„Die Art der Personalsuche muss sich ändern“ Alexandra Negt, 05.03.2022 09:09 Uhr
Berliner Apotheken finden kaum PTA. Und kommt es doch zum Kollegenzuwachs, so hält dieser oftmals nicht lange an – Personalfluktuation ist ein großes Problem. Nina Hanna, Marketingleiterin der BezirksApotheken in Berlin, macht hierfür auch die Inhaber:innen selbst verantwortlich. Sie ist davon überzeugt, dass sich die Art der Personalsuche ändern muss.
Apotheken müssen umdenken, wenn sie neues motiviertes Personal finden möchten, davon ist Nina Hanna, Marketingleiterin der BezirksApotheken in Berlin, überzeugt. Auch in der Hauptstadt ist es schwer, neue Kolleg:innen zu finden. Seit Monaten steigt die Anzahl an Stellenanzeigen bei der Apothekerkammer. Allein durch eine übertarifliche Bezahlung scheint man keine Unterstützung zu finden. „Was bringt mir eine Wechselprämie von 4000 Euro, wenn die Unternehmenskultur nicht stimmt? Dann kommt der nächste mit einer Wechselprämie von 5000 Euro und das neue Teammitglied ist so schnell wieder weg, wie es da war“, gibt Hanna zu bedenken.
„An der Art, wie wir nach Personal suchen, muss sich etwas ändern. Das 08/15 der Apotheke funktioniert einfach nicht mehr.“ Damit meint Hanna, dass eine Stellenanzeige, die eine „PTA für den Handverkauf in einer bunten Kiezapotheke mit viel Stammkundschaft“ sucht, zu keiner Resonanz mehr führt. Der/die zukünftige PTA lese in der Anzeige nicht, dass man nach ihm/ihr sucht – derjenige, der da kommen soll, könnte generisch ersetzt werden. „Die PTA will nicht nur ein Puzzleteil zum Ablauf und zur Aufrechterhaltung des Betriebes sein – das wird dem Berufsbild auch nicht gerecht. Es geht um individuelle Wertschätzung. Bei uns im Team werden individuelle Talente und Leidenschaften gefördert. Die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter:innen zählen zu einer der größten Stärken des Unternehmens in der Beratung der Kund:innen und Patient:innen. Jeder einzelne Mitarbeitende trägt das Unternehmen.“
Doch was wollen PTA?
Die BezirksApotheken haben sich genau diese Frage gestellt. Und um einen Rundumblick zu erlangen, wurde direkt nachgefragt: „Wir haben sowohl mit der Hilfe des Teams als auch mit der Unterstützung von externen PTA versucht herauszufinden, was sie sich von einem Arbeitgeber wünschen, wo sie nach neuen Herausforderungen suchen und was ihnen dabei besonders wichtig ist. Und das sind nicht einfach monetäre Vorteile: Es geht vor allem um Wertschätzung und den Raum der persönlichen Weiterentwicklung. Man möchte kein Lückenfüller sein und auch nicht wie Ware gehandelt werden.“
Die persönliche Entwicklung sei dabei nahezu in jeder Apotheke möglich. Hanna ist sich bewusst, dass die BezirksApotheken keine normale Offizin abbilden, doch Inhaber:innen müssten angepasst denken: „Es muss nicht immer die große Spezialisierung sein. Viel wichtiger ist es, die Bedürfnisse und Probleme seiner Kund:innen zu kennen. Gehören beispielsweise viele Familien zur Stammkundschaft, so ist es von Vorteil, wenn eine PTA sich besonders gut mit pädiatrischen Themen auskennt. Spezialisierungen und Schwerpunkte können sich auch aus den Umständen ergeben. Man muss sie nur sehen und auch ausbauen.“
Oftmals sei die bereits bestehende Unterbesetzung auch das Problem. Denn wenn nur Kapazitäten für das Tagesgeschäft vorhanden sind, wird es schwer, weitere Projekte anzugehen. „Das eine bedingt irgendwo auch das andere. Personalnot führt dazu, dass der Apotheke die Zeit fehlt zu reflektieren und sie sich somit nur schwer weiterentwickeln kann. Da bleibt nicht nur der einzelne Mitarbeiter auf der Strecke, sondern das ganze Team.“ Für eine gute Mitarbeiterbindung müssten Inhaber:innen jedoch teilweise in Vorleistung gehen. Die Bindung sei ein Prozess – kein Ereignis, was sich auf einen Tag datieren lässt. „Im Optimalfall wächst der Mitarbeitende mit dem Unternehmen. Rückblickend kann man so stolz auf die gemeinsam geleistete Arbeit sein - es stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Und auch in puncto Mitarbeiterbindung ist die individuelle Förderung enorm wichtig.“
Weg von der Hierarchie
PTA arbeiten rechtlich unter Aufsicht des Apothekers, doch sollten die Kolleg:innen diese Rahmenbedingungen nicht täglich zu spüren bekommen. Was für große Unternehmen gilt, lässt sich auch auf das kleinste Team übertragen: „Inhaber sollten mehr auf Unternehmenskultur setzen. Wertschätzung und Kommunikation sind weiterhin die wichtigsten Faktoren für die Mitarbeiterzufriedenheit. Die klassische Hierarchie ist hier eher Gift.“
Zukünftige Kolleg:innen sollten bereits beim Lesen der Stellenanzeige das Gefühl von Wertschätzung erhalten. „Wir suchen nicht allein über die Kammer und über die eigene Internetseite nach Kolleg:innen – wir suchen gezielt über Social Media, treten Austauschgruppen und Foren bei und platzieren Social Ads in der Timeline von potenziellen Mitarbeiter:innen. Wir setzen dabei auf eine sehr persönliche Ansprache, die Lust auf mehr macht. Ziemlich überraschend: Ja, das ist auch digital möglich! Da braucht es keine langen erklärenden Fließtexte, denen es an Persönlichkeit mangelt.“
Sprecht mit eurem Team
Vorgesetzte, die etwas ändern wollen, sollten in den offenen Dialog mit ihrem Team treten, so Hanna. „Ab und an muss man auch mal ehrlich fragen ‚Wie fühlen wir uns aktuell?‘ – die ehrliche und offene Kommunikation ist wichtig. Nur so kann sich was ändern.“ Zudem hätten über zwei Jahre Pandemie auch das Miteinander verändert. Dabei spricht Hanna von Veränderungen auf beiden Seiten, sowohl im Team, als auch mit den Kund:innen: „Nach Corona müssen wir erstmal wieder lernen aufeinander zuzugehen und uns als Menschen zu begegnen. Das merkt auch das Team im HV. Die Arbeit hat sich verändert. Aber auch diese aktuelle Distanz wird sich wieder ändern. Generell sollte man sich mit der Dynamik im Umgang und allgemeinen Geschehen anfreunden – jede Veränderung bietet auch Chancen.“
Und einen abschließenden Tipp hat sie noch für alle PTA: „Bei Aussagen wie ‚Das haben wir immer schon so gemacht‘ sollte man aufmerksam werden. Und das werden die jungen PTA auch. Sie kommen mit einem ganz anderen Verständnis zum Vorstellungsgespräch. Nicht umsonst sind Begriffe wie Work-Life-Balance entstanden und werden immer wichtiger. Wo ist die Sinnhaftigkeit in meinem täglichen Tun und wie vereinbare ich das mit meiner individuellen Lebenssituation? Daher bieten wir flexible Arbeitsmodelle und bei Projektarbeit entscheidet jeder Mitarbeitende selbst, von wo er arbeitet. #Remote, #NewWork und #HomeOffice sind bei uns mehr als nur Hashtags.“