Apothekenpersonal

Pharmazieingenieurin: Enttäuschter Abschied von der Apotheke

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Berlin -

Beruf mit Verramschungstendenz: Die Apotheke hat im Laufe der Zeit ihre Magie verloren. Vorbei ist die Zeit von weißen Kitteln, dunklem Holz, unzähligen Schubladen und Gefäßen – und dem Respekt vor den Menschen hinter dem HV-Tisch. Das Tagesgeschäft ist knallhart geworden. Eine Pharmazieingieneurin nimmt daher Abschied von der Offizin – und berichtet, warum sie nicht mehr für die Patienten da sein kann und was in der Apotheke schief läuft.

Nach dem Abitur war Pharmazie der große Wunschtraum. Seit 30 Jahren arbeitet Katharina* in der Apotheke. Die Pharmazieingenieurin ist in Vollzeit tätig und mit viel Herzblut dabei. Sie hat viele Apotheken kennengelernt und von der Kiez- bis zur Centerapotheke alles gesehen. Katharina weiß, wovon sie spricht, sie hat den Wandel der Apotheke hautnah miterlebt.

„Die Arbeit an sich ist sehr schön, ich mag es den Menschen zu helfen. Die Pharmazie liegt mir sehr am Herzen“, schwärmt sie. Dennoch wird sie der Apotheke den Rücken kehren – ohne zu jammern. Ihre Bilanz: „Aus PTA und Pharmazieingenieuren wird alles rausgepresst, was geht. Sie sind Fließbandkräfte am HV und werden von den Inhabern allein gelassen.“ In sieben Stunden hat Katharina neulich 150 Kunden bedient – allein, parallel an zwei Kassen. Verkaufen, das sei es, worum es gehe, von Zeit für Beratung keine Spur. Die Ethik sei dahin und mit ihr die Motivation, warum sie ihren Beruf einmal erlernt habe. „Der Beratungsgedanke geht in der Masse unter.“

Beraten, Fürsorge leisten, das ist es, was die Pharmazieingenieurin will. Aber die Realität sehe anders aus: Fachkräftemangel, schlechte Bezahlung und ein falsches Bild seien die täglichen Probleme, mit denen Apothekenangestellte zu kämpfen hätten. „Kunden sehen uns als Verkäufer. Wir haben einen weißen Kittel an und tragen die Kohle in Säcken aus der Apotheke. Unser Beruf wird nicht mehr anerkannt.“ Zudem zeichneten die Tests im Fernsehen ein schlechtes Bild: Apotheken beraten nicht, so der Tenor. „Wir haben zum Teil gar keine Zeit für die Beratung und viele wollen sich auch gar nicht mehr beraten lassen.“ Katharina kann nur aus ihren Erfahrungen sprechen, anderen Kollegen ergehe es vielleicht anders. Aber für Problemfälle bleibe ihr jedenfalls keine Zeit mehr. Sie findet es „furchtbar“, sich nicht mehr in ausreichendem Maß um alte und kranke Menschen kümmern zu können.

Ein großes Problem sei auch das Gehalt. „Apothekenangestellte sind schlecht bezahlt, alle reden immer nur von den schlecht verdienenden Erziehern, aber uns vergisst man.“ In der Industrie würde Katharina doppelt so viel verdienen, in der Apotheke bekommt sie, trotz der jahrzehntelangen Berufserfahrung, weniger als ein studierter Berufsanfänger. „Mein Berufsstand ist zwar gefragt, aber nur weil wir ‚Dumping-Apotheker‘ sind. Ich finde es schade, was aus dem Beruf geworden ist.“

Sie habe den Beruf zwar nicht erlernt, um Millionärin zu werden, sondern um zu helfen. Altersarmut sei aber vorprogrammiert, nach 30 Jahren bei voller Stundenzahl hat Katharina einen Rentenanspruch von 1000 Euro. Dennoch ist der geringe Lohn nicht der Grund, warum die Pharmazieingenieurin die Apotheke verlassen wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen, die in die Industrie, zur Kasse oder in ganz andere Berufszweige gewechselt sind. Katharina weiß auch: „Viele Inhaber können gar keine höheren Löhne zahlen, denn im Preiskampf bleibt am Ende auch für sie nicht viel übrig.“

Der Kunde werde anspruchsvoller und respektloser. Katharina musste sich nicht nur anbrüllen und mit Packungen bewerfen lassen, sie wurde auch schon angespuckt. Warum? Weil der Preis zu hoch war. „Vor einigen Jahren war ich entnervt, wenn die Kunden nach der Beratung sagten, sie kaufen im Internet. Heute schockt mich das nicht mehr. Der fehlende Respekt und die Abwertung des Berufs schmerzen. Die Öffentlichkeit sieht den Apotheker als Abzocker, der alles für den Kunden tun muss.“

Dabei hätten Apotheker sich das Ramsch-Image mit der Einführung der Happy Hour und den Talern sowie der vielen Schütten zum Teil selbst verpasst. Zudem seien Apotheken zum Teil rund um die Uhr geöffnet oder es gebe sogar einen Drive-In-Schalter. Auch wenn Apotheken mit der Zeit gehen müssten, dürften Ethik und Beratungsgedanke nicht vergessen werden.

Katharina lässt nun die Pharma- und Gesundheitsbranche hinter sich. Sie stehe kurz vor ihrem zweiten fachfremden Studienabschluss, mehr will sie derzeit nicht verraten. Für die nachfolgende Generation hat sie einen Wunsch: „Dem Berufsstand muss es gelingen, wieder in das rechte Licht gerückt zu werden.“ Denn wenn die pharmazeutische Tätigkeit weiter trivialisiert werde, reiche am Ende womöglich auch ein IHK-Sachkundenachweis. „Freiverkäufliche Arzneimittel, so einfach wie das Einmaleins“, heißt es heute für Drogisten. Davon hält die Pharmazieingenieurin nichts.

* Name von der Redaktion geändert

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