Win-Win-Situation

Ohne Vorkenntnisse: Apothekerin lernt Deutsch in der Rezeptur

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Berlin -

Das Team der Westend-Apotheke in Berlin hat sich einer besonderen Herausforderung angenommen: Im Juli 2024 nahm es Apothekerin Dr. Nona Taher Nejadyani ohne Deutschkenntnisse auf. Auf Instagram zeigt PTA Simone Metzler, wie das Sprachenlernen im Apothekenalltag gelingt.

Die gebürtige Iranerin hat in Ungarn Pharmazie studiert und ihre Approbation erworben. Im August 2024 stand sie dann mit einer Initiativbewerbung in der Apotheke von Inhaberin Azar Azarniusch. „Meine Chefin hat ihr spontan zugesagt. Seitdem ziehen wir es gemeinsam durch“, so Metzler.

Das Apothekenteam ist im Anlernen ausländischer Fachkräfte geübt: Nejadyani ist die dritte Apothekerin, die sie durch die Prüfungsphase begleiten. Da ihre Chefin selbst aus dem Iran kommt, habe es sofort eine Verbindung gegeben, berichtet Metzler. „Dadurch, dass meine Chefin selbst einmal in einer ähnlichen Lage war, weiß sie ganz genau, wie wichtig Unterstützung zum Start ist“, erklärt sie. „Wir hoffen immer sehr, dass diejenigen sich bei uns wohlfühlen und auch bleiben, weil es immer schwieriger wird, Personal zu finden.“

Deutschkenntnisse gleich null

Die besondere Herausforderung: Die Apothekerin konnte kein Deutsch, als sie ihren ersten Arbeitstag antrat. „Sie sprach Persisch und Englisch“, erklärt Metzler. Sie betreibt einen eigenen Instagram-Kanal mit Apothekencontent. „Als sie mich beim Drehen in der Apotheke gesehen hat, zeigte sie mir, was sie auf Social Media macht.“ Als Metzler ihr anbot, auch selbst Content in der Apotheke zu drehen, „war sie total begeistert“.

Gesagt getan. Auf Instagram gewährt das Duo mittlerweile mit einer eigenen Videoreihe Einblicke, wie Nejadyani im laufenden Betrieb Deutsch lernt. Clips gibt es sowohl zur Einarbeitung in der Rezeptur als auch zur Beratung im HV. „Im Labor fängt es schon mit Begriffen wie Becherglas oder Fantaschale an. Das sind Fachwörter, die in einem normalen Sprachlernbuch nicht vorkommen“, erklärt Metzler. Aus diesem Grund durchläuft die iranische Apothekerin alle neuralgischen Punkte im Betrieb: Sie verbucht Ware, steht mit am HV und fertigt Rezepturen an. Überall gilt es, neue Wörter aufzuschnappen und durch Wiederholung zu verinnerlichen.

Win-Win-Situation

Das Filmen hat beim Sprachenlernen durchaus seine Vorteile. „Sie schaut sich die Videos, die wir am Tag gedreht haben, abends noch einmal zum Lernen an.“ Am Folgetag könne die Apothekerin dann gezielte Nachfragen stellen. „Und das ist etwas, das wir jedem empfehlen können“, betont Metzler. „Nutzt die Handys, lasst die Kamera laufen. Das ist eine Kleinigkeit, die mithelfen kann, die Sprache zu lernen.“

Gesprochen werde in der Apotheke grundsätzlich Deutsch: Nur, wenn die ausländische Kollegin etwas gar nicht versteht, wird auf Englisch nachgeholfen. „Dadurch lerne ich die Sprache auch ein bisschen besser. Das ist eine Win-Win-Situation für uns beide“, betont die PTA. Derartige Einblicke in den Apothekenalltag zu gewähren, findet sie wichtig. „Die Leute sehen nicht, was hinter den Kulissen abgeht. Für sie gibt es meist nur den Apotheker.“

Dass aufklärende Formate auf Social Media nicht nur von Apothekenteams konsumiert werden, findet die PTA im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die aktuelle Situation der Apotheken vor Ort wichtig. „Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir auch raus aus der Apotheken-Bubble.“ Deshalb plädiert Metzler dafür, dass sich mehr Menschen im Netz engagieren und Apothekenteams auch mal Schülerpraktikant:innen annehmen. „Ich weiß, das ist super anstrengend, aber nur so fördern wir unseren Nachwuchs. Wir müssen uns breit aufstellen und die Apothekenberufe bekannt machen.“

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