Mehr als nur Plausibilität – Kinder in der Rezeptur Alexandra Negt, 13.09.2021 17:12 Uhr
Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene – diesen Satz hat sicherlich jede/r in der Apotheke schon einmal gehört. Neben der Auswahl des richtigen Arzneistoffes bergen pädiatrische Rezepturen noch weitere Hürden. Welche Darreichungsform ist die richtige? Und welchen Geschmack akzeptiert der kleine Patient? Und was finde ich im NRF zu meiner angeforderten Rezeptur? Um diese Fragen ging es auch beim diesjährigen Westfälisch-Lippischen Apothekertag (WLAT) am Wochenende.
„Kinder brauchen maßgeschneiderte Arzneimittel“, so Dr. Stefanie Mehlhorn, Apothekerin und Mitarbeiterin beim NRF, in ihrem Beitrag „Pädiatrische Darreichungsformen“. „Die meisten Fertigarzneimittel sind für die Zielgruppe Erwachsene ausgerichtet. Viele Zulassungen sind für Erwachsene – vielleicht noch Jugendliche, manche vielleicht auch noch für Schulkinder, aber alles darunter ist schwierig.“ Schwierig wird es auch für die Apotheker:innen und PTA – gut, wenn standardisierte Rezepturen zugänglich sind.
Zu den häufigsten Applikationswegen in der Pädiatrie gehört der perorale Weg, sprich Kapseln, Säfte, Suspensionen & Co. Rektale und dermale Anwendungsformen kommen seltener vor, obwohl diese Darreichungsformen zahlreiche Vorteile bieten können. „Drei Applikationsrouten sind unkritisch in der Pädiatrie: dermal, rektal und parenteral. Hier gilt: Je jünger das Kind, desto eher werden die Gaben akzeptiert.“ Unglücklicherweise liegt vor allem in der peroralen Anwendung ein höheres Risiko. Knapp über die Hälfte aller peroralen Kinderarzneimittel sind flüssig, rund 38 Prozent entfallen auf Kapseln. Pulver stellen nur noch einen Anteil von 6 Prozent.
„Um das Risiko zu verringern, versucht das NRF, immer mehr pädiatrische Rezepturen zu standardisieren“, so Mehlhorn. Seit einigen Jahren stehen hier vor allen die flüssigen Zubereitungen im Fokus. Durch fertige Suspensionsgrundlagen und immer detailliertere Kompatibilitätstabellen seitens des NRF oder der Hersteller wird den Apotheken die Herstellung stark erleichtert. Gleichzeitig sind Abweichungen vom Gehalt bei Suspensionen geringer als bei der Kapselherstellung. Suspensionen können direkt aus dem Primärgefäß entnommen und dem Kind verabreicht werden. Kapseln müssen in den meisten Fällen geöffnet und untergerührt werden. Bei diesem zusätzlichen Arbeitsschritt kann weiterer Wirkstoff verloren gehen.
„Viele Suspensionen und Lösungen haben wir dabei in Zusammenarbeit mit Klinikapothekern entwickelt“, berichtet Mehlhorn, die von der Zusammenarbeit und den daraus resultierenden Synergien überzeugt ist. Denn durch die Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (Adka) konnten unter anderem die Wirkstoffe, die am häufigsten innerhalb der Pädiatrie verordnet werden, bestimmt werden. Zu den Top 10 gehören vor allem Mittel, die bei Herzfehlern angewendet werden können. Darunter befinden sich Propanolol-HCl, Spironolacton, Sildenanfilcitrat, HCT und Analaprilmaleat.
Fertigarzneimittel – Grenzen der Standardisierung
„Wir können bei einigen der Top-10-Wirkstoffe keine NRF-Rezeptur erstellen, da wir uns immer auf die Reinsubstanz beziehen müssen“, berichtet Mehlhorn. Konkret geht es um die Wirkstoffe Flecainid, Acetazolamid und Amlodipinbesilat. Bei diesen Stoffen erfolgt die Rezepturherstellung bislang ohne Standardisierung aus Fertigarzneimitteln. Bis vor kurzem gehörte auch Enalaprilmaleat zu den Stoffen, die nicht als Rezeptursubstanz bezogen werden konnten. Seit einiger Zeit kann nun auch der ACE-Hemmer als Reinsubstanz bezogen werden. Zuletzt veröffentlichte das NRF eine verbesserte Identitätsprüfung für den Stoff.
Galenische Konzepte in der Pädiatrie weichen ab
Wie bei jeder Rezeptur müssen auch Kinder-Rezepturen auf Plausibilität geprüft werden. Neben der Dosierung und einem angepassten Einnahmeschema geht es dann aber vor allem und den Geschmack, das einzunehmende Volumen und um Hilfsstoffe. Denn ein unangenehmer Geschmack kann dazu führen, dass Kinder die Einnahme ablehnen oder Teile von Liquida wieder ausspucken, sodass eine Unterdosierung erfolgt. Vor allem Antibiotika sind bekannt für ihren bitteren Geschmack. Hersteller wie Caelo oder Fagron stellen Geschmackskorrigenzien zur Verfügung.
Auch das Volumen, welches pro Einnahme verabreicht werden muss, sollte berücksichtigt werden. Denn je kleiner Das Kind, desto kleiner sollte das Volumen sein. Doch eine Volumenreduktion kann auch auf Kosten der Dosierungsgenauigkeit gehen. Dies kann zum einen bei der Herstellung der Fall sein, zum anderen können auch Eltern kleinere Volumina weniger gut dosieren. Hier muss bei der Abgabe vor allem auf eine geeignete Skalierung der Spritze geachtet werden.
Bei Kindern kann es nicht nur bei der Wahl des Wirkstoffes zu Problemen kommen, sondern auch bei der Wahl der Hilfsstoffe. Im Fokus stehen hier die Konservierungsstoffe. Folgende Stoffe sollten bei oral einzunehmenden Rezepturen bei Kindern unter zwei Jahren nicht eingesetzt werden: Natriumbenzoat, Benzoesäure und Benzylalkohol.