35 Jahre als PTA und 40 Jahre in der Politik, das klingt wie zwei verschiedene Leben. Marion Becker aus Mömlingen hat es aber in eines gepackt. Vor fünf Jahren hat sie in der Offizin die Seite des HV-Tischs gewechselt und ist seither Pharmareferentin. Bei den bayerischen Landtagswahlen am 14. Oktober will sie nun auch den Sprung von der Lokal- zur Landespolitikerin schaffen.
Marion Becker ist eine Frau des Alles oder Nichts, wie sie selbst sagt. Bisher war ihr Leben eher Alles: Arbeit, Politik, Familie. Die ausgebildete PTA ist seit 40 Jahren politisch aktiv und hat stets Vollzeit gearbeitet. „Ich habe schon in Wackersdorf mit demonstriert“, sagt sie nicht ohne Stolz. Ihre erste politische Heimat sei die SPD gewesen, zu der sie damals durch einen Onkel kam. „Ich habe aber schnell gemerkt, dass mir die Leute dort zu gemäßigt sind“, erinnert sie sich. „Ich bin mehr für das Entweder-oder.“
Sind ihr die Grünen dann nicht in den letzten 20 Jahren zu kompromissbereit geworden? „Ich finde nicht, dass wir weicher geworden wären oder weniger fordern“, wendet sie ein, „aber vorzeigbarer sind wir geworden, weil die Fundis weniger Hausmacht haben.“ Das sei aber ohnehin nie ihr Problem gewesen. „Bei mir hat die Optik immer gestimmt, mich haben sie ständig für die Assistentin des Landrats gehalten.“
Vorzeigbar muss sie auch für ihren aktuellen Beruf sein, denn sie ist Pharmareferentin bei Dr. Willmar Schwabe und reist als solche von Apotheke zu Apotheke. „Ein wunderbarer Job und ich ärgere mich, dass ich den nicht schon viel früher angefangen habe“, schwärmt die 59-Jährige. „Ich mache viele tolle Erfahrungen und habe viele Erfolgserlebnisse. Die Apotheker kann ich ja mit meiner Berufserfahrung quasi lesen.“
Dabei habe sie am Anfang gar nicht gewusst, was auf sie zukommt. „Ich habe damals an einem Assessmentcenter teilgenommen, ohne genau zu wissen, für wen. Ich wusste nur, dass es etwas mit pflanzlichen Arzneimitteln zu tun hat und dachte es sei Bionorica.“ Den Schritt in den neuen Job – immerhin mit Mitte 50 – hatte sie sich eher aus finanziellen Gründen zugemutet, weniger weil sie der Arbeit als PTA überdrüssig gewesen wäre. „Ich stand damals mit dem Rücken zur Wand, hatte einen 15 Jahre alten Golf, drei Kinder, vier Katzen und einen tauben Hund – ich hätte auch schnell in Hartz IV abrutschen können.“
An die Jahrzehnte als PTA denkt sie aber gern zurück. „Besonders gern habe ich immer Menschen beraten. Ich glaube, dass ich das gut kann.“ Tätigkeiten, die sie gar nicht mochte, habe es hingegen so gut wie gar nicht gegeben. „Ich habe sogar gern das Labor geputzt – dabei konnte ich immer abschalten und meinen Gedanken nachhängen“, sagt sie lachend. So kam es auch, dass sie dem Job treu blieb, als ihre politische Arbeit einen Schub bekam.
Denn von 1994 bis 2003 arbeitete sie im Wahlkreisbüro der grünen Landtagsabgeordneten Petra Münzel, Tierschutzbeauftragte sowie Frauen- und bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Um den Kontakt zum Ausbildungsberuf nicht zu verlieren, ging sie aber nach wie vor in die Offizin: vier Tage pro Woche Politik, einen Tag Apotheke. „Das war einfach mein Instinkt“, sagt sie heute.
Durch die gemeinsame Zeit mit Petra Münzel ist sie nicht nur mit dem Leben einer Landtagsabgeordneten vertraut, sie teilt auch Münzels politische Schwerpunkte. „Mein Steckenpferd ist seit jeher der Tierschutz, aber auch Frauenpolitik. In den letzten Jahren auch die Rentenpolitik“, beginnt sie auszuführen. „Es treibt mich einfach um, wie viele Frauen betrogen werden. Viele denken, sie machen ein bisschen Teilzeit und Kinder – und dann müssen sie von 600 Euro Rente leben.“
In Fragen der Gesundheitspolitik wiederum liege sie ganz auf Parteilinie. „Unsere Ansprechpartnerin bei dem Thema ist Kordula Schulz-Asche. Und mit ihr liege ich voll auf einer Linie“, beteuert sie. Von einem Rx-Versandverbot hält sie also nicht allzu viel, „ich bin aber der Meinung, dass die Arbeit in der Apotheke stärker honoriert werden muss. Das ist meiner Meinung nach auch einer der Hauptgründe, warum man heute kaum noch Personal findet.“
Der Wahlkampf laufe zwar bisher gut und mache viel Spaß – erst vor zwei Wochen haben sie in Elsenfeld eine Demo mit 3000 Teilnehmern gegen einen Besuch des AfD-Rechtsauslegers Björn Höcke besucht. Allzu optimistisch, den Einzug in den Landtag zu schaffen, zeigt sie sich aber nicht. Immerhin hat sie Listenplatz 9 in Unterfranken – eine Erfolgsgarantie sieht anders aus. Allerdings werden die Grünen jüngsten Umfragen zufolge auch zweitstärkste Partei. Es gebe zumindest andere Kandidaten mit den gleichen Aussichten – und die wirken sehr optimistisch, sagt sie.
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