Galenik

Bruch- oder Schmuckkerbe? Dr. Kerstin Neumann, 07.03.2016 13:01 Uhr

Berlin - 

In Deutschland werden Tabletten häufig geteilt. Viele Pillen besitzen eine Bruchkerbe, mit denen man sie in zwei oder sogar in vier Teile aufspalten kann. Was oft nicht beachtet wird: Trotz Kerbe sind bei Weitem nicht alle Tabletten für die Teilung geeignet. Nicht immer lässt sich sicherstellen, dass in jeder Hälfte auch genau die halbe Dosis vorhanden ist. Mitunter lassen sich Tabletten nur aus dem Grund teilen, damit sie besser eingenommen werden können.

Ein Fall, wie er in jeder Apotheke vorkommen kann: Eine Patientin holt ihr Antihypertensivum ab, welches sie seit wenigen Wochen benutzt. Auf der Packung ist die Tablettenform gut sichtbar abgebildet: Runde Tabletten mit gekreuzten Bruchkerben. Der Arzt hat Metoprolol 200 mg verordnet, von der sie jeweils eine halbe Tablette täglich einnehmen soll. Sie fühlt sich aber durch die Blutdrucksenkung nicht gut. Da könne man doch auch mit dem Arzt sprechen und nur die halbe Dosis einnehmen, die Tablette sei schließlich viertelbar, wie auf der Packung gut zu sehen sei.

Auf den ersten Blick scheint das zu stimmen. Wenn man aber die Fachinformation des Arzneimittels hinzuzieht, steht dort: „Die Retardtablette kann in gleiche Hälften geteilt werden. Die Möglichkeit zur Viertelung dient nur zur Erleichterung der Einnahme.“ Ein Blick in die Datenbank der Apotheke wiederum gibt noch eine andere Information, dort ist vermerkt: „Nicht dosisgleich teilbar".

Damit ist die Verwirrung komplett. Bei drei unterschiedlichen Aussagen von Patientin, Hersteller und ABDA-Datenbank bestehen berechtigte Zweifel daran, ob die Patientin ihr Arzneimittel so einnimmt, dass es ihr wirklich etwas bringt.

Der wichtigste Ansprechpartner zur Lösung dieses Problems ist in diesem Fall der Hersteller selbst, der am besten über die Wirkstoff-Verteilung in der Tablette Bescheid weiß. Grundsätzlich wird zwischen zwei verschiedenen Formen der Teilbarkeit unterschieden: Einige Tabletten könnten zur Dosisanpassung geteilt und geviertelt werden. In diesem Fall muss schon bei der Produktentwicklung sichergestellt werden, dass nach einer Teilung die Dosis der Hälften exakt gleich ist. Ist dies der Fall, kann man in der Fachinformation einen entsprechenden Hinweis dazu finden.

Anders sieht es aus, wenn die Teilung nur die Einnahme erleichtern soll. In diesem Fall müssen die Hersteller nicht nachweisen, dass die Teile den Wirkstoff gleichförmig freisetzen, und dies muss auch nicht in der Produktinformation dokumentiert werden. Diese Tabletten dürfen demnach nicht zur Dosisanpassung geteilt werden. Je nach Tablette könnte das mit erheblichen Risiken und Unwägbarkeiten verbunden sein.

Insbesondere kommt es dabei auf die Art und Weise an, wie geteilt wird. Wenn der Vorgang zu Hause, beispielsweise mit dem Küchenmesser oder auch nur mit der bloßen Hand, durchgeführt wird, können die Bruchstücke außerdem ungleich sein, es können kleine Stücke abfallen, die wiederum zu einer verminderten Dosis führen. Gar nicht geteilt werden dürfen magensaftresistente oder retardierte Tabletten. Sie verlieren ihre Funktion und wirken dadurch nicht mehr korrekt.

Und nicht zuletzt: Wenn die Bruchkerbe gar keine Bruchkerbe, sondern eine „Schmuck-Kerbe“ ist, wie sie von einigen Herstellern gern benannt wird, kann man von vornherein selbst bei sorgfältigster Teilung nicht garantieren, dass gleiche Hälften auch die gleiche Menge Wirkstoff beinhalten. Bei Wirkstoffen, bei denen eine genaue Dosierung unbedingt notwendig ist, könnte eine Teilung zu abweichenden und damit gefährlichen Über- oder Unterdosierungen führen.

Zumindest dem „Irrtum“ der Patientin kann man entgegentreten, indem gut erklärt wird, dass die Abbildung der Tablette auf der Packung nur zum Wiedererkennen der Tablette im Blister dient und nicht zeigt, in wie viele Teile sie geteilt werden kann. Wenn seitens des Arztes oder des Patienten ein Teilen der Tabletten gewünscht wird, sollte man sich in erster Linie beim Hersteller informieren. Oft reicht dafür der Blick in die Fachinformation aus; gegebenenfalls muss beim Hersteller angerufen werden.

Schließlich ist es nicht abwegig, die ABDATA auf Ungenauigkeiten in der Datenbank hinzuweisen, wenn tatsächlich Abweichungen zu den Herstellerangaben bestehen. Auch eine Software kann Fehler beinhalten; um zukünftige Verwirrung zu vermeiden, sollten diese schnell angepasst werden. Das ist nicht nur für die Arbeit in der Apotheke wichtig, sondern vor allem für die Sicherheit der Patienten.