Gefahrstoffe richtig lagern – TRGS verstehen Alexandra Negt, 01.06.2022 09:31 Uhr
Meist ist die Lagerung von Gefahrstoffen nur ein Randthema in der Apotheke. Ein/e PTA kennt sich mit der Lagerung im Labor gut aus und der Rest des Teams kümmert sich eher wenig um die korrekte Lagerung von Salzsäure, Natriumhydroxid-Rotuli & Co.
Ab und an finden sich immer noch alte Bestände Pikrinsäure in Apothekenlaboren. In einer versteckten Ecke tritt der potenziell explosive Fund zum Vorschein. Auch Unfälle mit Kaliumcyanid kommen immer mal wieder vor. Ansonsten werden Gefahrstoffe in der Apotheke eher stiefmütterlich behandelt. Für den Großteil des Teams spielen sie im Arbeitsalltag keine Rolle. Dabei kann die richtige Lagerung Unfälle vermeiden.
Um zu wissen, ob oder um was für einen Gefahrstoff es sich handelt, ist es wichtig, dass der Apotheke das jeweilige Sicherheitsdatenblatt (SDB) zum Stoff vorliegt. Stoffe, die eine oder mehrere der in dem Anhang 1 Teil 2 bis 5 der CLP-Verordnung genannten Eigenschaften haben, gelten als Gefahrstoff. Wichtig für die Lagerung von Gefahrstoffen in der Apotheke ist die TRGS 510 – Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern (technische Regeln für Gefahrstoff). In der TRGS 201 finden sich dann Angaben zur Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Um eine vollständige Einstufung der Stoffe und Unterweisung der Angestellten vorzunehmen, muss sich die Apotheke also mit beiden Regelwerken auseinandersetzen.
Lagerort
Gefahrstoffe dürfen in der Apotheke sowohl in der Rezeptur als auch im Labor gelagert werden. Flüssigkeiten wie Säuren, Basen und Lösungsmittel sind dabei vorwiegend im Labor aufzufinden. In der Rezeptur dürfen dabei nur kleine Mengen von Stoffen, die regelmäßig genutzt werden, gelagert werden. Zusätzlich dürfen Gefahrstoffe nicht in unmittelbarer Nähe zu Kosmetik oder Arzneimitteln aufbewahrt werden – Kontaminationen sollen vermieden werden.
Oftmals findet sich in der Apotheke unterhalb des Laborabzuges ein sogenannter Sicherheitsschrank. Hier werden zumeist flüssige Gefahrstoffe und Abfälle aufbewahrt. Der Schrank benötigt dabei weder eine technische Lüftung noch eine eigene Beleuchtung. Zündquellen dürfen nicht im Schrank aufbewahrt werden. Säuren und Laugen sollten generell nicht über Augenhöhe gelagert werden. Deshalb eignet sich der Ort des Sicherheitsschrankes gut. In örtlicher Nähe sollten Chemikalienhandschuhe aus Nitril oder Fluorkautschuk (Achtung gegebenenfalls Allergiepotenzial) bereitgelegt werden.
Übrigens: Tatsächlich im Sicherheitsschrank aufgebwahrt werden müssen in der Apotheke die wenigsten Substanzen. Das liegt zumeist an der geringen Größe der Gebinde. Eine Ausnahme stellen Gase in Druckgasbehältern dar. Stoffe, die die Gefahrensätze H280, H281, H220, H221 oder H270 enthalten und das Volumen von 2,5 Litern übersteigen, gehören generell in Sicherheitsschränke. Dennoch erhöht die getrennte Lagerung bei den meisten PTA die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit beim Umgang mit Natronlauge & Co. Und: Säuren und Laugen können aggressive Dämpfe, Nebel oder Rauche abgeben und überdies heftig miteinander reagieren. Deshalb empfiehlt sich auch bei kleineren Mengen die Aufbewahrung im Sicherheitsschrank.
Einige Stoffe müssen unter Verschluss aufbewahrt werden. Hierzu zählen nach § 8 Abs. 7 GefStoffV Stoffe und Gemische mit folgenden Eigenschaften: akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3, spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1, krebserzeugend Kategorie 1A oder 1B und keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B – also CMR-Stoffe.
