Ab kommendem Dienstag werden Hämophilie-Präparate wieder in der Apotheke abgegeben. Zum 1. September tritt eine entsprechende Änderung des „Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) in Kraft; bislang lief die Versorgung über spezialisierte Hämophilie-Zentren. Was müssen Apotheken bei der Rezeptbelieferung beachten? Der Faktencheck, auch als Download.
Patienten mit Hämophilie (Bluterkrankheit) fehlen Gerinnungsfaktoren. Unterschieden wird in Hämophilie A – ein Faktor-VIII-Mangel – und Hämophilie B – ein Faktor-IX-Mangel. Hämophilie A tritt dabei häufiger auf. Therapiert wird durch Substitution der fehlenden Gerinnungsfaktoren. Bislang lief die Versorgung der Betroffenen ausschließlich über Hämophilie-Zentren, das bedeutet, die Hersteller haben die Arzneimittel im Direktvertrieb an die spezialisierten Zentren abgegeben.
Mit dem GSAV wird der Vertriebsweg zum 1. September angepasst – Hämophilie-Präparate werden nur noch über die Apotheken vertrieben. Bis auf wenige Ausnahmen werden Patienten nun ausschließlich über die Apotheke versorgt. Somit kommen zum Monatsersten auf das Apothekenteam neue Aufgaben zu, denn Hämophilie-Patienten erhalten Rezepte, die sie in der Apotheke einlösen müssen.
Hämophilie-Präparate werden auf einem rosafarbenen Rezept verordnet. Im ersten Schritt – wenn die verordnete Menge als Packungsgröße im Handel ist – ist alles wie bei jedem anderen Muster-16-Rezept; Bestellung und Abgabe des Arzneimittels finden wie gehabt statt und das Rezept wird zulasten der Kasse abgerechnet. Jede Verordnungszeile ist einzeln zu betrachten. Verordnungen sind mit der jeweils verordneten Anzahl von Packungen zu beliefern.
Der Arzt muss im Verordnungsfeld die Stückzahl oder ein jeweiliges Vielfaches im Rahmen der Messzahlen (beispielsweise 5 × N1, 30 × N1 oder 60 × N1) angeben. Eine N2- oder N3-Verordnung ist nicht möglich, da keine entsprechenden Packungen im Handel sind. Auch wenn die prophylaktische Behandlung der Hämophilie eine Dauertherapie ist, sind die meisten Arzneimittel nur als N1-Packungen zu einem Stück erhältlich.
Ist keine entsprechende Packungsgröße im Handel, darf die Apotheke die Packungen gemäß § 3 Packungsgrößenverordnung (PackungsV) im Rahmen der definierten Normgrößen selbst zusammenstellen. Dabei gilt:
§ 3 PackungsV: „Fertigarzneimittel, die nach § 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a des Arzneimittelgesetzes vom ausschließlichen Vertrieb über Apotheken freigestellt sind, und Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie können, soweit sie nach § 5 entsprechend gekennzeichnet sind, aufgrund einer ärztlichen Verordnung im Rahmen der Messzahlen zusammengestellt werden. Die Abgabe dieser Packungen gilt im Sinne dieser Verordnung als Abgabe einer Einzelpackung.“
Stellt die Apotheke die Packungen zusammen, richtet sich die Zuzahlung nach der erreichten Normgröße. Der Patient zahlt somit nicht pro Packung, sondern entsprechend dem Normbereich.
Das bedeutet: Sind 30 Stück verordnet und werden 30 Packungen (30x N1) abgegeben und somit die N3 erreicht, wird die Zuzahlung nur einmal fällig. Anders verhält es sich, wenn 36 Stück verordnet sind und 30 Stück (N3) und sechs Stück (N2) geliefert werden, dann fallen zwei Zuzahlungen an – einmal für die N3 und einmal für die N2. Sind 60 Stück verordnet, werden ebenfalls zwei Zuzahlungen fällig. Die Abgabe der zusammengestellten Packungen gilt als Abgabe einer Einzelpackung, sodass je Vielfachem einer Normgröße nur eine einmalige Zuzahlung fällig wird.
Die Zuzahlung beträgt 10 Prozent des Arzneimittelpreises, jedoch mindestens fünf und maximal zehn Euro. Bislang mussten Hämophilie-Patienten nicht zuzahlen. Diskussionen in der Apotheke sind also möglich.
Gemäß § 17 Absatz 6a Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) müssen Apotheken „Erwerb und […] Abgabe von Blutzubereitungen, Sera aus menschlichem Blut und Zubereitungen aus anderen Stoffen menschlicher Herkunft sowie Arzneimitteln zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie“ dokumentieren und 30 Jahre aufbewahren. Bei Hämophilie-Präparaten sind folgende Angaben festzuhalten:
§ 17 Absatz 6a ApBetrO wurde geändert und somit eine neue Meldepflicht für die Apotheke eingeführt. Apotheken müssen zusätzlich zur Doku eine Meldung in schriftlicher oder elektronischer Form an den verschreibenden Arzt vornehmen. Diese muss enthalten:
Der Arzt muss die von der Apotheke gemeldeten Daten an das Deutsche Hämophilie-Register (DHR) gemäß § 21 des Transfusionsgesetzes (TFG) weiterleiten. Das DHR sammelt seit 2008 die entsprechenden Daten und wird vom Paul-Ehrlich-Institut geführt.
Hämophilie-Patienten benötigen zusätzlich zur planbaren Therapie Arzneimittel für Notfälle. Diese Vorräte müssen rund um die Uhr verfügbar sein – an 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Bislang wurden diese Notfall-Depots von den behandelnden Ärzten und Hämophilie-Zentren bereitgestellt. Mit der Änderung im GSAV sind nun auch teilnehmende Apotheken an der Notfallversorgung beteiligt. Die Bevorratung ist in § 43 Absatz 3a Arzneimittelgesetz (AMG) organisiert.
Hämophilie-Patienten müssen weiterhin ihr Substitutionstagebuch führen. Darin sind die Injektionen zu dokumentieren ebenso wie PZN, Chargenbezeichnung, Hersteller, Menge und Stärke sowie Datum und Uhrzeit der Applikation.
Der Beitrag erschien im Original bei PTA IN LOVE. Jetzt kostenlosen Newsletter abonnieren!
Diesen Faktencheck zum Download gibt es hier.
APOTHEKE ADHOC Debatte