Apotheker schützt PTA vor Abschiebung Maria Hendrischke, 03.09.2016 09:00 Uhr
Die PTA Karmen Nazaryan und ihre Familie sollten nach Armenien abgeschoben werden. Die PTA der Rats-Apotheke Magdeburg hat keine Chance darauf, als Härtefall bleiben zu dürfen. Doch es gibt für Nazaryan einen anderen Weg, da sich ihr Chef, Apothekeninhaber Andreas Haese, voll hinter sie gestellt hat.
Die Härtefallkommission Sachsen-Anhalt hat den Fall der PTA am 1. September erneut beraten. „Ich musste meinen Antrag vor der Kommission zurückziehen“, berichtet Antje Arndt, Mitglied der Kommission und des Flüchtlingsrats Sachsen-Anhalt. Der Grund: „Diesem Weg zu einem Aufenthalt standen rechtliche Ausschlussgründe entgegen.“
Das hängt mit der Fluchtgeschichte der Familie zusammen. Nazaryans Eltern sind mit ihren beiden damals noch nicht volljährigen Kindern aus Armenien, wo die Familie bedroht wurde, nach Deutschland geflohen. Die Eltern stammen gebürtig aus dem Iran. Vor der Einreise nach Deutschland wurde ihnen geraten, nicht anzugeben, dass sie in Armenien lebten – denn der Staat gilt als sicheres Herkunftsland. Flüchtlinge aus dem Iran haben dagegen im Vergleich bessere Chancen auf Asyl. Die Eltern gaben daher ihr Geburtsland als Herkunft an.
Erst im vergangenen Jahr wurde die Falschangabe von den Behörden aufgedeckt. Daraufhin sollte die gesamte Familie abgeschoben werden. Die Eltern – und auch Nazaryan und ihr Bruder – wären verpflichtet gewesen, die Behörden selbst über die Täuschung zu informieren. Eine „beharrliche Täuschung über aufenthaltsrechtlich bedeutsame Umstände“ ist ein Ausschlussgrund für ein Bleiberecht über eine Härtefallentscheidung.
Doch im Fall der PTA hat sich eine andere Möglichkeit aufgetan. „Frau Nazaryan ist durch ihre Arbeit in der Apotheke sehr gut integriert“, sagt Arndt. Nach einer freiwilligen Ausreise nach Armenien könnte Nazaryan im Anschluss an eine Sperrfrist von drei Monaten wieder nach Deutschland einreisen: mit einem Arbeitsvisum.
Bei diesem Weg unterstützt sie ihr Chef, Apotheker Haese, der die Rats-Apotheke Magdeburg führt. Dort arbeitet die PTA seit 2013. „Ich musste der Arbeitsagentur erklären, warum ich Frau Nazaryan unbedingt im Team behalten möchte“, sagt er. Zu den Gründen zähle, dass Nazaryan bereits gut in der Apotheke eingearbeitet sei. Ihre zusätzliche Ausbildung im Pflegebereich sei hilfreich bei der Beratung älterer Kunden. Ihre Sprachkenntnisse seien ebenfalls von Vorteil.
Da Nazaryans Stelle theoretisch von einem PTA aus Deutschland besetzt werden könnte, ist diese Begründung eine Voraussetzung für das Arbeitsvisum. Als Nicht-EU-Bürgerin muss Nazaryan außerdem nachweisen, dass sie in Deutschland keine Sozialleistungen beziehen wird, sondern ihren Lebensunterhalt mit einem Job bestreiten kann. Dafür ist sie auf das feste Stellenangebot von Haese angewiesen. „Der Weg über ein Arbeitsvisum ist für Frau Nazaryan nur möglich, weil ihr Arbeitgeber komplett dahinter steht. Der Apotheker war das Zünglein an der Waage“, betont Arndt.
Haese hat Nazaryan zur Arbeitsagentur begleitet, als sie schriftlich der freiwilligen Ausreise zustimmte. Wann genau Nazaryan ausreisen wird, hängt davon ab, wann ihre Reisedokumente fertig werden. In Armenien wird die PTA dann in der deutschen Botschaft das Arbeitsvisum beantragen. Haese muss in der Sperrfrist ohne seine Mitarbeiterin auskommen. „Natürlich würden wir uns alle wünschen, dass es ohne dieses Prozedere ginge, dass sie einfach hier einen Stempel in ihrem Pass bekommen könnte“, sagt Haese. Für Nazaryan sei die Aus- und Einreise zudem mit hohen Kosten verbunden. Eine Restunsicherheit bleibe darüber hinaus auch mit einem Arbeitsvisum bestehen.
Haese stellte sich von Beginn an hinter seine Angestellte. Das Team der Rats-Apotheke sei geschockt gewesen, als es am 26. Mai von der geplanten Abschiebung der Familie Nazaryan erfahren habe, berichtet er. Die Abschiebung wurde im letzten Moment wegen gesundheitlicher Probleme des Vaters unterbrochen.
Nazaryans Eltern wurden vom Amtsarzt im Moment weiterhin als nicht transportfähig eingestuft. Die ärztlichen Untersuchungen werden jedoch regelmäßig wiederholt. Auch die Perspektive des Bruders und seiner Familie sei ungeklärt, sagt Haese. „Das belastet Frau Nazaryan. Aber sie ist froh, eine Chance zum Bleiben zu haben. Im schlimmsten Fall will sie ihre Familie aus Deutschland unterstützen.“