Impfberatung in der Apotheke Alexandra Negt, 22.04.2021 14:19 Uhr
Apotheken übernehmen eine wichtige Schlüsselrolle bei der pandemischen Impfung. Seit dem Start der dezentralen Impfung bestellt die Apotheke die Vakzine und verteilt sie – ab kommender Woche auch an die Fachärzte. Mit Start der Impfung der Priorisierungsgruppe 3 häufen sich auch die Anfragen von Kund:innen mit chronischen Erkrankungen in der Apotheke. Nicht selten haben die Menschen Angst vor der Impfung. Im Beratungsgespräch kann diese eventuell genommen werden und die Impfbereitschaft so erhöht werden.
Die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sind durchgeimpft, gleiches gilt für die dort angestellten Ärzt:innen und Pfleger:innen. Nun folgt die Impfung vieler chronisch Kranker. Im Paragraph 3 der Coronavirus-Impfverordnung finden sich die Erkrankungen, die zu einer Impfberechtigung mit hoher Priorität führen. Demnach wurden mittlerweile zahlreiche Bürger:innen benachrichtigt, einen Impftermin wahrzunehmen. Nicht selten haben die Betroffenen Bedenken und scheuen eine Immunisierung. In der Apotheke kann gemeinsam mit dem Patienten/der Patientin über die Vorteile einer Impfung gesprochen werden. Im Rahmen eines Biontech-Seminars zum Thema „Einzelfallentscheidungen“ wurde deutlich, dass es nur sehr wenige tatsächliche Kontraindikationen gegenüber einer Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gibt.
Generelle Hinweise
Biontech hält mit Comirnaty die Zulassung für den einzigen Impfstoff, der aktuell auch bei Menschen ab 16 Jahren eingesetzt werden kann. Alle anderen Vakzine können erst ab 18 Jahren angewendet werden. Aktuell liegen nicht ausreichend Daten darüber vor, ob Schwangere und Stillende geimpft werden können. Deshalb sollen diese Personengruppen vorerst nicht geimpft werden. Es ist nicht bekannt, ob Comirnaty & Co. in die Muttermilch übergehen. In Großbritannien ist die Impfkommission schon einen Schritt weiter: Dort wird Schwangeren zur Immunisierung ein mRNA-Impfstoff empfohlen. Gesundheitsminister Matt Hancock rief Schwangere auf, sich über die Impfung aufklären zu lassen. Bislang seien rund 90.000 schwangere Frauen mit den Vakzinen von Biontech und Moderna geimpft worden.
Rheumatiker: MTX, JAK-Inhibitoren und Cortison
Rheumatiker befinden sich aufgrund ihrer Erkrankung in Gruppe 4 der Priorisierung. Demnach geht mit der Grunderkrankung kein stark erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einher. Viele Rheumatiker erhalten eine Dauertherapie. Unter einer Behandlung mit MTX beispielsweise ist, bei ansonsten guten Allgemeinzustand, eine Impfung problemlos möglich. Der impfende Arzt oder Rheumatologe sollte die Applikationstage der MTX-Spritze gegebenenfalls so anpassen, dass ausreichend Abstand zwischen der Dauertherapie und der Impfung liegt. Auf diesen Punkt sollten die Patient:innen bei der Beratung hingewiesen werden. Ist der Allgemeinzustand zum Zeitpunkt des Impftermins schlecht oder wurde gerade erst eine neue Therapie begonnen, so stellt dies kein Ausschlusskriterium für eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff dar. Es kann allerdings sein, dass der Termin verschoben werden sollte bis der Patient oder die Patientin stabiler ist.
Multiple Sklerose – viele neue Therapien
Die Beratung von MS-Patienten stellt für einige Apotheker:innen und PTA generell eine Herausforderung dar. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Therapieoptionen hinzugekommen. Gleichzeitig handelt es sich bei der Erkrankung nicht um ein alltägliches Beratungsthema. Um den Betroffenen dennoch beim Thema Impfung weiterzuhelfen, lassen sich einige Punkte zusammenfassen: Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) befürwortet das Impfen gegen Covid-19 nachdrücklich. Denn die Krankheit an sich stellt keine Kontraindikation für Impfungen dar. Auch Immuntherapie mit Wirkstoffen wie Glatirameracetet oder Ocrelizumab stellen keinen Impfausschluss dar. Doch aktuell ist die Datenlage dazu begrenzt, ob die Immuntherapien in der Lage sind, den Impfschutz zu verringern. Einige Hersteller haben hierzu schon Daten zu einzelnen Wirkstoffen nachgeliefert. Generell befinden sich auch MS-Patienten in der Gruppe 4 der Priorisierung. Da MS sich in sehr unterschiedlichen Symptomen zeigen kann, ist vor allem der Allgemeinzustand zum Zeitpunkt der Impfung wichtig.
Chemotherapie – nur nach Abschluss?
Personen mit behandlungsbedürftigen soliden Tumorerkrankungen, die nicht in Remission sind oder deren Remissionsdauer weniger als fünf Jahre beträgt, befinden sich in der Gruppe mit hoher Impfpriorität. Ob eine Impfung im Einzelfall möglich ist, sollte mit dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin geklärt werden. Generell sind eine aktive Krebserkrankung oder eine zytostaitische Therapie kein Impfausschluss, dennoch muss der Arzt/die Ärztin den Allgemeinzustand des Patienten/der Patientin bewerten. Die Patient:innen können sich prinzipiell trotz einer aktuell laufenden Chemotherapie gegen Corona impfen lassen, informiert das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Je nach Wirkstoff kommt es zu einer unterschiedlich starken Unterdrückung des Immunsystems. Auch hier kann eine Impfung nach dem Behandlungszyklus eventuell sinnvoller sein, sodass ein Verschieben des Termins die bessere individuelle Lösung sein könnte.
Allergien bei vorherigen Impfungen
Besonders kniffelig wird es bei Patient:innen, die von schweren allergischen Reaktionen bei früheren Impfungen berichten. Hier bleibt nur der Blick ins Detail: Wurde damals der konkrete Auslöser festgestellt? Nicht selten ist Hühnereiweiß der Grund für einen anaphylaktischen Schock. In diesem Fall gibt es für Comirnaty Entwarnung – das Vakzin enthält kein Hühnereiweiß. Doch was ist bei einer Allergie gegen einen der Bestandteile? Allen voran Menschen mit einer Polyethylenglykol-Allergie (PEG)? Hier rät der Hersteller Biontech von einer Impfung ab. Andere Impfstoffe könnten, je nach Inhaltsstoffen, die bessere Alternative sein.
Aus der Praxis berichten Hausärzte von Patient:innen, die bereits mit ihrem Adrenalin-Pen zur Impfung erscheinen, da sie trotz Bienenstich- oder sonstiger Allergie auf einer Impfung bestehen. Ob der Arzt/ die Ärztin die Immunisierung bei diesen Patient:innen durchführt, kann die Apotheke nicht sagen, hier läuft es am Ende auf eine Einzelfallentscheidung hinaus. Mit fortschreitenden Impfungen weltweit werden sich auch für diese Patientengruppe die Erfahrungswerte erweitern.