PTA wandern in Industrie ab

„Für mich ist das ein Apothekensterbegesetz“

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Berlin -

Trotz aller Kritik hält Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an seiner Idee der Apotheke ohne Präsenzapotheker:in fest. Damit sollen die Apotheken seiner Meinung nach gegen den Fachkräftemangel gerüstet werden und Personalkosten einsparen können. Doch ohne angemessene Bezahlung laufen den Apotheken schon jetzt die Mitarbeiter:innen davon – mit den Gehältern in der Industrie können die meisten Inhaber:innen schlichtweg nicht mithalten. Eine Inhaberin aus Hessen berichtet.

Von einer Honorarerhöhung können Apotheker:innen auch weiterhin nur träumen. Finanzielle Entlastung soll dagegen die Flexibilisierung beim Personaleinsatz bringen. Im Klartext heißt das: PTA sollen in Zukunft Apotheken öffnen dürfen – auch ohne Anwesenheit von Apotheker:innen. Das große Problem: PTA sind ebenfalls Mangelware und werden außerhalb der Apotheken meist deutlich besser bezahlt.

Besseres Gehalt – bessere Rahmenbedingungen

„Ich zahle deutlich über Tarif, aber es reicht nicht, um mit den Gehältern der Industrie mitzuhalten“, erzählt Apothekerin Dr. Schamim Eckert. Insgesamt drei Mitarbeiter:innen hat die Inhaberin der Glocken-Apotheke in Neu-Anspach bereits verloren. Ende des vergangenen Jahres wurde eine ihrer PTA vom US-Konzern Lilly abgeworben. Nicht nur das Gehalt, auch die Rahmenbedingungen seien in der Industrie attraktiver: keine Arbeit am Wochenende, oft die Option auf Homeoffice und dann noch ein besseres Gehalt obendrauf.

„Die meisten Mitarbeitenden in der Apotheke sind Frauen, und heute sind es immer noch überwiegend die Frauen, die sich maßgeblich um die Kinder und pflegebedürftige Verwandte kümmern“, so die Apothekerin. Mit Homeoffice und freien Wochenenden ließen sich Arbeit und Familie deutlich leichter handhaben.

Auch eine Apothekerin habe vor kurzem aufgehört und sei in die Industrie gegangen. „Sie war eine wirklich tolle und engagierte Mitarbeiterin“, so Eckert. Auch wenn ihre Angestellten die Arbeit mit den Patient:innen schätzen und vermissen, „ohne angemessene Vergütung, kann man so gutherzig sein, wie man will“.

Eine weitere PTA habe aufgehört, weil sie neben der finanziellen Situation vor allem die Unsicherheit nicht mehr ertragen habe. „Die Regierung hat uns über die Jahre geschröpft und jetzt stehen wir vor dem Kollaps. Welche PTA sollen die Leitung denn übernehmen?“, fragt sich Eckert. „Sie hat sich unter Tränen verabschiedet. Momentan häufen sich die Schließungen. Auch wenn ich sage, dass wir zu den Apotheken gehören, die es schaffen werden, bringt einen das nur bedingt weiter.“ Die Unsicherheiten, auch im Hinblick auf das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), würden psychischen Druck ausüben.

Immer mehr Arbeit – aber immer weniger Leute

„Vor zwölf Jahren war es ein anderes Arbeiten“, erinnert sich Eckert. Der Arbeitsalltag sei mittlerweile von überbordender Bürokratie, dem aufwändigen Handeln von Lieferengpässen und auch immer noch auftretenden Schwierigkeiten beim E-Rezept geprägt. „Arbeiten in der Apotheke ist nicht mehr schön“, klagt die Apothekerin.

Vor allem wird die Mehrarbeit aber nicht bezahlt. „Wir bekommen keine Lohnerhöhung, keine Anpassung für die Mehrarbeit und keinen Inflationsausgleich“, so die Apothekerin. Wegen der höheren Arbeitsbelastung und dem fehlenden finanziellen Ausgleich gehen die Mitarbeiter:innen. So lastet im Endeffekt immer mehr Arbeit auf immer weniger Personal.

