Verhütungspanne oder Verhütung ganz vergessen: Kundinnen, die eine ungewollte Schwangerschaft vermeiden wollen, können in solchen Situationen seit März 2015 die Pille danach ohne Rezept aus der Apotheke beziehen. Zugelassen für die Indikation sind Levonorgestrel und Ulipristalacetat, zwei sehr beratungsintensive Arzneistoffe. Worauf ist bei der Abgabe zu achten?
Notfallkontrazeptiva sollten nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder Versagen der Verhütung so schnell wie möglich eingenommen werden, da die Wirksamkeit dann am größten ist. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Wirkstoffen: Bei Levonorgestrel (LNG), einem Gestagen, beträgt das Zeitfenster der Einnahme 72 Stunden, der Progesteron-Rezeptor-Modulator Ulipristalacetat (UPA) kann hingegen bis zu fünf Tage danach eingenommen werden. LNG und UPA verhindern den Eisprung. Falls dieser bereits stattgefunden hat, sind die Substanzen nicht mehr wirksam. Jedoch kann der Zeitpunkt der Ovulation nicht vorhergesagt werden, daher empfehlen die Hersteller die Einnahme zu jedem Zeitpunkt des Menstruationszyklus.
Auch wenn UPA strukturell mit Mifepriston, dem Wirkstoff der sogenannten Abtreibungspille, verwandt ist, ist UPA nicht als Mittel zum Schwangerschaftsabbruch geeignet. Beide Wirkstoffe haben in der empfohlenen Dosierung keine Auswirkung auf eine bestehende Schwangerschaft.
Nach der Einnahme der Pille kann es zu Erbrechen kommen. Wenn dies innerhalb von drei Stunden der Fall ist, sollte eine weitere Tablette eingenommen werden. Die Pille danach kann dazu führen, dass die folgende Menstruationsblutung einige Tage früher oder später als erwartet einsetzt. Die Kundin sollte darauf hingewiesen werden, dass bei Ausbleiben der Menstruationsblutung von mehr als sieben Tagen ein Gynäkologe aufgesucht werden sollte. Zudem können Schmier- und unregelmäßige Blutungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit auftreten und auch Erbrechen ist eine der häufigen Nebenwirkungen. Bei UPA kann es zusätzlich unter anderem auch zu Rückenschmerzen und Stimmungsschwankungen kommen.
Im Rahmen der pharmazeutischen Beratung ist es wichtig, zusätzlich eingenommene Arzneimittel zu erfragen. Denn einige Medikamente können die Wirkung der Pille danach herabsetzen, da sie CYP-3A4-Induktoren sind. Beispiele sind das Antibiotikum Rifampicin, Antiepileptika wie Phenytoin und Carbamazepin, HIV-Medikamente Ritonavir und Efavirenz sowie Johanniskraut, was auch ohne Rezept erhältlich ist. Frauen, die innerhalb der letzten vier Wochen enzyminduzierende Arzneimittel eingenommen haben, sollten UPA (ellaOne, HRA Pharma) nicht einnehmen.
Die Kundin sollte in einem derartigen Fall darauf hingewiesen werden, dass die Kupferspirale die sicherere Variante ist. Diese kann noch bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingesetzt werden. Falls dies nicht möglich ist, kann LNG in Erwägung gezogen werden, allerdings sollte die Dosis verdoppelt werden auf 3 mg LNG. Denn in der üblichen Dosierung von 1x1,5 mg wirkt dieser Wirkstoff nicht mehr zuverlässig. Das gab der Hersteller von Postinor (LNG) im Jahr 2016 bekannt. Dieser Sachverhalt trifft selbstverständlich auch auf die anderen LNG-haltigen Notfallkontrazeptiva zu.
Bei Vorliegen schweren Leberfunktionsstörungen sollte die Anwendung von beiden Wirkstoffen nicht empfohlen werden. Zudem sollte eine wiederholte Anwendung von Notfallkontrazeptiva innerhalb desselben Menstruationszyklus vermieden werden, da es zu schweren Zyklusstörungen kommen kann. Die gleichzeitige Anwendung von LNG und UPA wird nicht empfohlen, daher sollte bei jeder Kundin abgewogen werden, welche Substanz die bessere Option für sie ist.
Es liegen Hinweise vor, dass die Arzneistoffe bei übergewichtigen Frauen weniger wirksam sein können. Allerdings gibt die aktuelle Datenlage keinen Anlass zu Anwendungseinschränkungen. Die Pille danach kann unabhängig von Gewicht und BMI zur Notfallverhütung angewendet werden. Frauen in der Stillzeit, die die Pille danach kaufen möchten, sollten darauf hingewiesen werden, dass beide Wirkstoffe in die Muttermilch übergehen. Bei LNG wird eine Stillpause von acht Stunden, bei UPA dagegen sieben Tage empfohlen.
Nach Einnahme von Notfallkontrazeptiva kann die „normale“ Pille weiterhin eingenommen werden. Allerdings sollten Frauen bis zur nächsten Menstruationsblutung eine zuverlässige Barrieremethode anwenden, denn sie senken zwar das Risiko für eine Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr, gewährleisten aber keine Kontrazeption bei späterem Geschlechtsverkehr. Wichtig ist auch der Hinweis, dass beide Wirkstoffe nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen.
Krankenkassen übernehmen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr die Kosten für Notfallkontrazeptiva mit den Wirkstoffen LNG und UPA (EllaOne, HRA-Pharma). Näheres ist §24a Sozialgesetzbuch SGB V geregelt.
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