Grapefruit: Hohes Interaktionspotential Hanna Meiertöns, 07.06.2023 07:38 Uhr
Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und Arzneistoffen sind zwar bekannt, werden aber häufig unterschätzt. Vor allem die Warnung vor Grapefruitsaft bei der Beratung zu vielen Arzneimitteln ist entscheidend, denn die enthaltenen Furanocuramine können für viele Interaktionen verantwortlich sein.
Schuld an dem Interaktionspotential sind die in der Grapefruit enthaltenen Furanocumarine und das Flavonoid Naringin: Diese konkurrieren im Darm mit zahlreichen Wirkstoffen, da sie irreversibel das Enzym Cytochrom P450 3A4 (CYP3A4) hemmen, welches für den Abbau vieler Arzneistoffe verantwortlich ist. Das Enzym baut einen Teil der Wirkstoffe ab, bevor sie in den Blutkreislauf aufgenommen werden. Dieser Abbauprozess wird bei der Dosierung von Medikamenten berücksichtigt.
Betroffen sind daher Arzneimittel, die von CYP3A4 abgebaut und normalerweise nur teilweise vom Körper aufgenommen werden. Wird das CYP3A4 nun durch die Furanocumarine gehemmt, verbleiben größere Mengen des Wirkstoffes im Körper. Das kann zu einer Potenzierung der Wirkung, schweren Nebenwirkungen bis hin zu Vergiftungserscheinungen führen.
Lange Liste an Arzneistoffen
Die Liste der Arzneistoffe, welche durch Grapefruit beeinflusst werden, wird immer länger: Cholesterinsenker wie Simvastatin, Atorvastatin zählen ebenso dazu wie zahlreiche Calciumkanalblocker, unter anderem Amlodipin, Felodipin oder Verapamil. Weitere Gruppen sind Immunsuppressiva wie Ciclosporin und Tacrolimus, PDE-5-Hemmer wie Sildenafil und Taladafil, Blutgerinnungshemmer wie Rivaroxaban und Phenprocoumon und Opioide wie Fentanyl und Tilidin.
Auch bei der Einnahme von medizinischem Cannabis ist Vorsicht geboten: Sowohl THC als auch CBD werden über das Enzym verstoffwechselt. Einige Krebsmedikamente, Quetiapin, Domperidon, Tamsulosin und Carbamazepin werden auch über CYP3A4 verstoffwechselt. Bei den genannten Wirkstoffen handelt es sich nur um einen Bruchteil der betroffenen Wirkstoffe. Ein Blick in den Beipackzettel der Arzneimittel gibt Aufschluss über das Interaktionspotential.
Ebenfalls anfällig für Wechselwirkungen mit Grapefruitsaft sind orale östrogenhaltige Verhütungsmittel oder Hormonersatzpräparate: Da deren Wirkung verstärkt wird, ist der Verhütungsschutz zwar nicht gefährdet, allerdings kommt es auf Dauer zu einer Erhöhung des Hormonspiegels. Dieser kann zu Beschwerden führen und das Risiko für Thrombosen erhöhen. Patientinnen sollten daher unbedingt auf die Interaktion hingewiesen werden.
Komplett verzichten
Da sich die Wechselwirkung im Gastrointestinaltrakt abspielt besteht das Risiko nur für Medikamente, die oral eingenommen beziehungsweise über eine Nasensonde verabreicht werden. Das Risiko ist dabei von Person zu Person und jedes Arzneimittel unterschiedlich hoch und stark ausgeprägt. Da es sich allerdings um eine irreversible Hemmung des Enzyms handelt, reicht es nicht aus, einen zeitlichen Abstand zwischen der Einnahme der Arzneimittel und dem Verzehr von grapefruithaltigen Lebensmitteln einzuhalten. Um eine Konzentration der Wirkstoffe im Körper und damit eine Potenzierung der Wirkung zu verhindern, sollten Patient:innen, die eine Medikation mit Interaktionspotential erhalten, also am besten komplett auf Grapefruit verzichten.
Übrigens: Auch Pampelmusen, Pomelo oder Bitterorangen enthalten Furanocumarine. Letztere sind häufig in Marmeladen enthalten, demnach bieten nicht nur die Frucht selbst sowie Säfte oder Limonaden ein Risiko, sondern auch andere Lebensmittel. Orangen hingegen haben keinen Effekt auf das Enzym und können daher bedenkenlos verzehrt werden.