Die Abda bezeichnet die Pharmazeutischen Dienstleistungen als Meilenstein für die Patientenversorgung. Die KBV wettert gegen die geplanten Vergütungen und bezeichnet sie als „fundamentalen Angriff auf die hausärztliche Versorgung“. Doch ist es nicht auch ein Angriff auf den Beruf der PTA? Wieder einmal fällt es den befähigten Stellen schwer, der Berufsgruppe Verantwortung zu übertragen. Ein Kommentar von Alexandra Negt und Cynthia Möthrath.
Die ersten fünf Pharmazeutischen Dienstleistungen stehen fest. Nur zwei davon dürfen auch von PTA übernommen werden. Da stellt sich direkt die Frage: Warum? Denn weisen PTA die Kund:innen im normalen Beratungsgespräch nicht auf eventuell bestehende Interaktionen hin? Und nutzen nicht alle in der Apotheke die Apothekensoftware? Ja, sicherlich verlässt man sich nicht allein auf die Angaben auf dem Bildschirm, welche im Rahmen eines Beratungsgesprächs aufploppen, doch Apotheker:innen, die alle Wechselwirkungen kennen, gibt es eben auch nicht.
Wer darf eigentlich beraten? Wirtschaftlich gesehen nur, wer den finanziellen Mehrwert in der Apotheke bringt – Stress programmiert. Wie soll also künftig die Beratung ablaufen? Während die PTA brav alle Rezepte ins System eingeben und die Packungen zusammensuchen, kann der/die approbierte und fortgebildete Kolleg:in das Gespräch übernehmen, damit das Geld für die Dienstleistung eingesackt werden kann? Die Beratungs-Qualität dürfte jedenfalls darunter leiden. Denn wenn das Gespräch mittendrin übergeben wird, müssen alle bereits erfragten Informationen weitergegeben oder wiederholt werden.
Nicht nur für die PTA selbst, sondern auch bei der Kundschaft entsteht ein falsches Bild: Obwohl es sich um pharmazeutische Fachkräfte handelt, werden die PTA degradiert und als Laufbot:in oder „Berater:in“ für niedere Dienste betrachtet. Denn seien wir ehrlich: Welche/r Kund:in will nach so einer Aktion noch von der/dem PTA bedient werden? Kommentare wie „Kennen Sie sich überhaupt aus?“, „Dürfen Sie das überhaupt?“ und „Holen Sie mir mal einen Apotheker“ dürften dann häufiger fallen. Die Wahrnehmung der Professionalität von PTA sinkt. Schon jetzt werden sie von Laien häufig als einfache Verkäufer:innen angesehen – dieses falsche Bild dürfte sich in Zukunft verstärken.
Ein weiteres, ernstes Problem: Die Dienstleistungen könnten zum Bruch innerhalb des Teams führen. Wer hat die Fortbildung? Wer wurde vom Chef angesprochen, ob er oder sie diese absolvieren möchte?Für das Team bietet sich kein Mehrwert – im Gegenteil: Zwischen PTA und Apotheker:innen und auch zwischen letzteren allein könnte sich eine Hierarchie entwickeln. Denn schließlich ist der/die Fortgebildete für die Apotheke „mehr wert“, weil zusätzliches Geld eingefahren wird. Obwohl beide das gleiche Studium absolviert haben (im Falle der Apotheker:innen), erhält die Apotheke nur für die Beratungsleistung von fortgebildeten Kolleg:innen Geld – dabei sollten doch beide Beratungen gleich viel wert sein. Spannungen im Team sind also durchaus denkbar.
Schauen wir einmal darauf, was die PTA dürfen. Und wo sie die Apotheke auch wirtschaftlich unterstützen können: Bluthochdruck und Inhalationsgeräte. Blutdruckmessen gehört für viele PTA zu den Routineaufgaben. Bei den Inhalationsgeräten gibt es Modelle, die weniger häufig abgegeben werden und entsprechend nicht auf Anhieb erklärt werden können – sicherlich auch ein Problem, welches berufsgruppen-übergreifend auftritt. Mithilfe von Arbeitsanweisungen in Form von standardisierten Vorgehensweisen (SOP) sollen die Prozesse gesichert werden. Sinnvoll wäre aber auch, wenn der Apotheke zahlreiche Modelle an „Leer-Inhalatoren“ zur Verfügung gestellt werden würden.
