Nicht nur Abstand, Hygiene und Atemschutz helfen zur Bezwingung der Covid-19-Pandemie, sondern auch Prophylaxe – und ist der Ernstfall eingetreten, die Verringerung der Viruslast. Neuere Studien zeigen dabei die Wirksamkeit von Mundspülungen. Wieder andere Studien haben in der jüngeren Vergangenheit die Rolle aufgezeigt, die der Nase als Einfallstor für Viren zukommt. Die drei Münchner Apotheker Dr. Berthold Pohl, Dr. Florian Matl und Christian Fleischhammel haben das nun zu Ende gedacht und eine antiinfektive Nasenspülung entwickelt, die effektiv gegen Sars-CoV-2 ist – und nicht nur dagegen.
Den Anstoß zum neuen Produkt haben sich die drei Pharmazeuten quasi von höchster Stelle geben lassen: „Auf die Idee hat uns Dr. Christian Drosten gebracht, als er in seinem Podcast vom Nutzen von Mundspülungen gegen Sars-CoV-2 sprach“, erklärt Pohl. „Da kamen wir auf den Gedanken, auch die Nase als Einfallstor für Viren zu behandeln, denn das ist bisher unterbelichtet.“
Der Gedanke war keine fixe Idee, sondern basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen: So kam eine im Fachmagazin „Cell“ publizierte Studie der University of North Carolina im Juli zu dem Ergebnis, dass Sars-CoV-2-Viren besonders gut die Zellen der Nasenschleimhaut infizieren können und sich dann von dort ihren Weg in die unteren Atemwege bahnen. Bei der Quantifizierung des Eintrittsrezeptors ACE2 in der Nasen-, Rachen- und Bronchialschleimhaut stellten die Forscher fest, dass dessen Menge von den oberen zu den unteren Atemwegen abnimmt. Sars-CoV-2 kann demnach vor allem die Zellen der oberen Atemwege besser befallen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Virus in den meisten Fällen die Nasenschleimhaut befällt und dann von dort über Körperflüssigkeiten in die tieferen Atemwege transportiert wird.
An der Nase statt am Mund anzufangen, ergibt demnach Sinn. „Also haben wir recherchiert, welche antiinfektiven Nasenspülungen es bereits gibt, die behüllte Viren inaktivieren können – aber zu unserer eigenen Überraschung haben wir keine gefunden. Es scheint keine zu geben“, sagt Pohl. Also stellten er, Matl und Fleischhammel sich ins Labor von Pohls Max-Weber-Platz-Apotheke in München und begannen mit der Entwicklung.
Dazu experimentierten sie mit verschiedenen antiinfektiven Wirkstoffen, die bereits in Mundspülungen zum Einsatz kommen, darunter Chlorhexidindigluconat, Cetylpyridiniumchlorid und Octenidindihydrochlorid. „Die Galenik im Apothekenlabor war eine Herausforderung, aber es hat letztlich gut geklappt“, erzählt Pohl. „Wir mussten geeignete Lösungsmittel finden und auch das Granulieren war nicht leicht. Wir haben das als Team gemacht, in das jeder seine Skills eingebracht hat. Nur dadurch war es ein Erfolg.“
Galenisch gut umsetzbar seien alle drei Wirkstoffe gewesen, die größte Wirksamkeit erwarten sie aber Octenidindihydrochlorid – auch hier kamen Studien in den vergangenen Monaten zum Ergebnis, dass der Wirkstoff im Rachenraum angewendet besonders effektiv gegen Sars-CoV-2 ist. Damit stand fest, was in die Nasenspülung kommt.
Die soll nun möglichst vielen Menschen helfen. Doch Pohl warnt auch vor falschen Erwartungen. „Es ist kein Wundermittel, man kann damit keine bestehende Covid-19-Erkrankung heilen“, sagt er. „Was man aber kann, ist, zum einen prophylaktisch arbeiten, wenn der Kontakt zu einem Infizierten nicht lange her ist. Denn indem man die Viruslast senkt, verringert man die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem Kontakt eine Erkrankung wird. Zum anderen kann auch bei einer vorliegenden Infektion die Viruslast gesenkt werden.“
Auch hier kann Pohl wieder auf den aktuellen Stand der Wissenschaft verweisen, die in den zurückliegenden Monaten in mehreren Studien herausgearbeitet hat, welche große Rolle die initiale Viruslast bei Infektion und späterem Krankheitsverlauf hat: Je mehr Sars-CoV-2-Viren ein Patient beim Erstkontakt aufnimmt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs.
Pohl sieht die Anwendungsfelder aber auch ganz praktisch: „Stellen Sie sich vor, Sie sind irgendwo essen, der Raum ist klein und schlecht belüftet. Danach haben Sie ein ungutes Gefühl – also können Sie prophylaktisch die Nase durchspülen. Oder Sie sind irgendwo zu Besuch und wollen niemandem etwas einschleppen. Dann können Sie durch eine prophylaktische Nasenspülung die Wahrscheinlichkeit verringern, ansteckend zu sein.“
Doch Pohl sieht auch Anwendungsfelder weit über die aktuelle Pandemie hinaus. „Nicht nur Corona-, sondern auch Influenzaviren sind behüllt und werden davon inaktiviert“, sagt er. „Außerdem ist die Anwendung auch bei anderen Infekten sinnvoll, kann bei Mukoviszidose helfen oder für immunsupprimierte Patienten sinnvoll sein. Auch diese Märkte wollen wir bedienen.“
Die Spülung soll sowohl in hochdosierten Einzelwirkstofflösungen als auch als Granulat zu deren Herstellung kommen. Beides könne dann auch in Mehrdosenpackungen verkauft werden. Wann es so weit sein wird, kann Pohl noch nicht sagen – kommende Wochen haben die drei Kollegen ein erstes Gespräch mit einem Hersteller, der ernsthaftes Interesse zeigt. Einen Markennamen gibt es noch nicht – auf dem Patentamt waren die drei allerdings schon und auch eine Sonderzulassung als Medizinprodukt haben sie bereits beantragt.
„Eigentlich hätten wir damit ein paar Monate eher auf den Markt kommen sollen“, sagt Pohl. Dennoch ist die Nasenspülung bereits jetzt eine Erfolgsgeschichte – zumindest aus Sicht des Berufsstandes. „Der Apotheker kann mehr als ihm gemeinhin zugetraut wird, das zeigen wir damit einmal mehr. Jeder sollte schauen, welchen Beitrag er dazu leisten kann, die aktuelle Krise schneller zu beenden.“
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