Fresh-up Jodtabletten: Wieso, weshalb, warum? Cynthia Möthrath, 28.02.2022 13:25 Uhr
Die Vorfälle in der Ukraine ziehen weite Kreise und führen auch in anderen Ländern zu großen Sorgen. Seit der Belagerung von Tschernobyl beschäftigen sich wieder viele Menschen mit Jodtabletten als Schutz vor radioaktiver Strahlung. Die Einnahme sollte jedoch nicht auf eigene Faust durchgeführt werden, denn sie birgt auch Risiken und ist nicht für jeden geeignet. Hier kommt ein Überblick.
Die Einnahme von Jod zum Schutz vor Radioaktivität ist nicht neu. Sie wurde unter anderem 2017 im Falle eines Reaktorunfalls des Kernkraftwerkes Tihange in Belgien in Erwägung gezogen. Damals wurden im Raum Aachen, den Kreisen Heinsberg, Euskirchen und Düren einmalig kostenlose Jodtabletten von den Apotheken verteilt.
Wie gelangt radioaktives Jod in den Körper?
- Radioaktive Jod-Isotope liegen meist gasförmig vor.
- Sie können sich so in der Umgebung ablagern (Pflanzen, Gegenstände, Nahrung usw.).
- Durch den gasförmigen Zustand werden sie außerdem eingeatmet und über die Lungen resorbiert.
- Speicherung erfolgt im Körper hauptsächlich in der Schilddrüse.
Wie erfolgt der Schutz durch Jodtabletten?
- Prinzip der Jodblockade
- „Gesundes“ Jod reichert sich durch die Einnahme in der Schilddrüse an.
- Es wird verhindert, dass radioaktives Jod in die Schilddrüse eindringen kann.
- So sollen Schäden durch radioaktives Jod verhindert werden, weil das radioaktive Jod über die Nieren ausgeschieden und nicht in der Schilddrüse gespeichert wird.
- Notwendig ist die 100- bis 1000-fache Menge der üblichen täglichen Jod-Zufuhr (statt μg sind also mg notwendig!).
Welche Schäden kann radioaktives Jod in der Schilddrüse anrichten?
- Schädigung von Gewebe mit anschließendem Funktionsverlust
- Entstehung einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
- Möglichkeit von Zell-Mutationen, welche zu Krebserkrankungen führen können
Wer ist besonders gefährdet?
- Kinder & Jugendliche aufgrund möglicher Folgeschäden
- Stillende, Schwangere und ihre ungeborenen Kinder
- Bei Personen über 45 Jahren ist das Risiko für schwere Schilddrüsenerkrankungen durch die Einnahme der Tabletten höher ist als das Risiko eines Schilddrüsenkarzinoms durch die Aufnahme von radioaktivem Jod.
Ist die Einnahme von Jodtabletten sinnvoll?
- Empfohlen wird die Einnahme von Kaliumjodid.
- Herkömmliche Jodpräparate aus der Apotheke enthalten wenige Mikrogramm Kaliumjodid.
- Für eine Jodblockade sind allerdings Mengen im Milligramm-Bereich nötig.
- Präparate mit wöchentlicher Einnahme enthalten 2 mg Kaliumjodid – für eine Jodblockade mit 130 mg Kaliumiodid müsste ein Erwachsener also 65 Tabletten einnehmen (eine Packung enthält 14 Tabletten).
- Präparate für die tägliche Einnahme enthalten zwischen 100 und 200 μg Jodid pro Tablette – hier wäre die Einnahme von bis zu 500 Tabletten nötig.
- Geeignet zur Jodblockade bei kerntechnischen Unfällen ist das hochdosierte Jod-Präparat Kaliumiodid Lannacher: Es enthält 65 mg Kaliumjodid und kann ab der Geburt bis zum Alter von 45 Jahren eingenommen werden (Dosierung beachten).