Die „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ und die „Standardisierte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik“ scheinen machbare Aufgaben, sind aber eben auch keine Herausforderung. Nichts, wo sich PTA beweisen könnten. Dabei würde es dem Berufsbild so guttun, endlich mehr Verantwortung übernehmen zu dürfen. Ein Wissensgewinn für PTA: Fehlanzeige. Hier werden Beträge für Beratungsleistungen aufgerufen, die lediglich für den/die Inhaber:in einen Vorteil bieten. Mit der Erfassung und eventuellen Einschätzung von systolischen und diastolischen Werten lockt man die PTA kaum hinter dem Ofen hervor.
Wenn man noch einen Schritt weitergeht: Stellen die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen nicht sogar die PTA-Ausbildung in Frage? Wozu eigne ich mir all das Wissen in einer anerkannten Ausbildung an, um es nur dann extra vergütet zu bekommen, wenn ich mithilfe von SOPs berate. Wird mir als PTA nun nicht mal mehr eine einfache Blutdruckmessung zugetraut? Blutdruckmessen und Inhalatoren erklären gehört schließlich schon jetzt zum täglichen Brot der PTA.
Beim Thema Fort- und Weiterbildungen gucken PTA sowieso seit Jahren in die Röhre. Wer sich weder für Homöopathie, noch für Kosmetik interessiert, der wird nur vereinzelt Angebote finden, die einen wirklichen Wissensboost ermöglichen. So können PTA im Reinraum noch von speziellen Onkologie-Seminaren zum Reinraum-üblichen Arbeiten profitieren, aber dann hört es auch schon auf. Was ist eigentlich aus dem Weiterbildungsinstitut für PTA geworden? Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe weist unter dem Reiter noch immer auf die Wipta hin. Die Domain steht aktuell zum Verkauf.
PTA-Schulen selbst mahnen, dass die Qualität der Auszubildenden seit Jahren kontinuierlich abnimmt. Die Stellenanzeigen hingegen nehmen in den meisten Regionen zu. Allein in Berlin finden sich mittlerweile dauerhaft mehr als 100 freie Stellen. Schon jetzt sind die Arbeitsbedingungen für (werdende) PTA nicht attraktiv: Die Ausbildung muss oft noch selbst gezahlt werden, außerdem gibt es erst in der Famulatur zumindest ein paar Euro. Die meisten Freund:innen verdienen in der Ausbildung dagegen bereits Geld. Und auch danach sieht es nicht besser aus: Während sich PTA durch Fortbildungen und Schulungen versucht, ihren Ruf als Fachkraft zu erkämpfen und ein paar Prozent mehr Gehalt rauszuschlagen, beschäftigt sich der Freundeskreis in der Abendschule mit dem Meistertitel und hat damit die Gehaltserhöhung sicher.
Viele PTA wechseln nach einigen Erfahrungen in der öffentlichen Apotheke in andere Bereiche. Neben besseren Arbeitszeiten bietet eine Karriere außerhalb der Offizin meist ein besseres Gehalt. Und beim Stichwort Karriere sind wir genau beim Kernthema: Als PTA in der öffentlichen Apotheke ist Karriere kaum möglich. Rezepturleitung, Socialmedia-Verantwortlicher oder QMS-Beauftragter sind in größeren Apotheken tolle Möglichkeiten – zumeist aber nur auf dem Papier. Denn wenn Verantwortung bedeutet, dass man bei gleichem Gehalt immer die Letzte ist, die den Zellstoff für den nächsten Tag schneidet, dann kann man darauf sicherlich gut verzichten.
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