Kleiner Riss, große Wirkung: Eingerissene Mundwinkel, sogenannte Rhagaden können sehr schmerzhaft. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb man sie nicht abtun sollte. Dahinter können auch ernsthafte Erkrankungen stecken.
Lachen, Essen, Reden – jede Mundbewegung schmerzt, wenn die Haut im Mundwinkel eingerissen ist. Diese Im Volksmund als „Fressecken“ bezeichnet lautet der medizinische Fachausdruck „Rhagaden“. Sie sind mehr als nur ein kosmetisches Problem und können auch Folgen anderer Erkrankungen wie Neurodermitis oder einer Stoffwechselstörung sein. Außerdem öffnen sie Keimen Tür und Tor. Kurzum: Wer öfter Rhagaden hat oder mit hartnäckigen Exemplaren kämpft, sollte damit zum Arzt gehen. Handelt es sich nur um einen kleinen Riss, kann man diesen gut selbst behandeln.
Rhagaden entstehen, wenn die Haut nicht elastisch genug ist – übrigens nicht nur in den Mundwinkeln. Zudem besitzt die dünne Lippenhaut keine Talgdrüsen, sie ist also auf Pflege von außen angewiesen, da sie selbst keinen schützenden Fettfilm ausbilden kann. Aber auch zu feucht darf es nicht sein: Wenn man sich ständig über die Lippen leckt oder Speichel in den Mundwinkeln steht, können auch Rhagaden entstehen, erklärt der Düsseldorfer Hautarzt Professor Dr. Manuel Cornely vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen. Der Speichel wäscht Fett aus den Lippen und der Mundwinkel, ein Teufelskreis, denn das Lecken bringt kurzzeitig Linderung.
Manche Menschen haben die Risse auch zwischen den Zehen, an den Fußsohlen und Fersen, an den Ohrläppchen, in den Gelenkbeugen oder im Analbereich. Rhagaden kommen häufig vor, vor allem, wenn die Haut trocken ist, erklärt Dr. Michael Niesen vom Hausärzteverband Westfalen-Lippe mit Praxis im nordrhein-westfälischen Ochtrup. „Die Menschen cremen sich nicht genug ein. Aber zugegeben: Wer cremt sich schon die Ohren ein?“
Auch Herpes, Erkrankungen der Magenschleimhaut oder Diabetes können Rhagaden begünstigen, genauso wie eine schlecht sitzende Zahnprothese oder eine Pilzinfektion der Mundschleimhaut. Ist der Zahnersatz nicht richtig angepasst, kann sich der Speichelfluss verstärken und die überschüssige Flüssigkeit in den Mundwinkeln ansammeln. Die Haut quillt auf, entzündet sich und reißt. Weitere mögliche Ursachen sind Ekzeme, allergische Reaktionen, Hauterkrankungen wie Neurodermitis oder Schuppenflechte sowie Eisen- sowie Vitamin-B2 oder B12-Mangel. Ob und welcher Mangel vorliegt, muss von einem Arzt bestimmt werden.
Wer eine Rhagade bemerkt, kann ihr erstmal mit einer Creme, Salbe oder Tinktur zuleibe rücken. Das Prinzip ist einfach, erklärt Cornely: „Die Haut ist aus dem Gleichgewicht, und das muss wieder hergestellt werden.“ Er empfiehlt dafür Salben mit Harnstoff. Niesen zufolge helfen zinkhaltige Cremes und Salben oder Heilsalben mit Dexpanthenol. Wichtig ist auch, auf eine gute Hygiene zu achten. Denn die Hautbarriere ist durch die Risse geschädigt – Keime können so leichter in den Körper gelangen. Oft sind solche kleinen Risse zwischen den Zehen zum Beispiel die Eintrittspforte für Fußpilz-Erreger.
Bei Rhagaden in den Mundwinkeln rät die ABDA: „Die Mundwinkel trocken halten und Speichel mit einem Taschentuch abtupfen.“ Dann sollte man sie zum Beispiel mit einer zinkhaltigen Creme pflegen – auch über Nacht. Es sei auch hilfreich, die Mundwinkel mit Salbeitee abzutupfen. „Die Gerbstoffe machen die Haut unempfindlicher“, erklärt Sellerberg.
Um die schmerzhaften Risse dauerhaft in den Griff zu bekommen, muss allerdings die Ursache gefunden und behandelt werden. Dabei kann zum Beispiel ein Blutbild beim Arzt helfen – etwa, wenn Eisenmangel als Ursache in Betracht kommt.
Bei Rhagaden an den Füßen sollten vor allem Diabetiker vorsichtig sein, sagt Niesen. Denn durch Nervenschädigungen oder schlechtere Durchblutung in den Füßen bemerken Betroffene Schrunden oft nicht. Sie können sich dann immer weiter entzünden. Im schlimmsten Fall entwickeln sich Wunden und Geschwüre – das sogenannte diabetische Fußsyndrom. „Diabetiker gehen am besten zum Podologen, das sind speziell geschulte Fußpfleger.“
Vorbeugen kann man Rhagaden nur begrenzt. Wenn sie etwa durch Herpes entstehen, lässt sich das nur schwer vermeiden. Anders sieht es bei Rissen in der Hornhaut an den Füßen aus. In dem Fall kann man darauf achten, dass die Hornhaut nicht noch dicker wird. „Denn die reißt unter Druck zum Beispiel in engen Schuhen leicht ein“, erläutert Cornely. Grundsätzlich sollte man laut Niesen seine Haut gut mit feuchtigkeitsspendenden Cremes pflegen, auf eine gute Körperhygiene und eine ausgewogene Ernährung achten. Und ganz wichtig: nicht über die trockenen Lippen lecken. Auch wenn es kurzfristig Erleichterung bringt, wird es langfristig dadurch noch schlimmer.
APOTHEKE ADHOC Debatte