Schwierigkeiten bei Gemischen: Reinstoffe wie Natriumhydroxid-Rotuli lassen sich relativ leicht einordnen. Doch wie sieht es für Gemische aus? Ab welcher Konzentration sind Säuren, Laugen oder Lösungsmittel eine Gefahr? Und worauf beschränkt sich diese dann? Als Hilfestellung für die Einstufung von Gemischen kann der Gemischrechner der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BGRCI) genutzt werden. Die einzelnen Bestandteile eines Gemisches, also die Reinstoffe, müssen mit ihren entsprechenden Gefahreneigenschaften angelegt werden. Danach ermittelt der Rechner die neue Einstufung und Kennzeichnung. Am Ende kann ein vollständiges Kennzeichnungsetikett mit Name, Piktogramm, Signalwörtern und H-Sätzen ausgedruckt werden.
Regelmäßige Kontrolle
Einmal gemacht beudeutet nicht, dass der Laborsatz dauerhaft sicher ist. Durch regelmäßige Sichtprüfungen der Behälter muss kontrolliert werden, ob die Primärgefäße beschädigt sind und Stoffe auslaufen könnten oder bereits ausgelaufen sind. Die jeweiligen Prüffristen sind individuell festzulegen. Je nach Stoffeigenschaften, Verpackungart und Benutzungshäufigkeit sollten angemessene Intervalle festgelegt werden. Die Apotheke muss alle vorhandenen Gefahrstoffe in einem Gefahrstoffverzeichnis auflisten. Dieses verzeichnis beeinhaltet neben allen vorhandenen Gefahrstoffen mit Menge auch die gefahrstoffrechtliche Einstufung und Hinweise zum jeweiligen Sicherheitsdatenblatt.
Korrekte Lagerung von Laborabfällen
Bei der Identitätsprüfung im Labor fallen allerlei Chemikalienabfälle an. Für die spätere Entsorgung ist dabei wichtig, dass Apotheker:innen und PTA die Substanzen richtig klassifizieren, denn auch entsorgte Gefahrstoffe sind immer noch Gefahrstoffe. Organisch oder anorganisch, das ist hier meist die erste Frage. Denn Entsorgungsdienstleister wie Remondis & Co. nutzen unterschiedliche Verfahren zur Entsorgung. Damit die Stoffe, die auf keinen Umständen ins Grundwasser oder die Umwelt gelangen sollen, korrekt entsorgt werden, ist also Sorgfalt bei der Abfalltrennung gefragt. Zudem kann das freie Mischen von Chemikalien zu nicht kalkulierbaren Reaktionen führen. Organische sollten von anorganischen Lösungsmitteln getrennt aufbewahrt werden:
Organische Lösungsmittel beinhalten meistens Kohlenstoff. Häufig sind Halogene, Stickstoff oder Wasserstoff enthalten.
- Alkohole wie Methanol (CH3OH)
- Aromatische Kohlenwasserstoffe wie Toluol (C7H8)
- Aliphatische Kohlenwasserstoffe wie Hexan (C6H14) inklusive
- (Cyclo-) Alkane wie Cyclohexan (C6H12)
- Ketone wie Aceton (C3H6O)
- Ether wie Diethylether (C4H10O)
- Organische Säuren wie Essigsäure (C2H4O2) und Milchsäure (C3H6O3)
Anorganische Lösungsmittel beinhalten keinen Kohlenstoff
- Wasser (H2O)
- Anorganische Säuren wie Salzsäure (HCl) und Schwefelsäure (H2SO4)
- Ammoniak (NH3)
Übrigens: Einige Gefahrstoffe sind nur noch Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten. Viele Substanzen aus den vor Jahrzehnten gekauften Laborsätzen werden für keine einzige Prüfung mehr benötigt. Was also nicht gebraucht wird, kann besser rechtzeitig entsorgt werden. Wer einzelne Substanzen nachbestellen muss, hat bei Chemiegroßhändlern wie Carl Roth oftmals gute Chancen Kleingebinde (zum Beispiel 1 Liter Salzsäure-Lösung 0,1 mol/l) zu erhalten.