Impfen von Kindern: Nutzen und Nebenwirkungen Alexandra Negt, 25.11.2021 14:24 Uhr
Die mRNA-Impfstoffe Comirnaty (Biontech) und Spikevax (Moderna) sind beide für Immunisierungen ab 12 Jahren zugelassen. Die Zulassung von Comirnaty ab 5 Jahre könnte bald folgen, die EMA hat grünes Licht gegeben. Dabei sind sich viele Eltern noch unsicher, ob sie ihre Kinder impfen lassen sollten. Andere ziehen die Off-Label-Impfung in Erwägung, da sie nicht bis zur Verfügbarkeit des Kinder-Impfstoffes warten wollen. Biontech liefert aktualisierte Daten zur Sicherheit von Comirnaty bei den ab 12-Jährigen.
Am 19. August hat die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Covid-19-Impfempfehlungen aktualisiert und die Schutzimpfung mit einem mRNA-Impfstoff für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren empfohlen. Durch die Änderung können nicht nur Jugendliche ab 16 Jahren, sondern alle Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren gegen Corona geimpft werden.
Laut RKI sind aktuell 45,5 Prozent der 12- bis 17-Jährigen vollständig immunisiert (Stand 25. November).
Doch kein Spikevax für Kinder
Beide mRNA-Impfstoffe können laut Fachinformation ab 12 Jahren eingesetzt werden. Ende Juli hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Erweiterung der Zulassung der Impfung von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren mit Spikevax (Moderna) empfohlen. Durch neuere Erkenntnisse bezüglich seltener schwerwiegender Nebenwirkungen soll Spikevax nur noch für Personen über 30 Jahren angewendet werden. Seit dem 18. November steht also für die 12- bis 16-Jährigen nur noch ein Impfstoff zur Verfügung.
Risiko Myokarditis: Spikevax soll nicht mehr unter 30 Jahren verimpft werden, da aktuelle Daten darauf hinweisen, dass das Risiko für Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditits und Perikarditis) nach der Impfung mit Spikevax bei Personen unter 30 Jahren höher ist als nach der Impfung mit Comirnaty.
Auch neue Daten für Comirnaty
Biontech teilt mit, dass es keine schwerwiegenden Sicherheitsbedenken bei der Impfung von 12- bis 15-Jährigen mit Comirnaty gibt. Eine weitere Datenanalyse der Phase-III-Studie für den mRNA-Impfstoff hatte darüber hinaus ergeben, dass das Vakzin in dieser Altersgruppe eine Wirksamkeit von 100 Prozent gegen Covid-19 aufweist.
Die fortlaufenden Auswertungen der zulassungsrelevanten klinischen Phase-III-Studie wurden seitens der FDA gefordert. Die Sicherheit und Wirksamkeit des Vakzins sollen zu unterschiedlichen Zeitpunkten bewertet werden, um später Teil des Antrages für die komplette Zulassung zu sein. Denn sowohl in Amerika, als auch in Europa ist Comirnaty per Notfallzulassung oder bedingter Marktzulassung am Markt.
Ergebnis der Analyse: Von den 2228 Proband:innen erkrankte keiner in den folgenden vier Monaten nach der Zweitimpfung. Comirnaty bot einen 100-prozentigen Schutz.
Von November 2020 bis September 2021 wurden die Daten analysiert. „Dies sind die ersten veröffentlichten Daten für einen längeren Zeitraum, die die Sicherheit und Wirksamkeit eines COVID-19-Impfstoffs bei Personen im Alter von 12 bis 15 Jahren demonstrieren […]. Die stetig wachsende Menge an Daten, die wir mittels klinischer Studien und durch die praktische Anwendung des Impfstoffs erhoben haben, bestätigen die hohe Wirksamkeit sowie das vorteilhafte Sicherheitsprofil unseres Covid-19-Impfstoffs bei Jugendlichen und Erwachsenen“, so CEO und Mitgründer von Biontech Professor Dr. Ugur Sahin.
