Ist es ein Notfall, wenn ein Patient nicht daran gedacht hat, sich rechtzeitig ein neues Rezept zu besorgen? Oder ist die Apotheke in der Pflicht, sich in den rechtlichen Graubereich zu begeben, wenn der Arzt nicht zu erreichen ist? Laut Bundesgerichtshof (BGH) kennt die Rezeptpflicht keine Ausnahmen. Im LABOR von APOTHEKE ADHOC wurde diskutiert, wie mit solchen Anfragen umzugehen ist. Herausgekommen ist ein Kundenflyer, der nach Anmeldung hier zum Download bereit steht.
In der Schweiz wird durch die Gesetzgebung eine solche Situation weit problemloser gehandhabt als hierzulande: Der Apotheker hat dort die Befugnis, nach eigenem Ermessen zu handeln, wenn ihm der Patient sowie dessen übliche Medikation bekannt sind. In Deutschland verbietet das Arzneimittelgesetz (AMG) ein solches Vorgehen.
Laut § 48 dürfen Arzneimittel „nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden“. § 98 sieht sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung vor.
In den vergangenen Jahren wurden solche Fälle auch immer wieder vor Gericht verhandelt, das Strafmaß war zum Teil beträchtlich – auch Berufsverbote wurden ausgesprochen. Wer also meint, es sei gesetzlich halbwegs vertretbar, zum Beispiel aus einer Dreimonatspackung der Antibabypille einen Blister vorab abzugeben und den Rest nach Bezahlung so lange einzubehalten, bis das Rezept vorliegt, der irrt sich.
Den meisten Apothekern ist wohl bewusst, dass sie ihre Approbation aufs Spiel setzen und eine saftige Strafe riskieren. Den Patienten allerdings nicht. Um die Situation zu entschärfen, bieten sich verschiedene Vorgehensweisen an. Zunächst einmal sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, einen Arzt zu erreichen, der das begehrte Rezept ausstellen könnte. Sind Haus- oder Frauenarzt im Urlaub, so gibt es meistens eine Vertretung, die man schon einmal vorab telefonisch erreichen kann.
Die Apotheke schildert das Problem also fernmündlich, klärt mit der Praxis ab, dass es sich um eine Dauermedikation handelt, und kann somit dem Kunden deutlich machen, dass sie sich für seine Belange einsetzt.
Kommt der Patient am Wochenende oder nach der Öffnungszeit des betreffenden Arztes, so bietet sich ein Anruf in einer Praxis in der Nähe oder beim ärztlichen Bereitschaftsdienst an, der in ganz Deutschland unter der Telefonnummer 116117 erreichbar ist.
Nutzt jedoch jegliche Bemühung nichts, weil sich der Kunde uneinsichtig zeigt, nicht zu einem anderen Arzt gehen möchte oder nicht versteht, wo genau das Problem liegt, so kann es manchmal auch zielführend sein ihm den Rechtsverstoß schwarz auf weiß zu präsentieren. Wir haben hier für diesen Zweck ein entsprechendes PDF erstellt, das ausgedruckt für die „schweren Fälle“ bereitgehalten werden kann.
Lieber Kunde,
die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikamentes ohne vorliegende ärztliche Verschreibung stellt einen Straftatbestand nach §48 Arzneimittelgesetz dar.
Ein solches Vergehen kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden, selbst wenn dem Apotheker der Patient und dessen Medikation bekannt ist. Ebenso kann auch ein Berufsverbot gegen den verantwortlichen Apotheker ausgesprochen werden.
Bitte verstehen Sie daher, dass wir Ihrem Wunsch nicht nachkommen können.
Selbst die Abgabe einer einzigen Tablette kann hohe Strafen nach sich ziehen. Wir unterstützen Sie gerne dabei, einen Arzt zu kontaktieren, der Ihnen ein gültiges Rezept aushändigen kann.
Vielen Dank für Ihr Verständnis
Ihre Apotheke
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