Justieren, eichen, kalibrieren: Wiegen in der Rezeptur Dr. Kerstin Neumann, 01.12.2015 11:46 Uhr
Es könnte so einfach sein: Waage einschalten, einwiegen, ausschalten, fertig. Leider gehört bei der Herstellung von Arzneimitteln noch mehr dazu. Besonders bei kleinen Mengen oder starken Wirkstoffen muss sehr genau gearbeitet werden. Wer zu Beginn einer Rezeptur einen Fehler bei der Einwaage macht, wird diesen nicht mehr ausgleichen können. Grund genug, sich die wichtigsten Arbeitsschritte rund um das Wiegen genau einzuprägen.
In der Apotheke sind in der Regel Waagen mit unterschiedlicher Genauigkeit zu finden: Mit der Präzisionswaage werden Mengen zwischen einem und 1000 Gramm bestimmt. Die Einwaage kann in der Regel bis auf 100 Milligramm genau durchgeführt werden. Die Fein- oder Analysenwaage ist präziser: Hier liegt der relevante Bereich zwischen 0,01 und 100 Gramm mit einer Genauigkeit bis zu einem oder sogar 0,1 Milligramm. Die heute gebräuchlichen Geräte werden elektronisch betrieben. Hand- oder mechanische Waagen sind nur noch selten im Gebrauch.
Vor Beginn jeder Rezeptur wird die Waage auf ihre Präzision geprüft. Am besten schaltet man das Gerät etwa 30 Minuten vor Gebrauch an, um ein sogenanntes „Driften“ zu vermeiden. Gerade die Feinwaagen sind sehr empfindlich: Schon kleinere Temperaturschwankungen oder ein Verrutschen des Gerätes können die Genauigkeit deutlich beeinflussen. Bei kleinen Einwaagen von wenigen Milligramm ist das besonders bedeutsam: Schon kleine Ungenauigkeiten können die Rezeptur verfälschen.
Waagen sollten einen festen Platz in Rezeptur oder Labor haben und so wenig wie möglich bewegt werden. Wenn sie für eine Rezeptur viel verwendet werden müssen, stellt man die Rezeptur am besten in unmittelbarer Nähe der Geräte her. Transportwege – besonders von Pulvern – rufen Substanzverluste hervor. Ein Abdecken der Gefäße ist daher Pflicht! Außerdem muss darauf geachtet werden, dass das Wägegut möglichst vollständig in das Rezepturgefäß umgefüllt wird. Das ist bei Flüssigkeiten und Pulvern einfacher als bei Cremes, bei denen fast immer ein kleiner Rückstand in den Gefäßen bleibt. Da macht es Sinn, direkt in das Rezepturgefäß einzuwiegen.
Grundsätzliche sollte jede Waage einmal am Tag kalibriert, also auf ihre Genauigkeit geprüft werden. Dafür wird ein Referenzgewicht eingesetzt. Weicht der Wert auf der Anzeige vom tatsächlichen Gewicht der Referenz ab, muss die Waage neu justiert werden.
Unter Justierung versteht man das genaue Einstellen der Waage. Sie muss gerade stehen und darf keinen größeren Temperaturschwankungen ausgesetzt sein. Mechanische Waagen besitzen eine sogenannte Libelle, ein kleines Sichtfenster mit Flüssigkeit, in der eine Luftblase zu sehen ist. Die Waage muss so ausgerichtet werden, dass die Luftblase sich in der Mitte befindet. Mit Referenzgewichten wird anschließend die Anzeige überprüft. Elektronische Geräte sind heutzutage mit einem Programm zur internen Justierung ausgestattet: Ein Knopfdruck genügt für den täglichen Test.
In Deutschland wird die Genauigkeit von Waagen sogar amtlich überprüft. Das Eichgesetz sieht vor, dass alle zwei Jahre ein amtlich bestellter Prüfer die Geräte in der Apotheke eicht. Dabei wird getestet, ob die Waage innerhalb der Messgrenzen wirklich genau misst. Besteht das Gerät die Eichung, wird ein Eichsiegel angebracht, welches die Funktionstüchtigkeit dokumentiert.