Diphterie-Antitoxin nicht mehr verfügbar Alexandra Negt, 17.02.2020 06:06 Uhr
Diphterie kommt in Deutschland äußerst selten vor. Kinder werden normalerweise geimpft. Antitoxine lagern in Notfalldepots, zu denen Apotheker exklusiven Beschaffungszugang haben. Durch den Diphterie-Verdacht bei einem Jungen in Hessen wurde aufgedeckt, dass aktuell kein verkehrsfähiges Präparat eingelagert ist. Die ausgelieferten Präparate besaßen das Mindesthaltbarkeitsdatum März 2014.
Der Leiter des Zentrums für Kinderheilkunde und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Klaus-Peter Zimmer, hatte sich an das Gesundheitsministerium in Hessen gewendet, da er kein einwandfreies Diphterie-Antitoxin beschaffen konnte. Er benötigte das Präparat für einen einjährigen Jungen mit Verdacht auf Diphtherie. Die Krankenhausapotheke habe über die bundesweiten Notfalldepots sechs Antitoxine erhalten – alle waren seit März 2014 abgelaufen.
Weltweit existieren nur drei Produktionsstandorte: Japan, Kroatien und Russland. Japan produziert verkehrsfähige Präparate, hat aber aktuell einen Exportstopp. Die kroatischen Chargen besitzen alle das gleiche Verfalldatum: März 2014. Die Bestände seien zudem fast aufgebraucht. Die Beschaffung aus Russland verlief erfolglos – die Anfang 2019 georderten Chargen enthielten zu wenig Wirkstoff.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist sich einer Versorgungslücke nicht bewusst. „Bislang konnte nach Kenntnis des BMG in Deutschland eine Verfügbarkeit über die Notfalldepots gewährleistet werden“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums mit. Das BMG äußerte sich bislang nicht zu dem Umstand, dass die vorhandenen Lagerbestände nicht verkehrsfähig sind. In Fällen des gerechtfertigten Notstandes dürften diese Präparate abgegeben werden. Das Ministerium räumte ein, dass es aufgrund des geringen weltweiten Bedarfs, nur noch wenige Produzenten geben würde, darüber hinaus sei Diphtherie-Antitoxin in Deutschland nicht mehr zugelassen.
Notfalldepots
Einzelne selten gebrauchte Arzneistoffe werden zentral in Notfalldepots gelagert. Der Apothekenleiter muss nach § 15 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sicherstellen, dass diese Arzneimittel kurzfristig beschafft werden können. Entweder lagern die Präparate in der Apotheke selbst, oder werden aus einem der Depots beschafft.
Die von den Apothekerkammern der Länder bestehenden Notfalldepots sind ausschließlich den Apotheken zugänglich. Eine Beschaffung ist rund um die Uhr möglich.
Liste der Wirkstoffe
- Diphtherie-Antitoxin vom Pferd
- Botulismus-Antitoxin vom Pferd
- Schlangengift-Immunserum
- polyvalent, Europa, Tollwut-Impfstoff
- Tollwut-Immunglobulin
- Varizella-Zoster-Immunglobulin
- C1-Esterase-Inhibitor
- Hepatitis-B-Immunglobulin
- Hepatitis-B-Impfstoff
- Digitalis-Antitoxin
- Opioide in transdermaler und in transmucosaler Darreichungsform
Diphtherie-Antitoxin
Nach einer Diphtherie-Infektion neutralisiert das Antitoxin zirkulierendes, noch nicht in Zellen eingedrungenes Toxin und verhindert das Fortschreiten der Erkrankung. Die Behandlung sollte unter stationären Bedingungen durchgeführt werden. Da es sich um Immunglobuline vom Pferd handelt, kann es häufiger als bei menschlichen Immunglobulinen zu einer schweren anaphylaktischen Reaktion kommen. Das Antitoxin kann normalerweise über die von den Landesapothekerkammern eingerichteten Notfalldepots für Arzneimittel bezogen werden.