Haferflocken wirken wie Medizin dpa, 18.04.2018 13:36 Uhr
Die meisten Menschen beachten die eher unscheinbaren Flocken im morgendlichen Müsli kaum. Dabei ist Hafer ein wahres „Superfood“. Hafer kann den Blutzucker- und Cholesterinspiegel senken. Die Darmflora schützen und damit krebsvorbeugend wirken. Juckende Haut von Menschen mit Neurodermitis beruhigen. Und Hafer sättigt nicht nur besonders lange nach dem Frühstück, er kann auch für herzhafte Gerichte oder zum Backen verwendet werden.
„Beim Hafer kommt es ganz besonders auf eine spezielle Art von Ballaststoffen an, die Beta-Glucane“, erklärt Dr. Johannes Gottfried Mayer, Leiter der Forschergruppe Klostermedizin des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg. „Beta-Glucane verhindern einen starken Anstieg des Blutzuckerspiegels. Das ist besonders interessant für Menschen, die an Diabetes Typ II leiden.“
Es gibt Studien, denen zufolge insulinpflichtige Diabetiker mit zwei Hafertagen pro Monat - Tage, an denen die Ernährung hauptsächlich auf Hafer basiert - ihren Insulinbedarf um ein Drittel senken können. „Man isst an diesen Tagen dann nicht ausschließlich Hafer, sondern darf auch Obst im Müsli oder Hafer zusammen mit Gemüse zu sich nehmen.“ Wichtig sei, dass bei den drei Mahlzeiten pro Tag die Basis der Hafer ist, erklärt Mayer. 50 Gramm Hafer pro Mahlzeit reichen dafür.
Der Effekt eines Hafertags halte zwei bis drei Wochen an. Nicht nur deshalb hat der interdisziplinäre Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde echten Hafer im Jahr 2017 zur „Arzneipflanze des Jahres“ gekürt. Mayers Tipp: „Geschmacklich finde ich Hafer am besten, wenn man sich eine Flockenmaschine besorgt und sich die Flocken jedes Mal frisch zubereitet. Dann hat er ein ganz anderes Aroma.“ Die Körner kann man in Bio-Läden kaufen.
Und noch weitere Faktoren machen das Getreide so gesund. Die 4,5 Gramm Beta-Glucan auf 100 Gramm Hafer schützen zum Beispiel die Schleimhaut des Verdauungstraktes, sagt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. „Zudem bindet Beta-Glucan vermutlich Gallensäuren und fördert deren Ausscheidung, so dass der Körper auf Cholesterin zurückgreifen muss, um neue Gallensäuren zu bilden.“ Daher geht der Cholesterinspiegel mit dem Verzehr von Hafer herunter.
Neben den Ballaststoffen enthält Hafer auch viele B-Vitamine, ergänzt Ernährungswissenschaftlerin Inga Pfannebecker. Sie hat ein Buch über Hafer geschrieben: In „Porridge & Oats – Frühstück für Aufgeweckte“ stellt sie morgendliche Varianten des gesunden Getreides vor. Hafer sei auch reich an Biotin – gut für Haut, Haare und Nägel ist – sowie Mineralstoffen wie Magnesium, Eisen, Phosphor und Zink, erklärt sie.
Das Getreide ist zudem ein guter Energielieferant – vergleichbar mit Reis. „Er hat 332 Kilokalorien pro 100 Gramm“, sagt Restemeyer. Die Kohlenhydrate des Hafers sind langkettig. „Das bedeutet, dass sie im Vergleich zu den Einfachzuckern langsamer abgebaut werden.“ Somit steige der Blutzuckerspiegel langsamer an. Man ist länger satt und die Leistung fällt nicht so schnell wieder ab. Ob man kernige oder zarte Haferflocken isst, mache zumindest aus ernährungsphysiologischer Sicht kaum einen Unterschied.
Bei aller Begeisterung über die gesundheitsfördernde Wirkung gilt aber auch für Hafer: Maß halten, sagt Pfannebecker. „Getreide an sich hat relativ viel Energie, daher sollte man natürlich nicht übertreiben.“ Eine ideale Portion ihr zufolge: 40 bis 50 Gramm Haferflocken, die zwischen etwa 150 und 180 Kilokalorien liefern.
Sie lassen sich süß verzehren – als Haferbrei, im Müsli oder auch als Backzutat – oder auch als herzhafte Variante in vegetarischen Burgern oder fein gemahlen zum Andicken von Soßen und Suppen.
Pfannebecker empfiehlt, Hafer mit eiweißhaltiger Nahrung zu sich zu nehmen – etwa mit Milch, Quark oder Joghurt –, das sättige noch länger. „Um das enthaltene Eisen besser zu verwerten, sollte man Haferflocken zudem mit Vitamin C kombinieren, zum Beispiel mit frischen Früchten oder Saft.“
Was innerlich wirkt, sei auch äußerlich anwendbar, sagt die Autorin: „Die enthaltenen Schleimstoffe beruhigen die Haut. Früher bekamen Kinder mit Windpocken häufig Haferbäder, um den Juckreiz zu lindern.“ Auch heute ist Hafer ein Zusatz einiger Kosmetikprodukte, weiß der Würzburger Wissenschaftler Mayer: „Diese zweite ganz wichtige Eigenschaft betrifft jedoch nicht die Haferkörner, sondern den Junghafer.“
Wird er deutlich vor der Blüte geerntet – und zwar im Mai – wirkt er bei der Hautpflege beruhigend. Das sogenannte Haferkraut hat einen vier- bis fünffach höheren Gehalt an Kalium, Magnesium, Kupfer, Phosphor, Eisen und Zink als das Korn und wird für eine günstige Wirkung auf die Haut verantwortlich gemacht. Haferkraut ist in Cremes, Salben, Badezusätzen oder Shampoo in der Apotheke erhältlich.