„Wir werden hier allein gelassen, aber wir haben trotzdem den Auftrag der Regierung, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche die Bevölkerung zu versorgen.“ Die Arbeitspläne festzulegen – mit Urlaub, Krankheitsausfällen; auch wegen kranker Kinder – das sei für die Apothekerin eine der größten Herausforderungen.

Es braucht mehr Geld

Wie es helfen soll, PTA jetzt die Leitung zu übergeben, erschließt sich der Apothekerin nicht: „Wenn eine PTA mehr Verantwortung übernimmt, dann muss sie doch auch entsprechend besser bezahlt werden. Die Einsparung bei den Personalkosten wäre am Ende marginal.“

Eckert sieht hier nur eine Lösung: „Erhöht unser Honorar, dann können wir die Versorgung erhalten, dann können wir unseren Lebensunterhalt bestreiten, dann können wir unsere Mitarbeitenden besser bezahlen und nur dann wird auch Nachwuchs nachkommen.“

Eine Honoraranpassung ohne Mehrkosten, wie Lauterbach sie verkaufen möchte, funktioniere nicht. „Wieso wird uns das als Rettung verkauft? Für mich ist das ein Apothekensterbegesetz“, kritisiert Eckert. „Wir müssen aufstehen und Farbe bekennen! Wir alle müssen das jetzt tun“, so Eckert.

Auch die Inhaberin der Neuen Apotheke in Hohenmölsen Ina Leischner hat zwei PTA verloren. Foto: Ina Leischner

Mehr Geld bei der Kasse

Auch die Inhaberin Ina Leischner, Neue Apotheke Hohenmölsen, hat mehrere Mitarbeiter:innen verloren. „Ein PTA Praktikant wurde über die Bundeswehr ausgebildet und hat bereits während der Ausbildung ein ordentliches Gehalt bezogen. Er hat bei mir nur ein kurzes Praktikum, absolviert, was wir sehr gerne gemacht haben. Jetzt ist er mit der Ausbildung fertig. Ab Freitagmittag hat er bereits Wochenende.“ Das bekämen natürlich auch die anderen Apothekenmitarbeiter:innen mit – die freitags noch bis Abends und Samstag arbeiten müssen. „Ich hätte auch gerne die Mittel, um eine PTA während der Ausbildung noch besser zu bezahlen“, wünscht sich die Apothekerin. Das würde auch die Attraktivität der Berufsausbildung steigern.

Eine weitere ihrer PTA's arbeite jetzt bei der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit. Auch hier seien die Rahmenbedingungen besser: Vier-Tage-Woche, davon zwei Tage im Homeoffice und natürlich eine bessere Bezahlung. „Wieso bekommen solche Institutionen mehr Mittel, um Ihr Personal zu vergüten, als uns zugestanden wird?“, fragt sich Leischner. „So wird uns Fachpersonal abgeworben, dass wir zwingend benötigen, um Medikamente abzugeben.“

Bessere Rahmenbedingungen

Es sei schade, dass die Mittel fehlen, um die Mitarbeiter:innen in den Apotheken besser zu entlohnen. Die öffentliche Apotheke ist ein wunderbar lebendiger Arbeitsplatz, so die Apothekerin. „Ich habe den Eindruck, dass dem ein oder anderen der abgewanderten Kolleg:innen die vielen sozialen Kontakte und das abwechslungsreiche Berufsleben fehlen“, sagt Leischner. „Homeoffice, Bundeswehr in der Pampa oder ein trockenes Labor – dafür ist nicht jeder Mitarbeiter gemacht. Ein nettes Team, ein lebendiger Arbeitsalltag, das sind auch wichtige Kriterien und somit Lebensqualität.“

Sie würde sich wünschen, dass weitere Vorschläge zur Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen gemacht werden als nur die Bezahlung. „Statt sich nur auf eine Erhöhung der RX Vergütung zu fokussieren, gehören seitens der Abda konstruktive Vorschläge, wie zum Beispiel der Reformierung der PTA-Ausbildung auf den Tisch, auch unter Berücksichtigung der Migration, Erweiterung des apothekenüblichen Sortiments zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge insbesondere in ländlichen Regionen und vieles mehr. „PTA ist immer noch ein sehr attraktiver Beruf, bei dem gerade Frauen Familie durch Teilzeitarbeit vereinbaren können“, findet Leischner.

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