Stoff auf einmal zu lernen. Gerade in Chemie und Biologie war es ein regelrechtes Bulimie-Lernen. In Mathe hatte ich Probleme, weil mir das Oberstufenwissen fehlte. Da hatten die Abiturienten einen Vorteil, außerdem hatten sie einen viel besseren Lernrhythmus. An der PTA-Schule ist es anders, dort sagen einem die Lehrer genau, was man lernen soll. An der Uni bin ich ganz auf mich gestellt.

ADHOC: Wie haben Sie es geschafft?
JENZEN: Also allein kommt wohl niemand durch das Pharmaziestudium. Ich habe gemeinsam mit Kommilitonen gelernt. Außerdem ist es an der Uni Greifswald sehr familiär; ich konnte auch bei den Professoren direkt nach der Vorlesung noch einmal nachfragen, wenn ich mit einem Thema große Schwierigkeiten hatte. Das wäre an einer großen Hochschule sicher nicht möglich. Und dann entwickelt man diesen Ehrgeiz: Wenn man etwas wirklich will, schafft man es. An meiner Uni stehen uns nach der Prüfungsordnung zudem sechs Versuche pro Fach zu. Ich würde jedem raten, diese auch auszureizen und nicht vorher das Handtuch zu werfen. Denn im Grundstudium soll ausgesiebt werden; im Hauptstudium wird es einfacher.

ADHOC: Gab es Fächer, bei denen Ihre PTA-Ausbildung geholfen hat?
JENZEN: Bei den Praktika im Labor kannte ich vieles schon aus der Apotheke, die Namen der Stoffe hatte ich alle schon einmal gehört. Als wir im fünften Semester verstärkt die Wirkstoffe lernen mussten, konnte ich mir gut Eselsbrücken bauen. Dabei konnte ich auch Kommilitonen helfen, die direkt nach der Schule das Studium angefangen haben. Vor ihnen ziehe ich übrigens den Hut, weil sie sich ohne Grundwissen diese lateinischen Namen merken können!

ADHOC: Bereuen Sie, dass Sie nicht das Abitur gemacht haben?
JENZEN: Eigentlich nicht. Ich war zu Schulzeiten definitiv keine Überfliegerin, mein Realschulabschluss war nur „gut“. Es war besser für mich, erst einmal zu arbeiten. Ich bin wohl mit der Zeit gereift – und mir liegt das Fach, also die Pharmazie.

ADHOC: Sind Sie in Regelstudienzeit?
JENZEN: Ich bin etwa ein Jahr zurück. Ein Semester habe ich gearbeitet, um Geld zu verdienen. Das zweite habe ich für Prüfungen gebraucht. In einem Jahr will ich mein zweites Staatsexamen machen. Meine Freundin, die mit mir angefangen hat, ist aber beispielsweise in Regelstudienzeit.

ADHOC: Wie finanzieren Sie Ihr Studium?
JENZEN: Da ich bereits 27 bin, bekomme ich elternunabhängiges BAföG, das sind etwa 670 Euro im Monat. Außerdem arbeite ich auf 450-Euro-Basis als PTA in zwei Apotheken: Zum einen bei meinem ehemaligen Chef in Rostock, zum anderen in einer Apotheke in Bad Doberan. Arbeiten geht bei mir aber nur in den Semesterferien, denn während des Semesters war es einfach zu anstrengend. Dafür arbeite ich in den Ferien vor. Jetzt, im Hauptstudium, kann ich vielleicht auch einmal am Wochenende aushelfen.

ADHOC: Wo wollen Sie Ihr Praktisches Jahr absolvieren?
JENZEN: Wahrscheinlich in meiner Apotheke in Bad Doberan, da werde ich gut gefördert. Die Apotheke in Rostock kenne ich durch meine Berufstätigkeit dort einfach schon zu gut.

ADHOC: Was ist nach der Approbation geplant?
JENZEN: In die Forschung will ich eher nicht gehen. In einer Krankenhausapotheke zu arbeiten, könnte ich mir vorstellen. Aber eine öffentliche Apotheke ist schon das Ziel, ich würde gerne eine übernehmen. Ich mag es, wenn Kunden zu mir kommen und sich bedanken, weil ich ihnen helfen konnte.

ADHOC: Raten Sie PTA ohne Abitur zum Pharmaziestudium?
JENZEN: Wer es versuchen will, dem kann ich es auf jeden Fall empfehlen. Man hat ja nichts zu verlieren. Ich hätte schließlich jederzeit in meinen PTA-Job zurückkehren können. Auch wenn man vielleicht schon etwas älter ist, es lohnt sich, denn durch das Studium erreicht man einen ganz anderen Berufsstand. Man kann mit Ärzten auf Augenhöhe sprechen. Die Approbation eröffnet ganz andere Möglichkeiten, beruflich und finanziell. Außerdem genieße ich das Studium als Unterbrechung des Arbeitsalltags.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
„Hessen hat eine weitere Apothekerin verloren“
Jahrelanges Warten: Pharmazeutin wechselt in die Industrie
Ausbildungsfonds gerichtlich bestätigt
Bremen: Wer nicht ausbildet, zahlt
Mehr aus Ressort
Gesundes Weihnachtsgewürz
Nach dem Festessen: Eine Tasse Zimttee
10 Prozent auch nachmittags
Heiligabend: Jeder Fünfte arbeitet
Gesund durch die Weihnachtszeit
Nüsse sind wahre Kraftstoffpakete

APOTHEKE ADHOC Debatte