Von Impfpassfälschern geht immer häufiger auch eine Gefahr für Apothekenmitarbeiter:innen aus. Diese Erfahrung musste das Team der Rathaus-Apotheke in Hagen am Freitag machen: Ein 18-Jähriger wollte einen gefälschten Impfpass digitalisieren lassen und wurde überführt. Statt kleinlaut das Weite zu suchen, griff er eine Kollegin tätlich an – doch das Team hielt zusammen und verhinderte Schlimmeres. Inhaber Dr. Christian Fehske hat nun neue Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, um künftig auf Nummer sicher zu gehen.
Die Corona-Pandemie hat das Aufgabenspektrum der allermeisten Apotheken spürbar erweitert – doch nicht alle Aufgaben können rein mit fachlicher Kompetenz bewerkstelligt werden, wie das wachsende Problem gefälschter Impfpässe zeigt. „Es ist eigentlich nicht unser Arbeitsbereich, Menschen in solchen Situationen abzuweisen“, sagt Fehske. „Die durchschnittlichen Apothekenmitarbeiter sind nun mal keine Türsteher oder Bodybuilder, sondern oft recht zierliche Frauen.“ Umso wichtiger ist, es im entscheidenden Moment richtig zu reagieren. Das erlebten Fehske und sei Team am Freitag am eigenen Leib.
Kurz vor 17 Uhr kam ein junger Mann in die Apotheke und wollte ein digitales Impfzertifikat. Die PTA am HV wurde sofort misstrauisch, also rief sie den Inhaber und eine 63-jährige Kollegin, die in der Apotheke für die IT zuständig ist und Impfkarten ausstellt – sich also ebenfalls bestens mit Impfpässen auskennt. „Wir haben uns das dann zu dritt angeschaut und sind zum Ergebnis gekommen, dass das eine sehr plumpe Fälschung ist“, erzählt Fehske. Die Liste sei lang gewesen: Es habe kein Name auf dem Impfpass gestanden, die Chargennummern waren allesamt grob falsch und der 18-Jährige hatte nicht einmal einen Ausweis dabei, sondern wollte die Mitarbeiterinnen dazu überreden, sich mit einem Foto von einem Pass auf seinem Telefon auszuweisen. „Da waren so viele rote Fahnen, dass wir das defintiv nicht ausstellen konnten.“
Als die 63-jährige Kollegin den Mann damit konfrontierte, dass der Impfpass offensichtlich gefälscht war und sie ihm das Dokument nicht wieder aushändigen könne, eskalierte die Situation. „Er ging plötzlich um den HV herum, versuchte, meiner Mitarbeiterin den Impfpass zu entreißen und schubste sie zu Boden“, erzählt Fehske. Die Mitarbeiterin stürzte und verlor dabei ihre Brille, die zu Bruch ging. Sie selbst erlitt Prellungen, hat aber glücklicherweise außer ein paar blauen Flecken keine größeren Schäden davongetragen. Daraufhin reagierten die Kolleginnen und Kollegen geistesgegenwärtig.
„Die Kollegin, die danebenstand, hat sich auch sofort auf ihn geworfen“, erzählt Fehske. „Es bildete sich eine Menschentraube und wir haben ihn alle zusammen festgehalten, bis die Polizei kam.“ Der Mann habe sich gewehrt und die ganze Zeit über das Team – und später auch die Polizei – unflätig beschimpft. „Der war erkennbar nicht ganz beisammen. Später wurden dann auch noch Drogen bei ihm gefunden.“ Selbst gegenüber den eintreffenden Beamten verhielt er sich noch aggressiv, woraufhin die ihn mit Handschellen abführten und in Gewahrsam nahmen. Der 18-Jährige wird sich nun gleich wegen einer Reihe von Vergehen verantworten müssen: Er kassierte Anzeigen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Gebrauches unrichtiger Gesundheitszeugnisse sowie des Besitzes von Betäubungsmitteln.
„Ich würde mir eine Verurteilung für ihn wünschen, denn in seinem Leben ist ganz offensichtlich einiges aus der Bahn geraten“, sagt Fehske. „Außerdem greift niemand ungestraft meine Mitarbeiterinnen an!“ Für die ging es glimpflich aus. Die körperlich angegriffene Kollegin habe es gut verkraftet. „Andere Mitarbeiterinnen waren mehr betroffen und haben sich gleich danach gefragt, was alles hätte passieren können, beispielsweise wenn er eine Waffe dabei gehabt hätte“, sagt Fehske. Er selbst will aber weitere Schlussfolgerungen aus dem Zwischenfall ziehen und habe nun in Absprache mit der Polizei weitere Sicherheitsmaßnahmen beschlossen: „Die Entscheidung zu verkünden, dass wir ein Impfzertifikat nicht ausstellen, habe ich zur Chefsache gemacht“, sagt er. Sollte ein Verdacht bestehen, müsse künftig immer er hinzugezogen werden, um die Nachricht zu überbringen. Außerdem wolle sich die Apotheke künftig stärker an den Ratschlag der Abda halten, nur noch Impfungen zu zertifizieren, die von Praxen oder Impfzentren in der Stadt ausgestellt wurden – also von Ärzten, die Fehske bekannt sind. Der Täter vom Freitag beispielsweise stammte gar nicht aus Hagen, sondern aus Hamburg.
Darüber hinaus schreibe er gerade an einem kleinen Leitfaden für die Apotheken in Hagen, wie sie sich in solchen Situationen am besten verhalten sollten – Dinge, die ein Apothekeninhaber normalerweise nicht tun muss. „Es ist schon viel, was die Politik uns da zumutet. Wir machen ja sehr viel, aber das ist eine der undankbarsten Aufgaben überhaupt“, sagt Fehske. Immerhin hat der unschöne Zwischenfall auch eine angenehme Erkenntnis befördert: „Was für uns bleibt, ist die Erkenntnis, wie wir alle in so einem Moment als Team zusammenstehen. Alle Kolleginnen waren sofort zur Stelle und haben sich füreinander eingesetzt.“
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