Impfzertifikate sind das wichtigste Kontrollinstrument in der Pandemie – haben nur leider eine gravierende Schwachstelle: Der Impfpass ist vergleichsweise leicht zu fälschen. Und je schärfer die Maßnahmen, desto größer die Versuchung für Impfgegner, ein gefälschtes Attest in der Apotheke vorzulegen. Wie genau es die Apothekenteams mit der ihnen anvertrauten Aufgabe nehmen, kontrollieren jetzt offenbar auch Journalisten.
In Berlin gibt es Berichte, dass Journalist:innen gefälschte Impfpässe in Apotheken vorlegen. Mit teilweise sehr offensichtlichen Fälschungen werde getestet, wie die Apothekenmitarbeiter:innen sich verhalten. Der Berliner Apotheker-Verein (BAV) weist die Mitglieder auf dieses Vorgehen hin, aber auch auf das vermehrte Auftreten gefälschter Impfpässe. Teils würden Apothekenmitarbeiter:innen beschimpft, wenn sie das Ausstellen eines Zertifikats aufgrund eines Fälschungsverdachts verweigern.
„Apotheken kommt bei der Identifizierung solcher Fälschungen allein schon aus Gründen des Infektionsschutzes eine wichtige Rolle zu“, so der BAV. Denn wenn Menschen sich mit gefälschten Impfnachweisen Zutritt zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften, zur Gastronomie oder gar zu Bars und Clubs verschafften, bestehe die Gefahr, dass sich das Coronavirus – trotz geltender Schutzmaßnahmen — unkontrolliert verbreite.
„In der aktuellen Situation hält es der BAV für geboten und vertretbar, wenn Apotheken in allen Fällen, in denen auch nur der geringste Zweifel an der Echtheit eines Impfnachweises besteht, kein Impfzertifikat ausstellen, sondern die vermeintlich geimpfte Person an diejenige Stelle verweisen, bei der die Impfung durchgeführt wurde.“ Dies gelte insbesondere in solchen Fällen, in denen die Impfung außerhalb von Berlin oder in einem mittlerweile geschlossenen Impfzentrum durchgeführt wurde, da hier die Verifizierung der Impfdokumentation nicht mit vertretbarem Aufwand möglich sei.
„Die Gefahr, die von einer ungeimpften Person ausgeht, die sich mit einem gefälschten Imfpnachweis ein Impfzertifikat in der Apotheke verschafft hat, ist in jedem Fall schwerwiegender, als die Einschränkungen oder Mühen, die für eine geimpfte Person entstehen, deren Impfnachweis unvollständig ist und die sich daher um die Ausstellung eines Zertifikats durch die Stelle bemühen muss, die die Impfung vorgenommen hat.“
Bei einer Umfrage von aposcope hatten in der vergangenen Woche 94 Prozent der Teilnehmer:innen angegeben, dass in ihrer Apotheke digitale Impfzertifikate ausgestellt werden, im Durchschnitt sind es rund 20 Zertifikate am Tag, insgesamt bislang 3000. Laut 40 Prozent dieser Befragten sind bereits Fälschungen aufgetaucht – insgesamt könnten 8 Prozent aller vorgelegten Impfpässe gefälscht sein, so die Schätzung.
Die Apothekenteams nehmen die Aufgabe sehr ernst. Wo mutmaßliche Fälschungen bereits aufgetaucht sind, reagierten die Mitarbeiter:innen unterschiedlich:
Dass sich Apotheken von vornherein schützen, kommt selten vor: Nur 11 Prozent stellen ausschließlich Zertifikate für Stammkund:innen aus, nur 33 Prozent nimmt nur wohnortnahe Nachweise. Blanko-Impfpässe werden übrigens laut 42 Prozent trotzdem angeboten, allerdings in der Mehrzahl der Fälle beschränkt auf ein Heft pro Kund:in (63 Prozent).
Woran erkennt man Kund:innen, die gefälschte Impfpässe vorlegen? Gar nicht, so das Ergebnis der Umfrage: 48 Prozent der befragten Apotheker:innen und PTA gaben zwar an, dass es überwiegend 20- bis unter 45-Jährige seien und auch Männer wurden von 33 Prozent genannt. Aber ansonsten wurden keine besonderen Charakteristika genannt, 39 Prozent gaben sogar an, es gebe keine typische Person.
58 Prozent der Teilnehmer:innen hätten nicht erwartet, dass derart viele gefälschte Impfpässe in der Apotheke vorgelegt werden. Jede:r Zweite fürchtet sogar um die eigene Sicherheit, weil Apotheken in den Fokus von Menschen mit gefälschtem Impfpass geraten (51 Prozent). Drei von vier Befragten finden, dass es nicht Aufgabe der Apotheken ist, Menschen mit gefälschten Impfpässen das Handwerk zu legen. Und 11 Prozent gaben sogar zu, dass sie auch bei Verdacht auf eine Fälschung das Zertifikat ausstellen, da sie die Diskussionen leid sind.
Dennoch: 84 Prozent haben kein Verständnis dafür, dass sich Impfverweigerer einen gefälschten Impfpass besorgen. Im Gegenteil: Neun von zehn Befragten finden sogar, dass Menschen, die einen gefälschten Impfpass benutzen, streng bestraft werden sollten. Denn die Folgen sind gravierend:
28 Prozent der Teilnehmer:innen teilen die Einschätzung, dass sich das Konzept der digitalen Impfzertifikate nicht bewährt hat und sofort eingestellt werden sollte. Jede:r dritte Befragte findet außerdem, dass Impfzertifikate unnötig sind, da sie ohnehin nicht flächendeckend kontrolliert werden können. 80 Prozent gaben an, dass dies dort, wo 2G gelte, nicht ausreichend geschehe.
Weil niemand mehr die Kontrolle über die durchgeführten Impfungen habe, werde es unmöglich sein, ein neues fälschungssicheres System aufzubauen, finden 78 Prozent. 43 Prozent sehen die Hauptverantwortung beim geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Die derzeit viel diskutierte allgemeine Impfpflicht befürworten zwar drei von vier Teilnehmer:innen. Allerdings rechnen 89 Prozent auch damit, dass dies zu Protesten oder sogar Ausschreitungen führen würde. An der aposcope-Befragung nahmen am 23. November insgesamt 312 verifizierte Apotheker:innen und PTA teil.
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