Senioren richtig beraten Maria Hendrischke, 12.01.2016 09:02 Uhr
Senioren sind häufig Stammkunden in der Apotheke. Die Beratung von Patienten im höheren Alter erfordert Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen. Denn die Zielgruppe spricht Unsicherheiten bei der Medikation nicht immer direkt an. PTA und Apotheker müssten daher aktiv nachfragen, empfiehlt Tanja Grasberger, Fachapothekerin für Geriatrie. Dazu hat sie einige Tipps.
Manchen Senioren müsse man Anwendungsprobleme quasi „aus der Nase ziehen“, sagt Grasberger. Kunden im fortgeschrittenen Alter können bestimmte Präparate, etwa Augentropfen, nicht mehr ohne Weiteres anwenden, weil ihnen die Kraft dazu fehle. PTA können die Senioren dann direkt auf Hilfsmittel wie Autodrop hinweisen.
Auch bei der weitverbreiteten Alterskrankheit Diabetes gibt es Fallstricke. Bei Insulin-Pens gibt es verschiedene Modelle: „Manchmal erzählen uns Patienten, dass aus den Pens nichts herauskomme“, erzählt Grasberger. Das Produkt sei aber nicht unbedingt kaputt. Stattdessen sei ein anderer Pen die Lösung, der sich leichter herunterdrücken lasse.
Wichtig sei, älteren Patienten die Anwendung der Medikamente genau zu erklären oder bestenfalls zu zeigen, sagt Grasberger, die in der Alten Stadtapotheke im bayerischen Miesbach arbeitet. Gemeinsam mit dem Patienten üben ihre PTA an Demogeräten ohne Wirkstoff, wie beispielsweise Asthmasprays verwendet werden.
Auch Versiegelungen können für Ältere zur Hürde werden. Besonders Rheumatiker haben Probleme damit, Medikamentenverpackungen aufzumachen. „Wir bieten ihnen an, das Siegel für sie zu entfernen“, sagt Grasberger. Bei vielen Senioren treten außerdem Sehschwächen auf. Daher hat die Alte Stadtapotheke Lesebrillen und eine Lupe in Reichweite, damit die Kunden Packungen oder Beipackzettel lesen können.
Bei älteren Patienten werden Medikamente langsamer abgebaut. Das kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. „Wenn ältere Kunden erzählen, dass sie häufiger stürzen, muss das nicht nur an motorischen Störungen liegen“, sagt Grasberger. Abends eingenommene Schlafmittel könnten tagsüber immer noch wirken, so dass die Senioren sehr müde werden – und hinfallen.
Ein weiteres Beispiel von Nebenwirkungen: Blutdruckmittel können Verstopfungen auslösen. Wenn ein älterer Patient darüber klagt, müsse aber nicht gleich ein Abführmittel verabreicht werden. „Manchmal hilft schon Magnesium“, so die Apothekerin.
Häufig nehmen ältere Patienten mehrere Medikamente gleichzeitig ein – zum Teil so viele, dass sie sich nicht merken können, wann welches Mittel an der Reihe ist. Beginnende Demenz oder Umstellungen wegen Rabattverträgen verschlimmerten dieses Problem. „Wir sprechen mit dem verordnenden Arzt ab, ob er nicht beim gleichen Produkt bleiben kann“, sagt Grasberger. Apotheker könnten auch pharmazeutische Bedenken anführen. Eine weitere Hilfestellung ist die Verblisterung, auf die PTA hinweisen können. Der Service wird besonders gerne von Senioren angenommen, die sich noch zu Hause selbst versorgen oder von Angehörigen betreut werden.
In einer Apotheke, in der Senioren sich gerne beraten lassen, spielt auch die Ausstattung eine entscheidende Rolle. Barrierefreiheit mit einer Rollstuhlrampe im Eingangsbereich und elektronisch öffnenden Türen sowie breitere Gänge sind wichtig. Eine Wartebank zum Sitzen werde von den Senioren gerne genutzt, so Grasberger. Zudem sind die Preisetiketten etwas größer gedruckt, so dass auch Menschen mit einer Sehschwäche alles lesen können.
Eine gute Beratung sei gerade älteren Kunden wichtig. „Wir gehen mit ihnen in unsere Beratungsecke“, sagt Grasberger. Dort können sich die Senioren hinsetzen und seien etwas abseits vom Apothekengeschehen. „So haben sie das Gefühl, dass man sich wirklich Zeit für sie nimmt“, erklärt Grasberger.