Impfreaktionen bei Jugendlichen
Im aktuellen Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI) zu den Corona-Impfstoffen sind 1809 gemeldete Verdachtsfällen einer Nebenwirkung bei Kindern und Jugendlichen seit Beginn der pandemischen Impfung am 27. Dezember 2020 aufgelistet. In 22,4 Prozent der Fälle (405) handelte es sich um schwerwiegende Impfreaktionen. Zwar wurde nur in 26 Fällen Spikevax verimpft, bezogen auf die extrapolierten Impfdosen zeigt der mRNA-Impfstoff von Moderna dennoch das schlechtere Nebenwirkungsprofil: Bereinigt belaufen sich die Verdachtsfallmeldungen bei Comirnaty auf 0,51 auf 1000 Impfungen und bei Spikevax auf 0,85 Verdachtsfallmeldungen auf 1000 Impfdosen.
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen ähneln denen bei Erwachsenen. So klagen auch Kinder und Jugendliche häufig über Schmerzen und Reaktionen an der Einstichstelle und entwickeln nach der Injektion Kopfschmerzen und Müdigkeit. Auch Fieber kann vorkommen. Alle diese Dinge zählen zu den normalen Impfreaktionen. Das Immusystem reagiert auf das injizierte Antigen.
Auch sehr schwerwiegende Nebenwirkungen traten auf. So verstorben fünf Impflinge im zeitlichen Zusammenhang nach der Impfung mit COmirnaty (bis zu 24 Tage nach der Injektion). Vier der fünf Betroffenen waren männlich. Drei von ihnen hatten zahlreiche Vorerkrankungen und starben an einem Multiorganversagen und einem septischen Schock. Zu dem vierten Fall liegen zu wenige Informationen vor. Der tatsächliche Zusammenhang zwischen Tod und Impfung kann laut PEI nicht beurteilt werden. Beim fünften Todesfall handelt es sich um eine 16-Jährige Jugendliche, die in Zusammenhang mit einer Arrythmie starb.
Wie oft wird von Myokarditits berichtet?
Die Nebenwirkungen Myokarditits und Perikarditis gehören zu den unerwünschten Ereignissen von besonderem Interesse, da sie mehrmals berichtet wurden. Bis Ende September wurden dem PEI 98 Meldungen einer Myokarditis oder Perikarditis übermittelt. In 96 Fällen wurde Comirnaty verimpft, in zwei Fällen Spikevax. Männliche Jugendliche sind weitaus häufiger betroffen als weibliche.
Melderate weiblich (Comrinaty): 1 auf 210.00 bis 250.000
Melderate männlich (Comirnaty): 1 auf 12.188
Off-Label – Risiko oder Chance?
In Israel können Eltern ihre Kinder bereits ab 5 Jahren mit Comirnaty gegen Corona impfen lassen. Auch in Deutschland wollen viele Eltern nicht mehr bis zu Zulassung und Impfempfehlung seitens der Stiko warten. Denn wie bereits bei der Impfung der 12- bis 17-Jährigen erwarten viele Mütter und Väter Zurückhaltung der Kinderärzt:innen, solange keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt.
Off-Label-Impfungen gegen Covid-19 existieren. Die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb des Indikationsbereiches gehört zu den nahezu täglichen Aufgaben eines Kinderarztes/einer Kinderärztin. Denn nicht immer sind passende Präparate verfügbar. Hier wird die Anwendung mittels Nutzen-Risiko-Abwägung beurteilt. Ärzt:innen können dann auch Kinder und Jugendliche impfen, die eigentlich aufgrund des Alters keinen Corona-Impfstoff erhalten dürfen. Auch der Sicherheitsbericht des PEI bestätigt, dass es Off-Label-Impfungen in der Praxis gibt. Es wurden 31 Nebenwirkungs-Verdachtsfälle zu vektorbasierten Impfstoffen berichtet. Diese Vakzine haben bis heute keine Zulassung für die Impfung von Kindern.
Initiative für Eltern und Kinder
Off-label impfenden Ärzt: innen rät das RKI zu einer erweiterterten dokumentierten Aufklärung. Für viele Kinderärzt:innen gehören diese Aufklärungen im Rahmen anderer Erkrankungen zu den gewohnten Aufgaben. Nicht alle Mediziner:innen befürworten die Impfung für 12- bis 17-Jährige. Für Eltern, die auf der Suche nach einer Praxis sind, die bereit sind außerhalb der Zulassung zu impfen könnte die Initiative „u12schutz.de“ hilfreich sein. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss aus 60 Ärzt:innen, die zunächst anonym Termine in der jeweiligen Region des Patienten vergeben.