PTA in Europa Laura Spiesecke, 02.11.2015 11:27 Uhr
Abenteuerlust, die Leidenschaft für ein anderes Land oder ein Lebenspartner im Ausland – auch für PTA gibt es viele Gründe, Deutschland zu verlassen. Doch vor der Ausreise ist eine wichtige Frage zu klären: Wie ergeht es meiner Berufsgruppe dort? Während der Abschluss eines Pharmaziestudiums europaweit anerkannt werden kann, sind die Unterschiede bei der PTA-Ausbildung und dem anschließenden Jobprofil enorm. Selbst im europäischen Ausland haben PTA ganz andere Aufgaben und oftmals viel weniger Rechte.
Den PTA-Beruf an sich gibt es beispielsweise bei den Nachbarn in der Schweiz und in Österreich überhaupt nicht. Auch in Italien oder Griechenland gibt es keine Position in der Apotheke, die das hiesige Berufsbild zeigt. Griechische Apothekenangestellte sind oftmals ungelernte Kräfte. Lobbyarbeit für ihre Interessen durch eine Gewerkschaft oder ähnliches gibt es nicht.
In Italien und der Schweiz gibt es dafür wiederum eine Position in der Apotheke, die dem deutschen PKA-Beruf ähnelt. In Österreich werden PKA ausgebildet, deren Aufgaben etwas breiter gefächert sind als die der deutschen. Die Beratung am Kunden übernimmt dann hauptsächlich der Apotheker. Dafür sind die deutschen PTA in der österreichischen und schweizerischen Industrie aufgrund der pharmazeutischen Ausbildung gern gesehen.
Die britische PTA-Ausbildung wirkt aus deutscher Sicht befremdlich. Es reicht, eine gewisse Zeit in einer Apotheke zu arbeiten, um sich PTA nennen zu dürfen. Dafür ähnelt der Beruf eher dem einer Verkäuferin in der Drogerie. Boots und andere Ketten bilden inzwischen teilweise auch PTA aus, mit der deutschen Ausbildung hat dies allerdings nach wie vor wenig zu tun. Hauptaufgabe ist vor allem die Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen Präparaten. Diese stehen meist in der Freiwahl und die PTA sitzt oft einfach nur an der Kasse.
Wer in Großbritannien hingegen in einer Krankenhausapotheke arbeitet, an den werden höhere Anforderungen gestellt. Hier gibt es ein gutes Angebot an Weiterbildungen. PTA haben eine gehobenere Stellung als etwa eine deutsche Krankenhaus-PTA. Teilweise sind sie auch für den Einkauf der Medikamente verantwortlich.
In diesem Bereich können sich PTA einen besseren Posten erarbeiten, haben mehr Verantwortung und Kompetenzen sowie ein höheres Gehalt. In den Kettenapotheken ist das Gehalt für die Angestellten dagegen eher gering, in privaten Apotheken werden PTA tendenziell noch schlechter bezahlt. Für irische PTA gelten sehr ähnliche Bedingungen wie für jene in Großbritannien.
In Dänemark läuft die Ausbildung hingegen dual in den Schulen und in den Betrieben ab, was von der Apothekengewerkschaft Adexa als fortschrittlich angesehen wird. PTA können hier sogar eine kleine Filialapotheke leiten. In Form eines Mentorenprogramms werden erfahrene PTA oft gezielt eingesetzt, um das jüngere Teammitglied umfassend zu betreuen. Für die Zukunft ist ein Master-Abschluss für PTA geplant. In Deutschland sei dies aufgrund der vorhandenen Strukturen nicht umzusetzen, so die Adexa.
In Norwegen gibt es vor allem Kettenapotheken, die Zahl der inhabergeführten Apotheken geht hier allmählich gegen Null. Etwa die Hälfte der Angestellten sind PTA. Diese dürfen Rezepte nur nach einer abgeschlossenen Zusatzausbildung beliefern. Außerdem werden hier kaum Rezepturen angefertigt. Ähnlich sieht es in Schweden aus, denn auch hier dürfen PTA nicht generell verschreibungspflichtige Medikamente abgeben.
