Bei akuten Schmerzen im Alltag helfen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen & Co. Doch die leichtfertige Einnahme solcher Medikamente birgt Risiken. Wann Schmerztabletten bedenkenlos eingenommen werden dürfen und wann Patienten besser einen Arzt zurate ziehen.
Wenn der Kopf schmerzt, es im Rücken zwickt oder Menstruationsschmerzen den Alltag bestimmen, greifen viele schnell zur Schmerztablette. Rezeptfrei in der Apotheke erhältlich, sind Ibuprofen, Paracetamol & Co. längst zu alltäglichen Begleitern geworden. Aber völlig sorglos und langfristig sollten diese kleinen Helfer nicht eingenommen werden. „Schmerz ist immer auch ein Signal dafür, dass etwas schiefläuft“, sagt Professor Dr. Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel. Ihn einfach zu betäuben, ist also nicht immer eine gute Idee. Stattdessen begibt sich der Schmerzmediziner lieber auf die Suche nach der Ursache.
Nicht jeder Schmerz muss behandelt werden, erklärt Dr. Michael Schenk, Chefarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Schmerzklinik Berlin. „Manchmal vergessen wir, dass Schmerz auch zum Leben gehört.“ Entscheidend sei das persönliche Schmerzempfinden. „Wenn Schmerz meinen Alltag maßgeblich beeinflusst, dann ist es völlig in Ordnung, eine Tablette zu nehmen.“ Ganz egal, ob es sich um Migräne, Arthrose oder starke Halsschmerzen handele. Maximal eine Woche dürfe sich der Patient selbst behandeln. Mit welchem Medikament, ist ihm überlassen.
„Das schwächste Mittel ist Paracetamol“, erklärt Göbel. Bei Erwachsenen wirke es kaum stärker als ein Placebo, ergänzt Oliver Emrich, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. Anders als andere Schmerzmittel wirkt es nicht entzündungshemmend. Nebenwirkungen gibt es dennoch. In zu hoher Dosierung kann der Wirkstoff zu schwerer Leberschädigung führen, warnt Schenk. Über den Tag verteilt dürfen maximal vier Gramm eingenommen werden.
Bei Kopf- und Gelenkschmerzen oder Virusinfektionen mit Gliederschmerzen empfiehlt Emrich Ibuprofen: „Der Wirkstoff macht immer dann Sinn, wenn eine akute Entzündung eine Rolle spielt“. Maximal 800 Milligramm drei Mal täglich können Patienten seiner Ansicht nach einnehmen. Aufpassen müssen Patienten mit Herzkrankheiten, Nierenschwäche, hohem Blutdruck oder Magenproblemen.
Acetylsalicylsäure (ASS) kommt vor allem in der Migränetherapie zum Einsatz. Der Wirkstoff aus den bekannten Brausetabletten hemmt allerdings die Blutgerinnung, er verdünnt also gewissermaßen das Blut. ASS ist auch in vielen Mischpräparaten enthalten – zum Beispiel in Kombination mit Paracetamol und Koffein. Solche Medikamentenkombinationen sind verführerisch, weil sie nicht nur Schmerz hemmen, sondern zusätzlich aufputschen. Das aber verleite dazu, mehr oder öfter als nötig zu dem Präparat zu greifen. Die Schmerzexperten raten ihren Patienten daher von Wirkstoffkombis ab.
Selbst behandeln sollten Patienten generell nur kurz auftretende Schmerzen. „Werden Schmerzen chronisch, sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden“, sagt Annette Becker, Allgemeinmedizinerin und Professorin an der Uni Marburg. Der Grund: Greift jemand häufig zur Tablette zum Beispiel gegen Kopfschmerzen, wird er Schmerzen gegenüber immer empfindlicher.
Wer sowieso schon regelmäßig Kopfschmerzen hat, riskiert bei der häufigen und monatelangen Einnahme von Kopfschmerztabletten den sogenannten medikamenteninduzierten Kopfschmerz. Dabei werden die Kopfschmerzen paradoxerweise immer schlimmer statt besser.
Verursacher hiervon seien Veränderungen im Schmerzzentrum des Gehirns, erklärt Becker. Nimmt der Patient einmal keine Tablette, setzt ein neuer Kopfschmerz ein – eine Art Entzugserscheinung. Der einfachste Ausweg: noch mehr Schmerzmittel. Doch weil sich der Körper an die Schmerzmittel gewöhnt, werden die Schmerzen von Mal zu Mal schlimmer. Dadurch gerät der Patient in einen Teufelskreis.
Um dem zu entkommen, müssen Betroffene zuerst eine strikte Medikamentenpause einhalten. Danach gilt die 10/20-Regel: An weniger als zehn Tagen pro Monat soll eine Kopfschmerztablette eingenommen werden. Mindestens 20 Tage im Monat sollten tablettenfrei bleiben.
Damit diese Tage nicht zur Qual werden, sollten Patienten andere Wege nutzen, um dem Schmerz zu entkommen. Es gibt eine ganze Reihe von Stellschrauben, an denen sie selbst drehen können. So spielen auch die richtige Ernährung, viel Bewegung und ein möglichst regelmäßiger Tagesrhythmus mit gesundem Schlaf in der Nacht eine wichtige Rolle in der Schmerztherapie. Manchen Betroffenen helfen auch Entspannungstechniken. „Schmerztherapie ist immer auch qualifizierte Lebenshilfe“, fasst Emrich zusammen. Wichtiger Bestandteil sei zum Beispiel das Wissen um die eigenen Möglichkeiten, dem Schmerz entgegenzuwirken.
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