D3: Das Sonnenvitamin Nadine Tröbitscher, 29.11.2016 14:03 Uhr
Ohne Sonne kein Leben und ohne UVB-Strahlung kein Vitamin D3. Ein dauerhaft erniedrigter Spiegel des „Sonnenvitamins“ kann zu Erkrankungen wie Osteoporose, Depressionen und Infektionen führen. Aber wie viel muss eigentlich substituiert werden? Welche Rolle spielt das Vitamin tatsächlich für Muskeln und Nerven, das Immunsystem und für Herz und Kreislauf?
Vitamin D3 oder Colecalciferol ist kein Vitamin, das man mit der Nahrung zu sich nehmen muss. Es wird in der Haut gebildet, somit kann das größte menschliche Organ auch als Drüse bezeichnet werden. Nimmt man es chemisch ganz genau, ist Vitamin D3 gar kein Vitamin, sondern die Vorstufe eines Hormons: Colecalciferol zählt zu den Secosteroiden und wird über Zwischenstufen zum Hormon Calcitriol, der physiologisch aktiven Form des Vitamin D. In natürlicher Form kommt es vor allem in Fettfischen vor.
Besonders im Winter leiden etwa 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung unter einer Mangelversorgung. Liegt der Vitamin D-Wert unter 20 ng/ml, spricht man von einem Mangel – das Risiko für Erkrankungen steigt. Unterhalb von 30 ng/ml spricht man von einer nicht mehr optimalen Versorgung. Werte über 30 ng/ml sind „sonnige“ Werte und belegen einen optimalen Vitamin D-Spiegel. Laut Robert Koch Institut (RKI) erreichten 2014 etwa 60 Prozent der Bevölkerung den Wert nicht. Eine Intoxikation tritt bei bei einem Spiegel größer als 150 ng/ml auf.
Gute Zeiten für den Vitamin D-Spiegel stehen vor allem im Sommer an. Die Haut bildet den Stoff durch die UVB-Strahlung – jedoch nur, wenn kein Lichtschutzfaktor benutzt wird. Schon ab Verwendung eines Sonnenschutzmittels mit dem Faktor 8 sinkt die Produktion signifikant. Kleidung unterbindet ebenfalls die Produktion. Bei richtigem Winkel sollte man sich täglich zehn Minuten pro Körperseite nackt in die Sonne legen, um optimal versorgt zu sein.
Auch der Einfallswinkel der Sonne ist entscheidend: Je länger der Schatten, desto weniger Vitamin D entsteht in der Haut. Unter 45 Grad kann kein Vitamin D gebildet werden – zwischen Oktober und März steht bei Aufenthalt in Deutschland die Produktion also still.
Ein Bluttest kann zeigen, ob ein Mangel an Vitamin D3 vorliegt. Den Gang zum Arzt kann sich ersparen, wer in der Apotheke einen Selbsttest kauft. Zu Hause wird dann Blut aus der Fingerbeere entnommen und in ein Labor geschickt.
Hat zum Beispiel ein 68 kg schwerer Kunde einen Blutspiegel von 20 ng/ml, müssen täglich etwa 2600 I.E. Vitamin D über etwa drei bis sechs Monate zugeführt werden, um einen Zielwert von 40 ng/ml zu erreichen. Als Daumenregel kann man sagen, dass 1000 I.E. zu einer Erhöhung des Blutspiegels um 10 ng/ml bei etwa 70 kg Körpergewicht führen.
Gilt seit langer Zeit die Annahme, dass für Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 1000 I.E. genügt und eine höhere Gabe zu einer Intoxikation führt, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelrecht (EFSA) als unbedenkliche Obergrenze für Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 4000 I.E. festgelegt. US-Daten gehen von 1000 I.E. Vitamin D pro 15 kg Körpergewicht pro Tag aus.