Dafür gibt es viele OTC-Arzneimittel auch außerhalb der Apotheken zu kaufen. Im Widerspruch zu den eingeschränkten Rechten der PTA gibt es hier eine weitere Regelung: Besonders auf dem Land befinden sich zum Beispiel in Supermärkten abgeschlossene Schränke mit Rx-Medikamenten. In Absprache mit dem Arzt dürfen die Angestellten diese abgeben. Aufgrund der dortigen Strukturen lässt sich die Versorgung oftmals gar nicht anders regeln.
In Finnland bietet sich ein ähnliches Bild. PTA dürfen nicht zu Arzneimitteln beraten und auch keine Rezepte beliefern. Entsprechend ist auch ihr Gehalt geringer. Über Tarifverhandlungen konnten in den vergangen Jahren nur kleine Steigerungen erzielt werden. Dafür gibt es eine Zwischenstufe zum Apotheker, den Bachelor of Pharmacy, der auch Rezepte beliefern darf. Da es in der Vergangenheit oftmals Probleme gab, ausreichend Apotheker zu finden, wurde diese Ausbildung geschaffen, um die Versorgung zu sichern.
PTA in Portugal geht es nach der Wirtschaftskrise noch immer schlecht. Die Gehälter der Angestellten in den Apotheken wurden um rund 40 Prozent gekürzt, viele wurden entlassen. Auch die Kaufkraft der Verbraucher hat deutlich gelitten, vielen fehlt einfach das Geld für Medikamente. Chronisch Kranke haben hier die Möglichkeit, sich bei ihrer Apotheke zu melden und ihre Medikamente in kleinen Packungen ohne Rezept zu bekommen. Dadurch sparen sie sich zumindest den Arztbesuch.
Wer sich in Kroatien zum PTA ausbilden lassen will, hat nur wenige Monate vor sich. Daher gibt es viele PTA auf dem Arbeitsmarkt, was deren Lage schwierig macht. Zudem seien die Arbeitsbedingungen zum Teil erschreckend, konstatiert Adexa.
Jutta Brielich, die die Adexa beim Zusammenschluss der europäischen PTA-Gewerkschaften und -Berufsverbände (EAPT) vertritt, hat ein kroatisches Kinderkrankenhaus besucht. In der Rezeptur hätten PTA ohne Handschuhe und Mundschutz Rezepturen angefertigt, berichtet sie. Antibiotika und andere Arzneimittel seien von mehreren PTA an einem Tisch einfach in Pulverbriefchen abgefüllt worden. Qualitätssichernde Maßnahmen suche man vergeblich.
In Ungarn herrscht ein klar gegliedertes System. Es gibt eine zweijährige Basis-Ausbildung, nach der OTC-Präparate abgegeben werden dürfen. Nach zwei weiteren Berufsjahren und einer einjährigen Zusatzausbildung dürfen spezialisierte PTA auch Rezepte beliefern. Es ist Pflicht, Mitglied in einer Kammer zu sein und regelmäßig Fortbildungspunkte zu sammeln. Wer dies verpasst, dem droht der Entzug der Arbeitserlaubnis.
Laut Adexa wagen viele deutsche PTA recht unüberlegt den Schritt ins Ausland. Wer zum Beispiel nach Großbritannien oder Irland gehe, werde oftmals schnell enttäuscht. Ebenso käme es vor, dass PTA ohne grundlegende Sprachkenntnisse auswanderten, obwohl es bei dem Beruf doch gerade auf die Beratung ankomme.
Zu beachten sei auch, dass in Deutschland sehr viel Wert auf die Rezeptur gelegt wird. Im europäischen Ausland sei das nur selten der Fall. Neben den teils sehr unterschiedlichen beruflichen Anforderungen nimmt auch die wirtschaftliche und strukturelle Situation der Länder Einfluss auf das Berufsbild.