Erst halbtags, dann in Quarantäne Alexandra Negt, 19.07.2020 08:45 Uhr
Nicole Henneberg und ihr Sohn Sebastian sind in Quarantäne. Die Mutter dachte direkt daran, dass sie sich in der Apotheke infiziert haben müsste, immerhin arbeitet die PTA dort Tag für Tag mit zahlreichen Menschen. Trotz Plexiglas und Mundschutz hielt sie eine Infektion für möglich. Doch nicht sie, sondern ihr Sohn war die „kritische Kontaktperson“. Seit zehn Tagen befindet sie sich in Quarantäne – die Kita bleibt geschlossen.
Letzte Woche Freitag kam er – der Anruf vom Gesundheitsamt. „Als PTA habe man ja des Öfteren über diesen Fall nachgedacht“, so berichtet Nicole Henneberg, „in der Apotheke sind wir nun mal einem höheren Risiko ausgesetzt.“ Umso überraschter war die zweifache Mutter als sie erfuhr, dass nicht sie, sondern ihr Sohn möglicherweise infiziert sei. In der Kita des sechsjährigen Sebastians wurde ein Kind positiv getestet. Folglich kam es zur Schließung der Kita. Das Kind hatte sich vermutlich über seinen Vater angesteckt und die Quarantäne-Kette in Gang gesetzt. Henneberg befindet sich am Ende ihrer Quarantäne. „Samstag um 24 Uhr können wir wieder raus“, freut sie sich. Ihre kreative Ader habe sie nun auch ausgeschöpft und berichtet von stundenlangen Basteleinheiten und dem kreativen gestalten von Steinen. „Kein Fahrradfahren, kein Spielplatz – für das Kind ist die Quarantäne ähnlich wie ein Gefängnis.“ Die Mutter ist froh, dass die kommende Woche ein wenig geregelter wird – auch wenn dann für Sohn Sebastian die Ferien folgen.
Anfang Juli wurde ein Kind der Halbstädter Kindertagesstätte „Regenbogen“ positiv auf Corona getestet. „Danach ging alles recht schnell“, erinnert sich die Mutter. „Sebastian musste nach Hause und ich auch. Ich musste ihn ja beaufsichtigen und zunächst wusste ja auch keiner was mit mir ist.“ Ihrer Chefin sagte sie schnell bescheid. Vom Dienst wurde sie zunächst freigestellt. Kollegen und Freunde wartetetn gespannt auf den ersten Abstrich des Sohnes. „Dieser war zum Glück negativ. Somit musste ich mich auch nicht testen lassen. Auch alle anderen Kinder der Kita wurden negativ getestet, es wurde also schnell genug reagiert.“ Doch für ihren Sohn ist es der Abstrich kein einmaliges Erlebnis: „Um sicher zu gehen, dass mein Sohn negativ ist, muss der Rachen-Nasenabstrich erneut durchgeführt werden.“ Angenehm sei die Probenname nicht. „Allein das Zuschauen war unangenehm, da glaube ich kaum, dass man diesen Test als Laie fachgerecht zu Hause durchführen kann.“ Die PTA spricht die bestellbaren PCR-Tests zur Selbstdurchführung an.
Auf die Frage hin, ob ihr Sohn das Geschehen wirklich greifen kann antwortet sie: „Er kann sehr akribisch alle Regeln und Vorsichtmaßnahmen wiedergeben, da spielt er wirklich „Dr. Corona“ aber beim Thema Quarantäne war die Grenze erreicht. Er versteht nicht, weshalb er vor der Tür nicht Fahrrad fahren darf, wenn genau in dem Moment kein Passant zu sehen ist. Auch die anderen Kinder fehlen natürlich. Ich als Mutter kann da noch so viel mit ihm basteln – irgendwann will er raus. Um sicherzustellen, dass die Infektionskette wirksam unterbrochen wird, müssen alle Personen, die möglicherweise betroffen sind, in Isolation. „Mit mir befinden sich also mehr als 100 Personen in Quarantäne.“ Henneberg ist froh, dass ihr Sohn gesund ist, so könne sie die Zeit zumindest kreativ verbringen. Und eins habe die alleinerziehende Mutter hat in den knapp zwei Wochen eines gelernt: „Kreativ sein ist alles.“ Und ein wenig Unterstützung der Eltern gibt sie zu.
Henneberg hat seit März turbulente Wochen hinter sich. Als PTA gab es für sie kein Home-Office. „Das ist in unserem Job nun mal schwer. Wir standen jeden Tag zwar nur fünf Stunden in der Apotheke, aber die hatten es zum Teil in sich. Unsere Chefin hat uns in zwei Teams eingeteilt. Es gab die Früh- und die Spätschicht. Zwischendrin wurde gereinigt.“ Die Wochen im März seien anstrengend gewesen, aber gemeinsam mit ihrem Team hätten sie die besondere Situation gut über die Bühne gebracht. „Trotz dessen wir alle nur noch halbtags gearbeitet haben, hat uns die Chefin weiterhin das volle Gehalt bezahlt,“ erzählt sie dankbar. „Der Zeitpunkt jetzt ist echt ärgerlich, umso besser, dassich ab Montag höchstwahrscheinlich wieder in den Handverkauf kann. Bei uns in der Apotheke beginnt die Urlaubssaison. Da werde ich gebraucht, ansonsten müssen Kollegen ihren Urlaub verschieben, das will ich nicht.“
Selten habe sie sich so sehr auf die Apotheke gefreut. „Na klar kann man in der Quarantäne viel Zeit mit seinem Kind verbringen, aber drinnen. Frei kann man seinen Tag nicht planen.“ Für Einkäufe & Co. hat sie ihre Eltern. „Die sind mir schon über die ganze Corona-Zeit hinweg eine Hilfe.“ Sie lebt in einem Mehrgenerationenhaushalt. „Ohne meine Eltern hätte eine Betreuung für Sebastian den ein oder anderen Tag sicherlich gefehlt.“ Rund zehn Wochen blieben die Kitas geschlossen. In dieser Zeit besuchte ihr Sohn keine Notbetreuung. „Das war keine gute Lösung“, schildert Henneberg ohne weiter ins Detail zu gehen, „ich habe meine Eltern gefragt, ob sie die Betreuung übernehmen würden und sie sagten sofort ja.“
Auf die Frage, ob Sebastian sich denn jetzt auch so sehr auf die Kita freuen würde lacht die PTA: „Würde er sicherlich, doch da folgen ab Montag erstmal zwei Wochen Schließzeit.“ Für ihren Sohn kommen also nochmal zwei Wochen ohne täglichen Kinderkontakt hinzu. Henneberg will natürlich mit ihrem Sohn wieder nach draußen, auf die Spielplätze und in die Natur – der richtige Alltag für Sebastian lässt aber noch ein wenig auf sich warten.