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Dienstreise: Ratsapotheke schickt PTA nach China

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Berlin -

Seit bald 500 Jahren gibt es die Ratsapotheke in Stralsund. Über die Jahrhunderte hat sie die Bürger der Hansestadt mit Arzneimitteln versorgt und die Seeleute auch. Apotheker Peter Cramer hat der nach der Wende verfallenen Apotheke im Gebäude am Alten Markt neues Leben eingehaucht und seitdem neue Geschäftsfelder erschlossen. Unter anderem bietet er deutschlandweit traditionelle chinesische Medizin (TCM) an. Jetzt hat er eine PTA sogar auf Dienstreise ins Reich der Mitte geschickt – eine Fortbildung der besonderen Art.

Meike Busacker ist 26 Jahre alt und PTA in der Ratsapotheke. Seit einiger Zeit kümmert sie sich um die TCM-Abteilung – mixt Tees, berät die Kunden und pflegt die Kontakte zum Konfuzius Institut gleich nebenan. Zur Fortbildung rund um die TCM und um einen mittelständischen Betrieb zu besuchen, mit dem eine Kooperation angestrebt wird, schickte sie Cramer jetzt zwei Wochen nach China – eine Abenteuerreise mit kleinen Hindernissen, die zwar keine Fortbildungspunkte einbrachte, dafür aber jede Menge Erfahrung.

„Wir sind eine klassische Apotheke mit dem Schwerpunkt der Arzneimittelversorgung vor Ort“, begründet Cramer diese ungewöhnliche Aktion. Es sei nicht nur wichtig, über den Tellerrand zu schauen, sondern sich weiter zu entwickeln und dabei kreativ zu werden. Denn neben dem klassischen Apothekengeschäft kann die Zukunft und Attraktivität des Arbeitsplatzes Apotheke nur durch kreative Projekte und Diversifizierung gesichert werden, ist Cramer überzeugt: „Diesen Schritt sind wir gegangen und leben dabei außerdem als kleines Unternehmen die von Stralsund angestrebte Partnerschaft mit der chinesischen Provinz Anhui.“ Außerdem: Das TCM-Geschäft läuft bundesweit und da ist „Mund-zu-Mund-Propaganda“ ein wichtiger Aspekt.

Also stieg Busacker am 19. November allein ins Flugzeug nach Schanghai. Nach zehn Stunden Flug ging es mit dem Zug drei Stunden weiter nach Hefei, einer Provinzhauptstadt mit knapp acht Millionen Einwohnern. Hefei ist die Partnerstadt des Konfuzius Instituts in Stralsund – das einzige mit dem Schwerpunkt TCM in Deutschland – und unterhält außerdem selbst ein bekanntes Institut für chinesische Medizin. Die Anhui Universität ist eine in China renommierte Ausbildungs- und Forschungsstätte für TCM. Dort nahm Professor Gui da Pong die Besucherin aus Deutschland an die Hand. Unter anderem führte er sie in den riesigen botanischen Garten. „Neben den uns bekannten Kräutern und Teesorten wird dort auch mit Kokospilz und Fingerhut gearbeitet“, berichtet Busacker. „Das ist bei uns verboten.“

Mehr noch: Schlangen, Seepferdchen und andere tierische Ausgangsstoffe gehören in China ebenfalls zur TCM. „Das war schon gewöhnungsbedürftig“, erzählt die PTA. Gelernt hat sie viel über die chinesischen Herstellungstechniken, die sich von deutschen Methoden erheblich unterscheiden: „Dort wird nicht exakt gewogen, vieles per Augenmaß und nach Erfahrung gemixt.“

Eine Woche blieb Busacker in Hefei. Von dort fuhr sie nach Bozhou, dem „Mekka“ der TCM. Dort gibt es den mit 34 Hektar größten Kräutermarkt der Welt: Hier stapeln sich Fässer mit Schlangen, Fässer gefüllt mit menschlicher Plazenta, die angeblich gegen Ohnmachtsanfälle helfen sollen, getrocknete faustgroße Hirschkäfer, Kakerlaken, Ameisen, Skorpion und natürlich Pflanzen jeglicher Art. „An den Anblick muss man sich erst gewöhnen“, berichtet die PTA. Rund um den Markt reihen sich nicht nur Hotels, sondern auch Herstellerbetriebe.

Hier konnte sich Busacker ein Bild davon machen, wie in China mit den vielen Substanzen umgegangen wird: „Das war schon ein Abenteuer“, erinnert sie sich. Viele der Ausgangsstoffe und Techniken sind in Deutschland verboten, das Gelernte darf sie hier nicht einsetzen. Aber die Reise hat sich trotzdem gelohnt: „Ich habe ein anderes Verständnis für die Mentalität der Chinesen und deren traditionelle Medizin mitgebracht.“ Das hilft ihr jetzt in Stralsund, wenn chinesische Kunden ihre Produkte bestellen. „Ich kann viel besser einschätzen, was sie brauchen und wie sie denken.“ So etwas spricht sich herum.

„Das sehe ich als nachhaltige Investition“, freut sich Cramer über das gewonnene Wissen seiner Mitarbeiterin. „Wir haben viele chinesische Kunden. Da können wir jetzt mit diesen Erfahrungen und Eindrücken punkten.“ 1995 hat Cramer die 1543 gegründete Ratsapotheke übernommen. Er hätte auch in Aachen in die elterlichen Apotheken einsteigen können. Aber weil die Familie immer schon Verbindungen nach Rügen hatte, entschied er sich für die Ostseeküste. Davor war die Ratsapotheke zehn Jahre lang geschlossen. Das historische, denkmalgeschützte Gebäude hat Cramer aufwendig renoviert. Das dauerte drei Jahre. Seit 1998 schmückt die Ratsapotheke die Stralsunder Altstadt. „Das war nach der Wende eine spannende Zeit“, erinnert sich Cramer. Erst 1992 hatte er seine Approbation erhalten und in Berlin bei Schering promoviert.

Neben der „normalen“ Apotheke und der TCM-Abteilung hat Cramer noch einen Fachhandel für Arztpraxen aufgebaut. Die Firma Mafa liefert Praxisbedarf, Diagnostika und besitzt die Großhandelserlaubnis. Auch mit Impfstoffen beliefert er Arztpraxen in der Region. Ein Onlineportal gehört ebenfalls zur Ratsapotheke. Die meisten Kunden bestellen hier Arzneimittel vor: „80 Prozent holen sie dann in der Apotheke ab“, so Cramer. „Unsere Stärke ist in der Region“, sieht es das als Ergänzung zum stationären Angebot. Auch in der Palliativ-Versorgung ist er aktiv.

Als begeisterter Wassersportler versorgt Cramers Ratsapotheke quasi als „Hobby“ zudem die wenigen verbliebenen Schiffe im Stralsunder Hafen mit Arzneimitteln. „Das sind vor allem Behördenschiffe“, erzählt Cramer, „die verpflichtet sind, Arzneimittel mitzuführen.“ Früher waren das einmal viele Handelsschiffe. Heute beschränkt sich die Zahl auf eine Handvoll. „Das ist zwar aufwendig, weil wir die Schiffe persönlich begehen müssen, aber auch eine willkommene Abwechslung.“

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