Welche Funktionen hat Vitamin D im Körper? Die Wunderwaffe ist an vielen Prozessen beteiligt. Das Immunsystem beispielsweise kann bei gutem Vitamin D-Spiegel das Risiko für Erkältungskrankheiten und Infekte senken. Auch vor Allergien ist der Körper geschützt. Vitamin D moduliert das angeborene und erworbene Immunsystem, da Immunzellen Vitamin D-Rezeptoren besitzen. Die Bildung von Interleukinen funktioniert nur mit Vitamin D.
Das Vitamin unterstützt die Knochen in der Aufnahme von Calcium und Phosphat und sorgt somit für gesunde starken Knochen und wirkt einer Osteoporose entgegen. D3 hemmt die Bildung des Parathormons, das den Knochenabbau fördert. Eine hohe Knochendichte senkt das Frakturrisiko. Das Multitalent verbessert das Zusammenspiel zwischen Muskulatur und Nerven. Ist die Muskelkraft hoch, können Patienten von einem besseren Gleichgewicht und stärkerer Beinkraft profitieren, sodass weniger Stürze zu erwarten sind. Vor allem bei Osteoporose-Patienten über 70 Jahren wird D3 zur Sturzprophylaxe eingesetzt. Auch für das Herz-Kreislauf-System ist das Vitamin wichtig, so können der Blutdruck besser reguliert werden und das Risiko von Herzinfarkt oder Schlaganfall gesenkt werden.
Die Einnahme anderer Medikamente kann sich auf den Vitamin D-Spiegel auswirken. Antiepileptika sorgen für einen verstärkten Abbau des Stoffes, Glucocorticoide können zu einem Mangel führen. Gleichzeitig kann die Substitution auch Arzneimittelwirkungen verstärken oder Nebenwirkungen reduzieren: Biphosphonate (Alendronat) und Aromatasehemmer (Anastrazol) können Knochen- und Gelenkbeschwerden verursachen, die durch Vitamin D abgeschwächt werden. Statine (Simvastatin) verursachen muskuläre Beschwerden – Vitamin D3 verringert sie.
Im Handel erhältlich sind verschiedene Präparate, als Arznei- oder Nahrungsergänzungsmittel. Am bekanntesten sind Vigantoletten (Merck) mit einem Gehalt von 500 beziehungsweise 1000 I.E.; das Präparat wird als Arzneimittel angeboten. Außerdem gibt Vigantol als verschreibungspflichtige Tropfen und neuerdings das Nahrungsergänzungsmittel Vigantolvit als Kapseln mit 2000 I.E. für Patienten mit erhöhtem Bedarf.
Hevert hat gleich mehrere Produkte im Handel: ein Arzneimittel mit 1000 I.E. und Nahrungsergänzungsmittel zu 2000 I.E. und 4000 I.E. als Tablette. Gummidrops mit 1000 I.E. sind seit diesem Jahr erhältlich. Loges hat Kautabletten mit 5600 I.E. im Handel. Pure Encapsulations wartet im Tropfen auf, ein Tropfes des Vitamin D3 Liquid hat 1000 I.E.
Verschreibungspflichtig ist Dekristol (Mibe) mit 20.000 I.E., die Kapseln werden abhängig vom D3-Spiegel gegeben, üblicherweise einmal pro Woche. Dekristol ist auch in geringeren Dosierungen wie 500 I.E. oder 1000 I.E. erhältlich. Säuglinge erhalten 500 I.E. pro Tag, Mibe hat für den Wirkstoff Rabattverträge geschlossen.
Die Einnahme der Tabletten erfolgt einmal täglich vorzugsweise zum Frühstück oder mit einem Glas Milch. Etwas Fett ist notwendig, um das Vitamin gut aufnehmen zu können. Dekristol-Kapseln enthalten bereits Fett, daher ist die Einnahme zum Essen nicht zwingend. Säuglingen wird die Tablette mit Hilfe eines Löffelchens gegeben, auf dem das Medikament in einem Tropfen Muttermilch oder Milch aufgelöst wird.