Apothekenangestellte verbringen wegen Rückfragen in der Arztpraxis immer mehr Zeit am Telefon. Das ist die Erfahrung von PTA Gertrud Schmiedel*. „10 Prozent des Tages bin ich mit Rückrufen beschäftigt“, sagt die 61-jährige. Dass manche Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gegen die Apotheken wettern, kann sie nicht nachvollziehen. Besonders nicht, wenn solche Verordnungen abgegeben werden wie jüngst bei einem Rezept über Ortoton.
Mit ihrem Boykottaufruf aus Ärger über die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) sorgte die KV Hessen für Aufregung in den Apotheken. Zuvor hatten schon der Hausärzteverband in Rheinland-Pfalz und die KV in Baden-Württemberg (KVBW) damit gedroht, ihren Patient:innen den Versandhandel zu empfehlen. „Dass unsere Kenntnisse so in Frage gestellt werden, ist unglaublich“, sagt Schmiedl.
Die PTA ärgert sich über die Äußerungen und Unterstellungen: „Wir müssen die Patienten doch gemeinsam versorgen. Die Aussagen zeigen, wie wenig kooperativ manche Ärzte sind.“ Sie selbst habe in der Apotheke glücklicherweise mit Praxismitarbeitenden zu tun, die kooperativ seien. „Wir haben sogar einen Arzt, der seine Wertschätzung äußert und sich für Hinweise bedankt.“
Erst kürzlich fiel ihr wieder ein Rezept mit einer Verschreibung auf, die keine Sinn mache. Sie erhielt ein Rezept über Ortoton Recordati 750mg. Methocarbamol ist zur symptomatischen Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereiches, zugelassen. „Die Dosierungsangabe war eine Lachnummer“, sagt die PTA. Es sollte einmal morgens eine Tablette eingenommen werden. Die empfohlene Dosis für Erwachsene liegt bei zwei Stück – dreimal täglich. „Zu Beginn der Behandlung empfiehlt sich eine Dosierung von zwei Filmtabletten mit je 750 mg, viermal täglich. In schweren Fällen können Patienten bis zu zehn Filmtabletten (7500 mg) pro Tag einnehmen“, teilt der Hersteller mit.
Die Dosierung des Arztes helfe jedoch nicht, wenn man nicht laufen könne. Eine einzige Tablette am Tag bringe nichts. „Wir sind diejenigen, die die Fehler, die in Arztpraxen täglich passieren, ausbügeln. Dieses Denken auf Hierarchieebene hat sich bis heute nicht geändert. Schade, denn letztendlich schießen sich Ärzte nur selbst ins Bein“, sagt die PTA. Oft würden auch falsche Stärken aufgeschrieben. „Da häuft sich in einer Woche viel an.“ Fielen Ungereimtheiten auf, werde immer Rücksprache mit der Praxis gehalten. „Was wir jeden Tag an Kommunikation leisten, ist Wahnsinn.“
Schmiedel ist dennoch gerne PTA, auch wenn sie sich auf ihren baldigen Vorruhestand freut. Wegen der Personalknappheit halte sie noch durch. „Die Zeiten in der Apotheke haben sich geändert.“ Die Ärzt:innen hätten früher besser verordnet. „Die Praxen sind auch bis zum Anschlag überfordert. Corona hat viel mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen gemacht. Abends will man nach einem Arbeitstag mit niemanden mehr sprechen.“
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