NAC inaktiviert Penicilline Nadine Tröbitscher, 12.01.2017 13:57 Uhr
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Platz 55: Phenoxymethylpenicillin. Auch Penicillin V genannt, ist der Wirkstoff eines der ältesten Antibiotika überhaupt. Als erstes oral einzunehmendes Antibiotikum wurde das Beta-Lactam-Antibiotikum in den 1950er Jahren zu einem der wichtigsten Arzneimittel. Inzwischen bestehen jedoch viele Resistenzen gegen den Wirkstoff, weshalb er nur nach strenger Indikationsstellung verordnet werden soll. 2,2 Millionen Verordnungen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Erkältete Kollegen und Familienmitglieder oder hustende und niesende Fahrgäste in U- und S-Bahn sind aktuell keine Seltenheit. Nimmt man den Infekt nicht ernst, steckt man nicht nur andere an, sondern geht auch das Risiko für bakterielle Infektionen ein. Entwickelt sich zum Beispiel eine Bronchitis mit verfärbtem Auswurf, muss ein Antibiotikum eingenommen werden. Sind Penicilline verordnet, ist auf eine Wechselwirkung mit N-Acetylcystein (NAC) zu achten.
Fall: Ein Kunde möchte ein Rezept über ein Antibiotikum einlösen. Er leidet unter einer schweren Erkältung mit verschleimtem Husten. Zusätzlich möchte er etwas zum Lösen kaufen. Bewährt hätten sich Brausetabletten mit NAC, die nehme er immer und sei damit sehr zufrieden.
Den Infekt habe er zu spät ernst genommen und ihn nicht auskuriert. Alles begann mit Halskratzen, laufender Nase und Kopf- und Gliederschmerzen. Ein Kombinationsmittel habe ihm dabei geholfen, die Arbeitstage zu überstehen. Der Husten wurde in den letzten Tagen unerträglich, als der Schleim sich dann gelblich verfärbte, habe er sich für den Arztbesuch entschieden. Der Kunde beschreibt ein Wund- und Druckgefühl im Brustkorb, einen quälenden Husten und ein leichtes Rasseln beim Atmen.
Der Arzt hat nun ein Penicillin verordnet, da es sich um eine Bronchitis handele. Aus der anfänglich von einem Virus verursachten Erkältung ist eine bakterielle Infektion der unteren Atemwege geworden. Nun heißt es Ausruhen.
Analyse: Das verordnete Penicillin V kann bei Infektionen der tiefen Atemwege – einer Bronchitis – eingesetzt werden. Das Antibiotikum ist gegen grampositive Erreger wie Pneumokokken wirksam. Phenoxymethylpenicillin ist ein säurestabiles Beta-Laktam-Antibiotikum, das Beta-Laktamase-labil ist, und hemmt die bakterielle Zellwandsynthese. In der Wachstumsphase werden Penicillin-bindende-Proteine (PBP) blockiert und die bakterizide Wirkung verursacht.
Beta-Lactam-Antibiotika binden mit mittlerer bis hoher Affinität an PBP und blockieren deren aktives Zentrum. PBP sind an der Synthese der bakteriellen Zellwand beteiligt. Ohne Zellwandsynthese können sich die Mikroorganismen nicht vermehren.
NAC soll das Abhusten erleichtern und den Schleim verflüssigen. Der Wirkstoff soll die Viskosität herabsetzen, indem er die Disulfidbrücken zwischen den Mucopolysaccharid-Fasern sprengt. Ebenso wird eine entzündungshemmende Wirkung aufgrund der reaktiven Thiol-Gruppe diskutiert. Freie Radikale sollen unschädlich gemacht werden.
NAC ist ein Derivat der Aminosäure Cystein, die zur Bildung von Glutathion benötigt wird und Entgiftungsprozesse in Gang setzt. Vor allem für den Abbau des Paracetamol-Metaboliten NAPQI spielt Glutathion eine wichtige Rolle. NAC wird daher bei Vergiftungen mit dem schmerz- und fiebersenkendem Paracetamol eingesetzt.
PBP und Cystein besitzen beide eine Thiolgruppe. Daher können Beta-Lactame mit beiden Stoffen reagieren. Der Hustenlöser inaktiviert das Antibiotikum, da er den Beta-Lactam-Ring des Antibiotikums schon im Magen öffnet und das Penicillin in die inaktive Form Penicilloinsäure überführt wird. Beta-Laktame besitzen eine hohe Reaktivität gegenüber Thiolen.
Kommunikation: Prinzipiell ist die Einnahme beider Präparate in Kombination möglich. Aus Sicherheitsgründen sollte die Einnahme der beiden Arzneimittel in einem zeitlichen Abstand von zwei Stunden erfolgen. Alternativ kann auf andere Hustenlöser wie Ambroxol ausgewichen werden.
Therapie: Das Antibiotikum sollte drei- bis viermal täglich im Abstand von sechs beziehungsweise acht Stunden eingenommen werden. Um eine bestmögliche Resorption zu erreichen, sollte die Einnahme eine Stunde vor einer Mahlzeit erfolgen. Die Tabletten sollten nicht zerkaut und mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden. Die Therapiedauer richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und kann in der Regel sieben bis zehn Tage betragen.
Häufige unerwünschte Wirkungen können Durchfall, Magendrücken oder Hautausschläge sein. Auch Penicillin-Allergien werden häufig beschrieben.
Der Schleimlöser ist als Brausetablette in den Stärken 200 und 600 mg erhältlich. Da NAC eine kurze Halbwertszeit besitzt, ist eine mehrmals tägliche Einnahme zu empfehlen. Geeignet dafür sind die Tabletten zu 200 mg; soll die Einnahme nur einmal täglich erfolgen, greift man zur Variante mit 600 mg. Die höhere Dosierung kann auch auf zwei Gaben verteilt werden. Kunden lösen morgens und mittags je eine halbe Tablette auf.
Die Brausetabletten werden in Wasser aufgelöst und die Flüssigkeit nach dem Essen getrunken. Eine Einnahme nach etwa 18 Uhr ist nicht zu empfehlen, da nächtlicher Husten aufgrund der schleimlösenden Wirkung den Schlaf stören kann.
Zusätzlich können Erkältungssalben auf Brust und Rücken aufgetragen werden, die eine inhalative, wärmende und entspannende Wirkung haben können. Hustengeplagte sollten ebenfalls ausreichend trinken, geeignet sind zum Beispiel Tees mit Thymian oder Salbei und Holunder. Weitere Hausmittel wie Brustwickel können den drückenden Schmerz im Brustbereich lindern.
Darmbakterien können Antibiotika-assoziierte Durchfälle mildern. Dazu wird einmal täglich ein entsprechendes Präparat eingenommen. Wichtig ist, auf eine zum Antibiotikum zeitlich versetzte Anwendung von etwa zwei bis drei Stunden zu achten. Die Anwendung von Saccharomyces boulardii hat sich ebenso gegen die Durchfälle bewährt.